1 ...7 8 9 11 12 13 ...31 Der Atem des Monsters ging schwer und er sah auf den Jungen, wodurch sein Auge menschlich war. Menschlicher als es für solch ein Wesen eigentlich möglich war und es begann feucht zu glänzen, wodurch sich Sebastian plötzlich schuldig fühlte, dennoch kuschelte sich sein Körper noch näher an das Biest.
„Nein.“ Es war zuerst nur ein Hauch, der von der nächtlichen Brise beinahe ungehört davon geblasen worden wäre, doch dann wurde die Stimme fester und zorniger: „Nein! Nein! Ich kann es nicht am Leben lassen! Ich will Rache! Rache für meine Familie, die es hinterhältig und brutal ermordet hat! Es muss sterben!“
Der Schwertgriff wurde fester umschlossen, als sich der Körper des Kriegers anspannte und er im nächsten Moment mit einem Kampfschrei auf das Monster zustürmte. Bereit es zu töten und Sebastian sah das Kommende, als würde er irgendwo zwischen den Bäumen stehen.
Sein Körper bewegte sich. Trat zwischen den Kämpfer und das Biest. Er fing die tödliche Klinge ab und der Schmerz raste durch sein Bewusstsein, bevor er nichts mehr spürte. Nur einen Glücksrausch, der alles auslöschte. Sein gesamtes Sein und das, was in der Wirklichkeit passierte nicht mehr zu ihm durchließ. Nicht einmal den kurzen Aufprall auf den Boden und das feuchte Gras unter seinem Gesicht, das nun von seinem Blut bedeckt wurde.
Die Wärme und sein Leben verließen ihn durch die klaffende Wunde quer über seinen Oberkörper. Sein Blick war auf das Monster gerichtet, das genauso wenig verstand wie er und im nächsten Moment erfüllte Hass seinen Blick. Sie wollte sich auf den Fremden stürzen, doch die leise Stimme von Sebastian erfüllte den Wald zum letzten Mal, bevor sein Leben endgültig erlosch. „Nein, Kevin, tu es nicht.“
Der Kämpfer verschwand in der Nacht, die sich gegen die aufgehende Sonne wehrte. Er sagte kein Wort und hatte auch das Schwert wieder in die Scheide gesteckt. Der Kampf war erloschen als Sebastian leblos zu Boden sank und das Blut den Boden tränkte.
Kein Wort kam über die Lippen der Anwesenden. Niemand wollte auch nur ansatzweise aussprechen was hier gerade passiert war. Und der Hass und die Wut, die in der Luft gelegen haben, schienen niemals existiert zu haben.
Langsam trat Kevin an den toten Körper heran und stupste ihn leicht mit der Schnauze an. Er wusste, dass er keine Reaktion bekommen würde, dennoch hoffte er es. Dieser Junge war der Erste, der in ihm kein Monster mehr sah. Wieso musste er sterben? Er und so viele andere.
Er wollte sich gerade neben den Toten legen, als das Rascheln des Gebüsches ihn hochschrecken ließ und er seinen Kopf in die Richtung wandte.
Es war ein Junge mit hüftlangen braunen Haaren, der auf die Lichtung trag. Seine Kleidung wirkte abgenutzt und dreckig. Das rote Leinenhemd und die hellblaue Hose schienen von einer langen Reise zu erzählen.
Seine Bewegungen wirkten schlapp und müde. Immer wieder hatte Kevin das Gefühl, dass der Neuling vor seinen Augen einfach zusammenbrechen würde, wobei dies nicht geschah und er schließlich vor ihm zum Stehen kam.
Doch egal wie sehr sich Kevin auch anstrengte. Er konnte die Augen des Jungen nicht sehen, denn sie versteckten sich hinter der braunen Haarpracht, wodurch er bedrohlich wirkte und ein Knurren von dem Monster forderte.
„Habe keine Angst. Ich bin nicht hier um dich zu töten.“ Die Stimme war so leise, dass sie Kevin ohne sein gutes Gehör wohl kaum vernommen hätte, doch so traute er seinen Ohren kaum, wodurch sein Knurren noch tiefer wurde. „Ich habe keine Angst. Es gibt nichts, was ich zu fürchten habe. Nur will ich jetzt niemanden sehen und deswegen fordere ich dich hiermit auf zu gehen.“
„Dann sind wir uns dort ja einig, denn ich fürchte mich auch nicht vor dir. Du bist ein menschliches Wesen und wirst mir nichts tun. Dieser Junge hat deine Menschlichkeit geweckt und somit ist das Monster aus dir verschwunden. Du wirst niemanden mehr ohne Grund töten. Schade, dass er dafür sterben musste. Das hätte es nicht gebraucht. Aber ich kann dich beruhigen. Er musste nicht lange leiden. Er war auf der Stelle tot. Der Hieb hat sein Herz getroffen und noch einige weitere Organe. Wahrscheinlich wäre dieser Angriff auch für dich tödlich gewesen.“ Ein Lächeln zeigte sich auf den Lippen des Jungen, wodurch sich das Monster noch unbehaglicher fühlte. Denn es wirkte falsch. Irgendetwas stimmte mit diesem Neuling nicht. Nur konnte er noch nicht sagen, was es war.
„Niemand kann mich töten“, widersprach Kevin sofort, doch ein sanftes Lachen erklang, wie das eines wahnsinnigen Engels. „Oh doch. Man kann dich töten. Nicht viele. Aber dieser Krieger hätte es geschafft. Du lebst nur noch dank dem Jungen.“
Langsam hob der Neuling seinen Arm und streckte die Hand nach dem Monster aus, wodurch ein dunkles Knurren aus der Brust des Tieres erklang und im nächsten Moment schnappte es nach der Hand, doch er wollte sie nicht treffen, wodurch er kurz davor stoppte.
Es sollte eine Warnung sein und Kevin hoffte, dass der Fremde dies auch verstehen würde, doch erneut kam nur ein Kichern. „Siehst du? Ich hatte Recht. Du wirst mir nichts tun. Dazu bist du einfach nicht mehr in der Lage. Man hat dich gezähmt, Monster.“
„Was? Was willst du von mir? Willst du meinen Tod?“ Kevin ging absichtlich nicht auf die Provokation ein, sondern starrte den Jungen weiter an. Angriffsbereit oder fluchtbereit, je nachdem was er brauchen würde.
„Nein, ich will nicht deinen Tod. Ich möchte dir helfen.“ Das Monster traute seinen Ohren nicht, als es die Antwort des Jungen hörte, wodurch es diesen verwirrt und überrascht ansah. „Du willst was?“
„Dir helfen“, wiederholte der Braunhaarige ruhig seine Antwort, jedoch konnte Kevin dies immer noch nicht glauben. „Mir kann man nicht mehr helfen.“
„Doch ich kann es. Vorausgesetzt dass du mich auch helfen lässt“, beharrte der Junge weiter auf seinem Wunsch, wodurch Kevin nur knurrte: „Auch du nicht.“
„Doch, lass mich dir einfach helfen. Was hast du schon zu verlieren?“ Da hatte der Mensch vor ihm direkt recht. Kevin hatte nichts mehr zu verlieren. Sein Messias lag hier tot im Gras. Das Dorf hasste ihn und nun kamen schon Fremde, um ihn zu töten. Es konnte nicht mehr wirklich schlimmer werden. Außer er starb. Doch ob dies wirklich eine Verschlechterung war, da war er sich nicht mehr sicher.
Kevin kämpfte innerlich mit seinen Erfahrungen, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schnauze fühlte und er in das Lächeln des Jungen blickte. „Bitte lass mir dir helfen. Ich will nur dass du wieder so wirst, wie du einst warst.“
Sein Herz fühlte sich warm an. Er spürte die Tränen in seinem Auge, als ihn ein wohliges Gefühl überrannte. Seit seiner Verwandlung hatte er so etwas nicht mehr gefühlt. Man wollte ihm helfen. Seinen innersten Wunsch endlich erfüllen.
Dennoch wanderte sein Blick zurück zu der Leiche. „Man kann mich nicht retten. Er hat es auch versucht. Nein, er hat es schon getan. Mehr kann man nicht retten. Er hat sein Leben für meines gegeben. Wir kannten uns nicht und dennoch betitelte er mich als Freund. Und all das, obwohl ich ihn vor einer Stunde noch töten wollte. Einfach so sein Licht auslöschen. Ich habe ihn alles genommen. Seine Familie und sein Leben. Und er hat nie etwas von mir dafür bekommen. Nein, man kann mich nicht mehr retten. Ich bin verloren. Ja, wenn du mir helfen willst, dann töte mich. Töte mich hier und jetzt.“
Das Lächeln erlosch und der Junge seufzte tief, bevor er dann eine Strähne aus seinem Gesicht strich und das Monster die grünen Augen dahinter erblickte. So warm und einladend wie ein Wald. Aber Kevin wusste, was für eine Gefahr dort auch lauern konnte. Versteckt hinter all dem Grün.
„Nein, das kann ich nicht tun. Denn dann wäre dieser Junge umsonst gestorben. Du solltest dich erheben und meine Hilfe annehmen. Mache etwas aus dem Leben, dass er dir durch seinen Tod geschenkt hatte. Das bist du vielleicht nicht dir schuldig, aber ihm .“
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