Doch ihren Namen kann ich dir nicht nennen.
ISABELLA.
Wie, mein Sohn Cesar? Kläre mir das auf.
Zu gern dem ersten mächtigen Gefühl
Vertrautest du wie einer Götterstimme.
Auf rascher Jugendtat erwart ich dich,
Doch nicht auf töricht kindischer – Laß hören,
Was deine Wahl gelenkt.
DON CESAR.
Wahl, meine Mutter?
Ists Wahl, wenn des Gestirnes Macht den Menschen
Ereilt in der verhängnisvollen Stunde?
Nicht eine Braut zu suchen ging ich aus,
Nicht wahrlich solches Eitle konnte mir
Zu Sinne kommen in dem Haus des Todes,
Denn dorten fand ich, die ich nicht gesucht.
Gleichgültig war und nichtsbedeutend mir
Der Frauen leer geschwätziges Geschlecht,
Denn eine zweite sah ich nicht, wie dich,
Die ich gleich wie ein Götterbild verehre.
Es war des Vaters ernste Totenfeier,
Im Volksgedräng verborgen, wohnten wir
Ihr bei, du weißts, in unbekannter Kleidung,
So hattest dus mit Weisheit angeordnet,
Daß unsers Haders wild ausbrechende
Gewalt des Festes Würde nicht verletze.
– Mit schwarzem Flor behangen war das Schiff
Der Kirche, zwanzig Genien umstanden
Mit Fackeln in den Händen, den Altar,
Vor dem der Totensarg erhaben ruhte,
Mit weißbekreuztem Grabestuch bedeckt.
Und auf dem Grabtuch sahe man den Stab
Der Herrschaft liegen und die Fürstenkrone,
Den ritterlichen Schmuck der goldnen Sporen,
Das Schwert mit diamantenem Gehäng.
– Und alles lag in stiller Andacht kniend,
Als ungesehen jetzt vom hohen Chor
Herab die Orgel anfing sich zu regen,
Und hundertstimmig der Gesang begann –
Und als der Chor noch fortklung, stieg der Sarg,
Mitsamt dem Boden, der ihn trug, allmählich
Versinkend in die Unterwelt hinab,
Das Grabtuch aber überschleierte
Weit ausgebreitet die verborgne Mündung,
Und auf der Erde blieb der irdsche Schmuck
Zurück, dem Niederfahrenden nicht folgend –
Doch auf den Seraphsflügeln des Gesangs
Schwang die befreite Seele sich nach oben,
Den Himmel suchend und den Schoß der Gnade.
– Dies alles, Mutter, ruf ich dir, genau
Beschreibend, ins Gedächtnis jetzt zurück,
Daß du erkennest, ob zu jener Stunde
Ein weltlich Wünschen mir im Herzen war.
Und diesen festlich ernsten Augenblick
Erwählte sich der Lenker meines Lebens,
Mich zu berühren mit der Liebe Strahl.
Wie es geschah, frag ich mich selbst vergebens.
ISABELLA.
Vollende dennoch! Laß mich alles hören.
DON CESAR.
Woher sie kam, und wie sie sich zu mir
Gefunden, dieses frage nicht – Als ich
Die Augen wandte, stand sie mir zur Seite,
Und dunkel mächtig, wunderbar, ergriff
Im tiefsten Innersten mich ihre Nähe.
Nicht ihres Lächelns holder Zauber wars,
Die Reize nicht, die auf der Wange schweben,
Selbst nicht der Glanz der göttlichen Gestalt –
Es war ihr tiefstes und geheimstes Leben,
Was mich ergriff mit heiliger Gewalt;
Wie Zaubers Kräfte unbegreiflich weben –
Die Seelen schienen ohne Worteslaut,
Sich ohne Mittel geistig zu berühren,
Als sich mein Atem mischte mit dem ihren.
Fremd war sie mir und innig doch vertraut,
Und klar auf einmal fühl ichs in mir werden,
Die ist es, oder keine sonst auf Erden!
DON MANUEL mit Feuer einfallend.
Das ist der Liebe heilger Götterstrahl,
Der in die Seele schlägt und trifft und zündet,
Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet,
Da ist kein Widerstand und keine Wahl,
Es löst der Mensch nicht, was der Himmel bindet.
– Dem Bruder fall ich bei, ich muß ihn loben,
Mein eigen Schicksal ists, was er erzählt,
Den Schleier hat er glücklich aufgehoben
Von dem Gefühl, das dunkel mich beseelt.
ISABELLA.
Den eignen freien Weg, ich seh es wohl,
Will das Verhängnis gehn mit meinen Kindern.
Vom Berge stürzt der ungeheure Strom,
Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn,
Nicht des gemeßnen Pfades achtet er,
Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut.
So unterwerf ich mich, wie kann ichs ändern?
Der unregiersam stärkern Götterhand,
Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt.
Der Söhne Herz ist meiner Hoffnung Pfand,
Sie denken groß, wie sie geboren sind.
Isabella. Don Manuel. Don Cesar. Diego zeigt sich an der Türe.
ISABELLA.
Doch sieh! Da kommt mein treuer Knecht zurück!
Nur näher, näher, redlicher Diego!
Wo ist mein Kind? – Sie wissen alles! Hier
Ist kein Geheimnis mehr – Wo ist sie? Sprich!
Verbirg sie länger nicht, wir sind gefaßt,
Die höchste Freude zu ertragen. Komm!
Sie will mit ihm nach der Türe gehen.
Was ist das? Wie? Du zögerst? Du verstummst?
Das ist kein Blick, der Gutes mir verkündet!
Was ist dir? Sprich! Ein Schauder faßt mich an.
Wo ist sie? Wo ist Beatrice?
Will hinaus.
DON MANUEL für sich, betroffen.
Beatrice!
DIEGO hält sie zurück.
Bleib!
ISABELLA.
Wo ist sie? Mich entseelt die Angst.
DIEGO.
Sie folgt
Mir nicht. Ich bringe dir die Tochter nicht.
ISABELLA.
Was ist geschehn? Bei allen Heilgen, rede!
DON CESAR.
Wo ist die Schwester? Unglückselger, rede!
DIEGO.
Sie ist geraubt! Gestohlen von Korsaren!
O hätt ich nimmer diesen Tag gesehn!
DON MANUEL.
Faß dich, o Mutter!
DON CESAR.
Mutter, sei gefaßt!
Bezwinge dich, bis du ihn ganz vernommen!
DIEGO.
Ich machte schnell mich auf, wie du befohlen,
Die oft betretne Straße nach dem Kloster
Zum letztenmal zu gehn – Die Freude trug mich
Auf leichten Flügeln fort.
DON CESAR.
Zur Sache!
DON MANUEL.
Rede!
DIEGO.
Und da ich in die wohlbekannten Höfe
Des Klosters trete, die ich oft betrat,
Nach deiner Tochter ungeduldig frage,
Seh ich des Schreckens Bild in jedem Auge,
Entsetzt vernehm ich das Entsetzliche.
Isabella sinkt bleich und zitternd auf einen Sessel, Don Manuel ist um sie beschäftigt.
DON CESAR.
Und Mauren, sagst du, raubten sie hinweg?
Sah man die Mauren? Wer bezeugte dies?
DIEGO.
Ein maurisch Räuberschiff gewahrte man
In einer Bucht, unfern dem Kloster ankernd.
DON CESAR.
Manch Segel rettet sich in diese Buchten
Vor des Orkanes Wut – Wo ist das Schiff?
DIEGO.
Heut frühe sah man es in hoher See
Mit voller Segel Kraft das Weite suchen.
DON CESAR.
Hört man von anderm Raub noch, der geschehn?
Dem Mauren gnügt einfache Beute nicht.
DIEGO.
Hinweggetrieben wurde mit Gewalt
Die Rinderherde, die dort weidete.
DON CESAR.
Wie konnten Räuber aus des Klosters Mitte
Die Wohlverschloßne heimlich raubend stehlen?
DIEGO.
Des Klostergartens Mauren waren leicht
Auf hoher Leiter Sprossen überstiegen.
DON CESAR.
Wie brachen sie ins Innerste der Zellen?
Denn fromme Nonnen hält der strenge Zwang.
DIEGO.
Die noch durch kein Gelübde sich gebunden,
Sie durfte frei im Freien sich ergehn.
DON CESAR.
Und pflegte sie des freien Rechtes oft
Sich zu bedienen? Dieses sage mir.
DIEGO.
Oft sah man sie des Gartens Stille suchen,
Der Wiederkehr vergaß sie heute nur.
DON CESAR nachdem er sich eine Weile bedacht.
Raub sagst du? War sie frei genug dem Räuber,
So konnte sie in Freiheit auch entfliehen.
ISABELLA steht auf.
Es ist Gewalt! Es ist verwegner Raub!
Nicht pflichtvergessen konnte meine Tochter
Aus freier Neigung dem Entführer folgen!
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