Vor dem Diana Resort küssten die beiden sich herzlich, dann stieg Johanna aus und lief die wenigen Schritte zum Hotel. Etwas bang öffnete sie mit der Schlüsselkarte das Zimmer und war froh, Arnim noch genauso tief schlafen zu sehen, wie vor ein paar Stunden. In der Bar trank sie Campari Orange, dann war es Zeit zum Abendessen. Wie bisher aß sie ein Schüsselchen Suppe und nahm sich dann ein dunkles Brötchen, Butter und Käse sowie Kräuterquark, dazu trank sie ein Glas Rosé. Beim Dessert überlegte sie, es gab hübsche kleine Süßigkeiten, doch sie tat sich lieber einen Schwung frisch geschnittene Erdbeeren auf den Teller und ließ sich eine Kugel Schokoladeneis dazu geben. Vorsichtshalber schaute sie noch einmal ins Zimmer, Arnim schlief immer noch. Da setzte sie sich auf die Terrasse und trank mit Genuss zwei Gläser Weinbrand.
„Unwahrscheinlich, wie sich in 24 Stunden das Leben völlig ändern kann“, dachte sie, „noch nie bin ich einem Mann so schnell so nahe gekommen. Na ja, zur ganz innigen Begegnung fehlt noch einiges, aber wie ich mich kenne, wird das auch nicht mehr lange dauern.“ Dann kamen ihr die Probleme mit der Trennung in Meinigen in den Sinn, die sie mit Arnim besprechen musste. Auf jeden Fall musste er sich umgehend eine Wohnung suchen und aus ihrem Haus ausziehen. Da ihm ein Teil der Einrichtung gehörte, brauchte sie neue Möbel. Und wie würde es jenseits der ersten Euphorie mit Kerim weitergehen? Das müsste sie mit ihm besprechen, bevor sie zurück flog. Als sie in die Suite kam, schlief Arnim noch immer. Leise putzte sie ihre Zähne, dann ging sie in den Nebenraum, schloss die Tür und zog den Pyjama an, obwohl sie sonst nackt schlief. Sie schwitzte, weil sich in diesem Raum kein Fenster öffnen ließ, war aber bald eingeschlafen.
Kerim saß nach dem Feierabend noch in seinem Büro, er musste über diese Begegnung nachdenken, die sein Leben so nachdrücklich veränderte. Auf jeden Fall sollte er mit seinen Eltern darüber sprechen, dass er im Begriff war, eine neue Gemeinschaft zu beginnen, die ja mit einer Europäerin nicht einfach sein würde. Also meldete er sich zum Abendessen an.
„Schön, dass du uns mal wieder besuchst“, sagte der Vater. „Leider musst du mit uns beiden vorlieb nehmen. Yasmine macht uns mit ihrer politischen Aktivität in Istanbul Sorgen. Sie hat Tweeds verschickt und wurde nach einer Demonstration bei der Polizei verhört. Wir müssen aufpassen, dass sie sich nicht unglücklich macht. Und Özbay ist in Erzurum, Herekes kaufen.“
Als das Essen aufgetragen war, fragte der Vater lächelnd: „Willst du uns nur sehen oder hast du einen bestimmten Grund?“ „Du merkst auch alles“, lachte Kerim, „da ist schon etwas, worüber ich mit euch sprechen möchte.“ Dann erzählte er, dass er eine aufregende deutsche Frau kennen gelernt und sich sofort in sie verliebt habe und es ihr wohl genauso gegangen sei. „Sie ist mit ihrem Freund ins Sideniz gekommen, um den immer größer werdenden Riss zwischen ihnen zu kitten, aber er ist nicht bereit, ihretwegen sein Hobby einzuschränken, das ihn völlig in Anspruch nimmt. Deshalb will sie sich von ihm trennen. Wir sind uns gestern vor dem à la carte-Restaurant zum ersten Mal begegnet und haben uns so tief in die Augen geschaut, dass wir beide wussten, wir gehören zusammen. Wahrscheinlich werde ich ihr irgendwann nach Deutschland folgen.“
„Das ist ja richtig schlimm“, meinte der Vater nachdenklich, „du wirst dir eine Menge Probleme damit einhandeln. Das erste hast du schon, du darfst dich nicht mit einem weiblichen Hotelgast einlassen. Das zweite musst du selbst bei dir prüfen: liebst du sie so sehr und sie dich auch, dass du hier alles aufgeben und in eine ungewisse Zukunft in Deutschland gehen willst? Das dritte könnte die Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland sein, das vierte ist ihr Noch-Freund und das fünfte ist die Religion. Wärst du bereit, den Islam aufzugeben, wenn sie es von dir verlangt?“
„Alles das habe ich schon bedacht“, antwortete Kerim mit fester Stimme, „und dabei ist mir immer wieder deine Mutter in den Sinn gekommen, für die es überhaupt kein Problem war, in eine andere Kultur einzutauchen, wobei dein Vater allerdings so großzügig war, ihr den Glauben zu lassen, wenn ihr islamisch erzogen würdet. Sie würde meine Verbindung mit einer deutschen Frau sicherlich begrüßen, wenn sie noch am Leben wäre. Dass ich mich mit der Frau nicht im Hotel einlassen darf, weiß ich, ich habe aber alles Mögliche getan, um es zu verbergen. Unser beider Liebe halte ich für stark genug, um nach Deutschland zu gehen, und meine Zeugnisse von dort werden mir den Start erleichtern. Ihren Freund fürchte ich nicht, denn sie hat die feste Absicht, sich von ihm zu trennen. Und ich halte sie nicht für eine fanatische Christin, so dass ich wohl Muslim bleiben kann.“
„Nun, das hört sich ja alles recht gut an“, erwiderte der Vater lächelnd, „und zeigt uns wieder, welch verantwortungsvoller Mensch du bist. Was meinst du dazu, Sidika?“, fragte er Kerims Mutter, die schweigend zugehört hatte. „Ich glaube, wir können unserem Sohn vertrauen, dass er sich richtig entscheidet“, sagte sie langsam. „Gegen ein liebendes Herz können wir ohnehin nichts tun, da sollten wir ihm beistehen, soweit wir können.“
„Du hast wie immer Recht“, lachte der Vater jetzt laut, dann fragte er Kerim: „Bekommen wir denn deine große Liebe irgendwann zu sehen?“ „Ja, und das muss bald sein, weil sie schon nächste Woche abreist. Ich habe vor, sie euch am Dienstag vorzustellen, das ist mein freier Tag.“ „Na, da sind wir ja gespannt und freuen uns drauf“, antwortete der Vater, worauf die Mutter hinzufügte: „Ich freue mich für dich, dass du nach der Enttäuschung mit Ayşe wieder eine Frau gefunden hast, die du lieben kannst und die dich wohl auch liebt.“
„Darauf lasst uns noch etwas trinken, ich hoffe, du bleibst über Nacht“, fügte der Vater hinzu und holte den Cognac aus dem Schrank. Die drei plauderten noch lange, bevor sie schlafen gingen, Kerim nach langer Zeit wieder in seinem alten Zimmer.
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