Frank Krause war eine schillernde Persönlichkeit. Er war eine Mischung aus Arnold Schwarzenegger, Martin Heidegger und Götz George. Seine körperliche Ausstrahlung war raumgreifend, seine Stimme dröhnte im Bass, und er konnte aus dem Stehgreif heraus philosophische Exkurse absondern. All das, und auch sein ausdrucksstarkes Gesicht, hatten ihn für die Schauspielerei prädestiniert. Er war ohne Mühe zum Studium angenommen worden und hatte im ersten Semester seine vordringliche Aufgabe darin gesehen, sich erst einmal durch das annehmbare weibliche Material durchzuvögeln. Seine speziellen Talente in dieser Hinsicht waren auch einer Sprachausbilderin aufgefallen und es lag nahe, dass Krause bei einer Sprachlehrerin, die auch über Zungenstellungen beim Sprechen unterrichtete, vor allem seine besonderen Fähigkeiten im Cunnilingus geschickt einsetzte. Nachdem er der Leckerei allerdings überdrüssig geworden war, wanderte er zu einer Tanzpädagogin weiter. Diese Frau verblüffte ihn mit ihrer enormen Beweglichkeit, und er lernte ganz neue, eigentlich für von ihm beim Beischlaf für unmöglich gehaltene Stellungen kennen. Die dritte im Bunde war eine Gesangslehrerin, die ihn durch ihre Atemübungen beeindruckte, denn sie konnte ganz hervorragend blasen. Er hatte sich nie ganz von einer der Frauen getrennt, sondern musste damals einen Kalender führen, um bei seinen Verpflichtungen nicht durcheinander zu kommen. Er verließ die Ausbildungsstätte mit besten Noten und ganz hervorragenden Empfehlungen der Lehrerschaft.
Er blieb seiner Strategie treu und machte sich am Theater seines ersten Arrangements an die Intendantin heran. Die etwa 50jährige Frau war schon ziemlich leichtfertig mit ihren körperlichen Ressourcen umgegangen, denn sie rauchte wie ein Schlot, und hing (das war allen am Theater beschäftigten Personen bekannt) an der Flasche. Krause näherte sich dieser nach Mülleimer und Schnaps Destille stinkenden Gestalt nur a tergo, und hatte vor dem Akt auch immer einen großen Schluck genommen. So kam er gut rein und auch wieder raus, und dann schnell weg. Seine Bemühungen wurden honoriert, er bekam erste größere Rollen. Da er sich jetzt erst einmal ziemlich ausgelaugt fühlte, konzentrierte er sich auf seine eigentliche Arbeit und wurde schnell zum Star der Bühne. Sein natürliches Talent brachte ihn schnell voran, und auch das Fernsehen wurde auf ihn aufmerksam. Er konnte mittlerweile auswählen, wo er ein Engagement annahm. In dieser Phase traf er nach einer Vorstellung auf Gisela Bockelmüller. Im Ergebnis seiner bisherigen Erfahrungen sah er sofort, dass ihm hier ein ausgesprochen heißer Besen vor die Flinte gelaufen war. Krause hatte sich die Hörner abgestoßen, wollte etwas zur Ruhe kommen und sich vor allem seiner Karriere widmen.
Gisela Bockelmüller machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung und trieb ihn mit ihren sexuellen Spielchen immer wieder auf die Palme, so dass er gar nicht mehr anders konnte, als sie zu heiraten. Seine Überlegung war die gewesen, dass dann in der Ehe in dieser Hinsicht Alltag und Gewöhnung einziehen würde, und er dann mit einem Mal pro Woche davonkommen könnte. Er hatte sich verrechnet, und auch nach der Geburt von Bernd und Gabi ging es munter weiter. Es gab Zeiten, da flüchtete er regelrecht zu einem auswärtigen Engagement. War er wieder zu Hause, überfiel ihn eine Furie, die ihn aussaugte. Aber mit der Zeit lernte er, sich gesünder zu ernähren und bewusster zu leben, und trieb sogar etwas Sport. Ihr Sexualleben war erfüllend, und ihr übriges Zusammensein auch. Frank Krause würde sich selbst als einen glücklichen Ehemann bezeichnen, wenn da nicht ständig im Hintergrund die böse Fratze seines Schwiegervaters drohen würde. Schon bei seinem ersten Treffen mit der Sippe im Anwesen des Patriarchen war er mit einige der Anwesenden aneinandergeraten, weil man ihm aus seiner Sicht als landesweit bekannten Mimen zu wenig Aufmerksamkeit und Respekt entgegengebracht hatte. Der alte Bockelmüller hatte dem dann doch recht lautstarken Treiben grinsend zugesehen und dann sein Fazit gezogen.
"Ein richtiger Mann muss eine richtige Arbeit leisten können. Auf dem Bau zum Beispiel. In einem Blaumann. Wer auf einer Bühne in rosa Klamotten wie eine Schwuchtel herumspaziert, den kann man nicht ernst nehmen."
Das brüllende Gelächter hatte Krause zutiefst getroffen, und er hatte für diese Demütigung Rache geschworen. Gerade seine Rolle des Papst Pius VVI. im "Der Stellvertreter" von Hochhuth hatte in der Kritik Begeisterungsstürme ausgelöst, weil Krause das sensible Thema Kirche und Holocaust darstellerisch so genial bewältigt hätte, wie keiner je vor ihm.
"Ihr unwissenden Ignoranten" hatte er in den aufgeheizten Raum gerufen "das Schicksal der Juden interessiert euch wohl gar nicht? Ihr hättet nach dem Krieg sicher auch gesagt, dass ihr von all den Verbrechen nichts gewusst habt. Immer schön die Augen zumachen, ihr satten Spießbürger!"
Damit hatte er alles noch zu seinen Lasten verschlimmert, denn er war ausgebuht, und dann von allen geschnitten worden. Keiner sprach mit ihm, nur die hässliche Frau des Adligen versuchte ihn zu trösten. Er war zu diesem Zeitpunkt schon einigermaßen angetrunken und hatte Henriette von Schwarzbach nur angeblafft:
"Zieh Leine, du hässlicher Kasten!"
Bei den nächsten Veranstaltungen hatte er seine intellektuellen Ansprüche an das Publikum der Sippe deutlich heruntergeschraubt und sich volksnah gegeben. Das war besser angekommen, und er versuchte herauszubekommen, wer mit dem alten Bockelmüller auch noch eine Rechnung offen hatte. Es schienen einige zu sein. Aber so richtig bekam er nicht heraus, was so wirklich bei den einzelnen Leuten abgelaufen war. Alle waren aber offensichtlich darauf erpicht, in der Gunst von Bockelmüller möglichst weit oben zu stehen. Der Fall war klar, es könnte viel Geld lachen. Im Straßenverkehr der Region waren die Firmenfahrzeuge sehr präsent, an jeder zweiten Baustelle stand eine Tafel von Bockelmüller. Er versuchte sich an Baumann ranzumachen, der ja in der gleichen Branche tätig war.
"Da ist schon einiges an Kapital vorhanden" sagte der "du kannst dich im Bundesanzeiger informieren, dort müsste er seine Bilanz veröffentlichen. Aber daraus siehst ja nur, wie die Firma dasteht, nicht was er privat auf der Kante hat. Aber er ist Alleingeschäftsinhaber und damit gehört ihm auch die Firma. Mit ihrem Vermögen, und mit ihren Schulden. Kuck mal, so ein Muldenkipper kostet vielleicht im Schnitt, ich sage bewusst im Schnitt, sagen wir mal 80.000 Euro. Wenn er acht davon hat, hat er schon 640.000 Euro im Anlagevermögen. Sicher, die Fahrzeuge werden abgeschrieben, weil sie verschleißen und an Wert verlieren. Aber es geht doch nur mal um eine Größenordnung. Der hat auf seinem Firmengelände bestimmt an die 50 Maschinen stehen. Und das sind keine alten Kisten. Und was der so an Gewinn rausholt weiß ich nicht, es wird ordentlich sein. Sagen wir mal, der hat eine Umsatzrendite von 3 Prozent. Das bedeutet, dass er bei 100 Euro Umsatz 3 Euro Gewinn macht. Ich weiß wirklich nicht wie viel der an Umsatz hat, aber das dürften einige Millionen sein. Rechne mal mit 10 Millionen. Was kommt da raus?"
"3.000?"
"Man merkt, dass du nicht rechnen kannst. 300.000! Und bei 20 oder 30 Millionen Umsatz sind das dann 600.000 oder 900.000. Eventuell jedes Jahr, und das seit vielen Jahren. Du kannst alle möglichen Zahlenkombinationen verwenden, aber du weißt eben nicht, wie es wirklich aussieht. Ich sage dir, der hat wie Dagobert Duck einen geheimen Geldspeicher und geht zum Frühsport dort baden."
In diesem Moment hatte sich Krause gesagt, dass er zwar nicht zum Killer geboren wäre, aber vielleicht zum Erpresser. Sein schauspielerisches Talent könnte ihm eventuell helfen, irgendeine Schwachstelle im Leben des alten Bockelmüller zu finden. Jetzt musste er noch geeignete Ansatzpunkte finden.
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