Moritz trat hinter ihm in den Flur. »Ich hab jemanden mitgebracht ...«
»Ich seh schon!« Elisabeth kam ihnen entgegen, fiel Moritz um den Hals und küsste ihn. »Wenn du geschrieben hättest, dass du mit Magnus unterwegs bist, hätte ich mir weniger Sorgen gemacht.«
»Ja, Mama ...«, frotzelte Moritz. »Ich hab ihn gerade erst getroffen. Er hat sich quasi verlaufen.«
»Oh. Na dann bring ihn gleich mal heim ... Trinkt ihr noch einen Absacker?«
»Ja, hatten wir vor.«
»Mein Auto steht noch draußen, wenn du magst. Ich geh jetzt ins Bett. Viel Spaß noch euch zweien und Schuhe aus!«, rief sie lachend, umarmte beide und machte sich auf den Weg nach oben.
»Du hast es gehört!«, zwinkerte Moritz Magnus zu und stellte seine Schuhe in den Flur. Er schob Magnus ein Paar Hausschuhe zu und deutete ins Wohnzimmer. »Setz dich schon mal, ich komm sofort.«
»So ungeduscht auf die Couch?«
»Kein Ding. Wenn hier erst mal der Nachwuchs Einzug gehalten hat, nimmt darauf auch niemand mehr Rücksicht.« Moritz lachte, nahm zwei Bier aus dem Kühlschrank und ließ sie nacheinander waagerecht in die Gläser laufen. »Jetzt wo ich Elisabeth mit dem Eis gesehen habe ... Willst du auch eins?«
»Eis und Bier? Nee, lass mal. Danke.« Magnus winkte ab. »Bist du mitschwanger?«
»Ich befürchte es ...« Moritz hielt ihm das erste Glas hin. »Ich steh teilweise mitten in der Nacht mit ihr auf und sehe ihr dabei zu, wie sie Selleriesalat aus dem Glas isst.«
»Iiiih.«
»Mhm. Ich muss dazu sagen: Sie ist eine begnadete Köchin, dass sie so was überhaupt anrührt, ist schon seltsam. Aber mitten in der Nacht ... Bedenklich ...«
»Geht sicherlich auch vorbei ... Wievielte Woche?«
»Elfte. 29 weeks to go.« Moritz rollte mit den Augen.
»Denn man tau ...«, stießen sie die Gläser an und Stille legte sich über den Raum.
Einen Moment später ließ Magnus vor Schreck fast das Glas fallen und Moritz prustete vor Lachen. Gringer hatte sich angeschlichen und vor Magnus‹ Füßen saß er nun schwanzwedelnd und bettelnd: »Miau?«
»Fuck, was hab ich mich erschreckt!«
»Sorry, ich hab an den Dicken nicht gedacht. Das ist Gringer.«
»Der aus He-Man?« Magnus grinste und bestaunte den riesigen Kater.
»Ich seh schon, wir verstehen uns ...« Moritz war zum Küchenschrank gegangen und raschelte mit einer kleinen Box. »Komm her, Dicker.«
Gringer tapste auf ihn zu und sah ihn erwartungsvoll an. »Peng, tote Katze!«
Gringer fiel um, alle Viere von sich und verharrte so.
»Fein hat er das gemacht.« Moritz warf ihm ein Leckerli hin und wandte sich breit grinsend zu Magnus. »Hat Elisabeth ihm beigebracht ...«
»Cool. Norwegische Waldkatze?«
»Mhm. Anhänglich wie ein kleines Kind. Er liebt sie abgöttisch ... Und leidet total darunter, dass sie momentan nicht so viel mit ihm kuschelt.«
»Angst vor Toxoplasmose? Kann ich verstehen. Ist ja auch nicht ungefährlich.«
Moritz neigte den Kopf und sah Magnus fragend an. »Hast du selber Kinder?«
»Ich? Nein. Wie kommst du darauf?«
»Du fragst nach der Schwangerschaftswoche, nicht nach dem Monat. Toxoplasmose ist dir ein Begriff ... Ich musste mich dafür erst durch so ein quietschiges Schwangerschaftsbuch quälen ...«
»Lass mich raten, so ein rosafarbenes, Comicstil, Sanssouci-Verlag. Schwangerschaft und Geburt.«
»Exakt ... Also, raus mit der Sprache ... Wieso hast du das gelesen?«
»Meine Schwester hat ein Kind, Henry. Fast vier inzwischen. Sie hat es damals in der Schwangerschaft bei mir und –«
»Und?« Moritz schaute aufmerksam.
»Bei mir und Ilona liegen lassen.«
»Ilona, deine Ex?«
»Ilona meine noch.«
»Hey, stopp. Was meinst du genau?« Moritz‹ Ton hatte sich ein wenig verschärft.
»Nicht, was du jetzt denken könntest. Ich fahr nicht zweigleisig.«
»Sorry, wollte nichts unterstellen. Klang nur so seltsam«, ruderte Moritz zurück.
»Ja, deswegen hab ich auch einen Moment gezögert. Ilona und ich sind offiziell noch verheiratet, aber der Termin für die Scheidung müsste jetzt bald anberaumt werden. Und bevor du fragst: Nein, Victoria weiß davon noch nichts.«
»Autsch.«
»Exakt. Und ich hab auch noch keine Ahnung, wie ich ihr das beibringen soll. Eigentlich ist alles in trockenen Tüchern.«
»Eigentlich?«
»Herrje, du hörst echt zu gut zu ...«
»Hab ich von Elisabeth.«
»Bester Einfluss ...«
Beide lachten. Magnus sah in sein Glas. »Nichts, was sich nicht in den nächsten Tagen klären wird. Wir kommunizieren nur noch über unsere Anwälte.«
»Ein Richter, der einen Anwalt braucht?«
»Ja, das hört sich bescheuert an, ich weiß. Aber Tobias und ich haben zusammen studiert und ich vertraue ihm voll und ganz. Es ist schon besser, wenn sich jemand der Sache annimmt, der emotional nicht so involviert ist. Außerdem ist es so vorgeschrieben ...«
»Klingt logisch. Und verdammt traurig.«
»Na ja, Scheidungen gehören bei mir ja indirekt auch zum Geschäft, ich mach zwar eigentlich Strafrecht, aber muss mich halt auch im Zivilrecht sicher bewegen. Insofern nichts, was mir von der Sache her fremd ist. Wie die Eheschließung an sich auch nur ein formaljuristischer Akt.«
»So nüchtern, wie du das betrachtest, bist du echt drüber hinweg, oder?«
»Aber so was von. Sonst hätte ich mich auch gar nicht auf Victoria eingelassen. Das kannst du mir glauben.«
»Tue ich. Ohne Zweifel. Noch eins?« Moritz deutete auf das Bier.
»Hm. Nur wenn du noch Zeit hast und auch eins mittrinkst.«
»Sonst würde ich kaum fragen ...«
Mit den frisch befüllten Gläsern in der Hand steuerte Moritz auf den Wohnzimmertisch zu. Gringer hatte es sich inzwischen neben Magnus bequem gemacht und miaute.
»Wenn du magst, kannst du ihn kraulen. Der stirbt sonst vor Verzweiflung ...«, lachte Moritz und Magnus fing an, dem Kater vorsichtig über das Fell zu streichen. Das Miauen verstummte und Gringer fing leise an zu schnurren.
»Wenn ich das jetzt alles richtig zusammenfüge, war Victoria früher eure Chefin?«, fragte Magnus. Moritz grinste.
»Ja, das stimmt wohl. Elisabeth und ich haben beide in der Firma angefangen, als ihr Vater sie noch geführt hat. Hast du Wilhelm schon kennengelernt?«
»Nein. Morgen.«
»Ohne Victoria?«
»Sieht so aus ... Er hat mich vorhin angerufen und zum Abendessen eingeladen. Einer der Gründe, warum ich vorhin unbedingt vor die Tür wollte.«
»Mach dir mal keinen Kopf. Wilhelm ist im Prinzip eine Blaupause von Victoria. Er wird dich schon nicht fressen.«
»Das sagst du so ...«
»Im Ernst. Ich bin mir sicher, dass er dich einfach nur kennenlernen will. Vielleicht ist es sogar ganz gut, dass Victoria nicht dabei ist. So ein Gespräch unter Männern hat ja manchmal was für sich.«
»Auch wieder wahr. Nur, jetzt mal unter uns, in unserem Männergespräch ...« Magnus zögerte.
»Schieß los ...«
»Mir behagt das alles irgendwie nicht. Nur damit wir uns richtig verstehen, in Relation zu dem, was ich über Victoria weiß und bisher hier in Eschberg und Düsseldorf erlebt und gesehen habe, komme ich aus sehr einfachen Verhältnissen. Und auf gut Deutsch gesagt, geht mir gerade echt die Flatter. Ich hab keinen Plan, wie ich neben einer Frau bestehen soll, die eine schwarze American Express besitzt und Angela Merkel für mich warten lässt.«
»Was, das hat sie echt getan? Cool.« Moritz lachte laut.
»Hat sie. Zwar nur am Telefon, aber sie meinte nur ganz trocken ›Ich ruf zurück.‹.«
»Und wieso hast du da jetzt noch Zweifel?«
»Das ist irgendwie nicht meine Welt. Wie gesagt, ich bin in einem bescheidenen Umfeld groß geworden, mein Studium kreditfinanziert. Und irgendwie von einer Misere in die nächste geschlittert, die Scheidung ist finanziell gerade relativ ungünstig, deswegen habe ich hier auch erst mal nur eine Mini-Wohnung Downtown genommen ...«
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