Frau Pounce erschien und war prächtig in ein Promenadenkostüm gekleidet. War sie im Begriffe auszugehen oder war sie gerade nach dem Gasthofe zurückgekehrt? Nicht ein Wort entschlüpfte ihr, sie wartete mit ernster Miene, um zu hören, was die Herren wünschten.
Cosway, darauf vertrauend, dass Frau Pounce ihm bisher ihre Gunst zugewendet hatte, bot ihr den Inhalt ihrer beiden Brieftaschen an und teilte ihr die traurige Wahrheit mit. »Das ist alles Geld, was wir haben« sagte er zuletzt. »Wir hoffen, dass Sie damit einverstanden sind, den Rest Ihres Guthabens in einem Wechsel auf drei Monate in Empfang zu nehmen.«
Frau Pounce antwortete mit einem Ernst in Wort und Miene, der für Cosway und Stein ganz neu war.
»Meine Herren, ich habe für Ihre Pferde und Wagen bares Geld an Miete bezahlt« sagte sie; »hier sind die Quittungen der Mietspferdehalter, die dies nachweisen. Ich nehme niemals Wechsel an, wenn ich nicht im voraus ganz sicher bin, dass sie auch bezahlt werden. Ich bestreite, dass Sie eine Überforderung in der gestellten Rechnung nachweisen können und erwarte, dass Sie Zahlung leisten, ehe Sie mein Haus verlassen.«
Stein sah nach seiner Uhr. »In dreiviertel Stunden« sagte er, »müssen wir an Bord sein.«
Frau Pounce war ganz seiner Ansicht. »Und wenn Sie nicht an Bord sind« bemerkte sie, »so werden Sie vor ein Kriegsgericht gestellt und vom Dienste entfernt werden, und Ihr guter Ruf wird fürs ganze Leben zu Grunde gerichtet sein.«
»Verehrteste Frau, wir haben keine Zeit nach Hause zu schicken, und kennen in der Stadt niemand« erklärte Cosway. »Nehmen Sie um Gottes willen unsere Uhren und Juwelen und unser Gepäck und lassen Sie uns gehen.«
»Ich bin kein Pfandleiher« sagte die unbeugsame Dame. »Sie müssen entweder Ihre unbestreitbare Schuld mir in richtigem Gelde bezahlen oder —«
Sie machte eine Pause und blickte nach Cosway. Ihr wohlgenährtes Gesicht heiterte sich auf — zum erstenmal zeigte sich ein anmutiges Lächeln auf demselben.
Cosway starrte sie in unverhohlener Verwirrung an. Verwirrt wiederholte er ihre letzten Worte. »Wir müssen entweder die Rechnung bezahlen« sagte er, »oder was?«
»Oder« antwortete Frau Pounce, »einer von Ihnen muss mich heiraten.« Scherzte sie? War sie berauscht? Oder war sie von Sinnen? Nichts von all dem. Sie war vollständig Herrin ihrer selbst, und ihre Erklärung war ein Muster von klarer und überzeugender Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse:
»Meine Stellung hier hat ihre Unannehmlichkeiten« fing sie wieder an. »Ich bin eine alleinstehende Witwe; es ist bekannt, dass ich ein ausgezeichnetes Geschäft und erspartes Geld habe. Die Folge davon ist, dass ich von einer Schar geldgieriger Lumpen zu Tode gequält werde, die mich heiraten wollen. In dieser Lage bin ich Beleidigungen und Verleumdungen ausgesetzt. Selbst wenn ich nicht wüsste, dass die Männer es nur auf mein Geld abgesehen haben, wäre doch nicht einer unter ihnen, den ich zu heiraten wagen würde. Er möchte sich als Tyrann erweisen und mich schlagen, oder als Trunkenbold, und mich beschimpfen, oder als ein Spieler, der mich zu Grunde richtet. Wie Sie sehen, ist es zu meiner eigenen Sicherheit und Ruhe nötig, dass ich mich für verheiratet erklären und den Beweis dafür durch einen Heiratsschein erbringen kann. Ein Herr aus gebildeter Familie, der eine angesehene Stellung zu gewähren hat und an Jahren so viel jünger ist als ich selbst, dass er nicht daran denkt, mit mir zusammenzuleben — das wäre so ein Ehegatte, der mir passte! Meine Herren, ich bin eine vernünftige Frau. Ich würde darauf eingehen, mich von meinem Gemahl an der Kirchtür wieder zu trennen, und nachher niemals wieder versuchen, ihn zu sehen, oder ihm auch nur zu schreiben. Ich würde, wenn nötig, nur meinen Heiratsschein vorzeigen, ohne irgendwelche Erklärungen abzugeben. Ihr Geheimnis würde ganz sicher bei mir aufgehoben sein. Ich kümmere mich nicht im geringsten um Sie, so lange Sie meinem Zweck entsprechen.
Was sagen Sie dazu, dass einer von Ihnen in dieser Weise meine Rechnung bezahlt? Ich bin bereits für den Altar gekleidet und der amtierende Geistliche hat Nachricht erhalten.
Ich ziehe Herrn Cosway vor« fuhr das schreckliche Weib in grausamster Ironie fort, »weil er mich bisher mit Aufmerksamkeit behandelt hat. Die Heiratserlaubnis, die ich vor vierzehn Tagen in dieser Voraussetzung erwirkt habe, ist auf seinen Namen ausgestellt. So weit geht meine Vorliebe für Herrn Cosway. Aber das hat nichts zu sagen, falls Herr Stein seinen Platz einnehmen will. Er kann unter seines Freundes Namen aufgerufen werden. O ja, er kann es! Ich habe meinen Rechtsanwalt befragt. So lange als Braut und Bräutigam darin übereinstimmen, können sie unter einem beliebigen Namen getraut werden, und die Ehe ist rechtsgültig. Sehen Sie nochmals auf Ihre Uhr, Herr Stein. Die Kirche ist in der nächsten Straße. Nach meiner Berechnung haben Sie gerade noch fünf Minuten Zeit, sich zu entschließen. Ich bin eine pünktliche Frau, meine lieben Jungen, und werde auf die Minute wieder zurück sein.« Sie öffnete die Tür, zögerte einen Augenblick und kehrte in das Zimmer zurück.
»Ich hätte sagen sollen« fing sie wieder an, »dass ich Ihnen am Schlusse der Feierlichkeit mit der quittierten Rechnung ein Geschenk machen werde. Ich werde Sie mit allem Gelde, das Sie in der Tasche haben, in meinem eigenen Boote auf das Schiff bringen lassen und Ihnen einen Korb mit guten Esswaren mitgeben. Danach habe ich mit Ihnen nichts mehr zu schaffen. Sie können Ihren eigenen Weg zum Teufel gehen.«
Mit diesem Abschiedssegen verließ sie die beiden.
Nachdem sie so in die Falle der Wirtin geraten waren, blickten sich die beiden Opfer in bedeutsamem Schweigen einander an. Ohne hinreichende Zeit, um den Rat eines Rechtskundigen einzuholen, ohne Freunde auf dem Lande und ohne die Möglichkeit, Offiziere ihres Ranges auf dem Schiffe anzusprechen, hatten sie allerdings nur die Wahl zwischen einer Heirat und dem Verderben.«
Stein machte einen Vorschlag, der eines Helden würdig war.
»Einer von uns muss heiraten« sagte er. »Ich bin bereit, mich dafür herzugeben.«
Cosway kam ihm an Großmut gleich.
»Nein« antwortete er. »Ich war es, der dich hierher brachte und dich zu diesen höllischen Ausgaben verleitete. Ich muss dafür büßen und ich will es auch.«
Ehe noch Stein Einwendungen machen konnte, waren die fünf Minuten vorüber. Pünktlich erschien Frau Pounce wieder in der Tür.
»Nun?« fragte sie, »wer soll es sein, Cosway oder Stein?«
Cosway trat so sorglos wie immer vor und bot ihr seinen Arm.
»Nun denn, Fettklümpchen« sagte er, »komm und lass dich heiraten!«
In weiteren fünfundzwanzig Minuten war Frau Pounce eine Frau Cosway geworden, und die beiden Offiziere befanden sich auf dem Weg zum Schiffe.
Zweiter Zeitabschnitt in Cosways Leben
Vier Jahre waren verflossen, ehe die »Albicore« nach dem Hafen zurückkehrte, aus dem sie ihre Fahrt angetreten hatte. In der Zwischenzeit waren Cosways Eltern gestorben. Der Rechtsanwalt, der während seiner Abwesenheit von England seine Geschäfte besorgt hatte, benachrichtigte ihn, dass die Erbschaft aus seines verstorbenen Vaters »Besitztum« sich auf ein jährliches Einkommen von achthundert Pfund belaufe. Seine Mutter hatte nur die lebenslängliche Nutznießung ihres Vermögens besessen; sie hatte ihm ihre Juwelen, sonst nichts, hinterlassen.
Die Erfahrungen, welche Cosway als Seeoffizier im Auslande gemacht hatte, hatten ihn in seinen Erwartungen vollständig getäuscht, denn er besaß keinen politischen Einfluss, der seine Beförderung hätte beschleunigen können. Er entschloss sich daher, vom Dienste zurückzutreten, sobald das Schiff »außer Dienst gestellt« sei.
Zum Erstaunen seiner Kameraden hatte er indessen keine Eile, von dem ihm bewilligten Urlaub aufs Land Gebrauch zu machen. Der treue Stein war der einzige Mann an Bord, der da wusste, dass er seiner »Frau« zu begegnen fürchtete. Dieser gute Freund erbot sich, in den Gasthof zu gehen und die notwendigen Erkundigungen mit aller Vorsicht anzustellen.«
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