»Jan?«, hörte er Natascha an der Tür rufen, während sie zugleich die Klinke mehrfach betätigte, als könne sie dadurch die verschlossene Tür öffnen. »Ist bei dir alles in Ordnung?«
»Ja«, antwortete er, während er die Dusche abstellte. Erst jetzt sah er, dass er Spuren von Nataschas Lippenstift an einer Stelle hatte, wo er diesen niemals vermutet hätte. Erneut stellte er die Brause an und wusch sich unten herum gründlich ab. Wieso kann ich mich an nichts erinnern, fragte er sich wieder und wieder. Und wieso bin ich kurz vorm Platzen, wenn wir doch letzte Nacht …? Er verstand die Welt nicht mehr.
»Jan!« Wieder hörte er Nataschas Stimme. »Im Spiegelschrank findest du links eine neue, noch verpackte Zahnbürste. Und nimmt einfach irgendein Handtuch!«
Nachdem sich Jan abgetrocknet und die Zähne geputzt hatte, begab er sich wieder in Richtung Schlafzimmer, das nun feuchte Handtuch um die Hüfte geschlungen.
Natascha rekelte sich dort lasziv auf der Satindecke, und ihm wurde schlagartig wieder bewusst, wie wunderschön sie war … und wie erregend. Sofort spürte er wieder, wie sein Körper auf diesen Anblick reagierte, doch diesmal war er nicht mehr ganz so schüchtern.
»Wozu das Handtuch?«, fragte sie ihn mit gurrender Stimme und legte sich auf die Seite, wobei ihre freie Hand über ihre Brüste glitt.
Jan spürte, dass der Druck unten enorm anwuchs. Er ließ das Handtuch hinabgleiten und begab sich zurück ins Bett.
Eine gute Stunde später lagen beide schweißgebadet auf der Satindecke, Jan auf dem Rücken und mit Natascha im rechten Arm.
»Wieso ich?«, fragte er sie nun erneut, während sie ihre Finger über seinen Bauch gleiten ließ.
»Ich kann es dir nicht sagen«, gab sie zur Antwort. »Es hat bei mir einfach ›klick‹ gemacht. Du hast gestern so verträumt ausgesehen. Ich kann es dir nicht erklären.«
»Du wusstest aber schon, dass ich deutlich älter bin als du?«
»Ja, und das hat vermutlich den Ausschlag gegeben.«
»Du stehst auf ältere Männer?« Jan bedachte sie mit einem zweifelnden Blick.
»Nein. Aber auf reifere Männer. Auf Männer, die nicht nur auf die nächste Eroberung aus sind, um später mit ihr vor den Freunden angeben zu können. Ich stehe auf Männer, die nicht wie ein wilder Hengst vorgehen, sondern die zärtlich und rücksichtsvoll sind. Ich stehe auf Männer, die eine selbständige Frau akzeptieren, auch wenn diese nicht das Heimchen am Herd ist. Und ich stehe auf Männer, die mich zu befriedigen verstehen.«
»Na, das konntest du ja wohl nicht wissen«, gab er zu bedenken.
»Das vielleicht nicht. Doch ich liebe Teddybären. Und du bist schön kuschelig.«
Sie liebt Teddybären, dachte Jan über ihre Worte nach. Komisch, dass ich hier keine sehe. Laut fragte er hingegen: »Wie lief es gestern Nacht? Ich kann mich an nichts erinnern.«
»Du warst angetrunken«, antwortete Natascha und spielte mit den wenigen Haaren auf Jans Brust. »Ich war gerade dabei, dich auf Touren zu bringen, als du auch schon eingeschlafen warst.«
»Hmm«, brummte Jan und dachte über Nataschas Worte nach. Einerseits würde das ihren Lippenstift an seinem besten Stück erklären. Es erklärte aber nicht, wieso er nach nur einem Glas Gin Tonic dermaßen weggetreten sein konnte. Schon gar nicht nach dem üppigen Mal vom Griechen. Doch spielte das in diesem Augenblick eine Rolle? Vielleicht, überlegte er, sollte ich weiter mitspielen und sehen, was passiert.
»Dafür warst du eben umso besser«, flötete Natascha wieder und animierte Jan zu einer weiteren Runde …
»Super!«, rief Odysseus laut aus, während er noch beim Frühstück saß und die neueste SMS las. Der Zivilist war am Haken, und sein Agent bat um Informationen bezüglich des weiteren Vorgehens.
Odysseus schrieb:
Danach wählte er die Kurzwahlnummer von Schmitt und sagte bloß: »Am Dienstag fliegen Sie nach Frankfurt und treffen sich mit Venus am Flughafen. Übergeben Sie ihr das Päckchen und die neuesten Instruktionen. Geben Sie mir Ihre Flugdaten, damit ich Venus informieren kann.« Danach legte Odysseus auf, ohne auf eine Reaktion von Schmitt zu warten.
Montag, 7. Oktober 2019
Karben
Jan und Natascha hatten das gesamte Wochenende bei ihr zuhause verbracht. So viel Spaß hatte Jan seit dem Tod seine geliebten Steffi nicht mehr gehabt. Natascha war so prickelnd, voller Energie und Leidenschaft, überlegte er, während er seinen weißen Opel Kadett das letzte Stück nach Roggau lenkte, wo er sein kleines Häuschen auf dem Land hatte.
Natascha hatte heute an der Uni zu tun, was ihm etwas Zeit verschaffte, um sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Im Haus hatte er schon lange nichts mehr gemacht, und eigentlich hatte er vor, die kommenden zwei Wochen Urlaub zu machen und ein paar Tage zur Entspannung wegzufahren. Gegenbach im Schwarzwald, Waltenhofen, Uffing am Staffelsee und Bad Tölz wären ursprünglich die möglichen Ziele einer kurzen, spontanen Rundreise geworden. Leider sah Petrus dies im Moment anders und hielt mit leichtem Regen und Temperaturen von knapp unter 10°C ein Wetter bereit, das Jan nicht wirklich für einen Ausflug gebrauchen konnte. Erst das kommende Wochenende versprach derzeit eine Besserung.
Als Jan sein Haus betrat, bemerkte er nicht, dass ein schwarzer Mercedes mit zwei Gestalten darin in Sichtweite zu ihm blieb und man ihn beobachtete.
Da es weiterhin beständig regnete, wenn auch nicht mehr allzu stark, hatte Jan sich darauf beschränkt, innerhalb des Hauses für Klarschiff zu sorgen. Er saugte die Zimmer, lüftete und wischte Staub, wo es dringend nötig war. Zeitgleich liefen Waschmaschine und Trockner, zumal er auch dringend die Bettwäsche einer gründlichen Reinigung unterzog.
Die vergangenen Wochen waren sehr kräftezehrend gewesen. Zwar hatte er genügend Geld verdient, um bequem über die Runden zu kommen und sich ein paar Tage Auszeit zu gönnen, doch dafür hatte er auch beinah täglich mindestens zehn Stunden gearbeitet – sieben Tage die Woche! Das war eben der Nachteil, wenn man selbständig war und ehrlich bleiben wollte. Doch alles war besser als sein früherer Job im Einzelhandel und später gar bei einer Autovermietung. Kurz vor Steffis Tod hatte er sich selbstständig gemacht, doch seitdem funktionierte er bloß noch. Ackern von früh bis spät, um später ja einen angenehmen Lebensabend verbringen zu können. Zeit für eine Freundin hatte er dadurch praktisch nie … und dann kam Natascha und wirbelte alles durcheinander.
Sie meinte vorhin zu ihm, dass sie gegen vier Uhr nachmittags fertig würde und gegen fünf zuhause sei. Sie liebte Fastfood, was Jan – mit Hinblick auf ihren tollen Körper – völlig paradox vorkam. So hatten sie am Wochenende praktisch von Pizza und Brathähnchen gelebt. Später, so hatte sie ihn gebeten, solle er bitte etwas vom Türken mitbringen.
Zum Glück kannte Jan eine sehr gute Imbissbude in Dortelweil, direkt vor einem Möbel- und Einrichtungshaus. Er würde ihr daher einen Döner Kebab und für sich ein Lahmacun besorgen. Doch bis dahin gab es hier, zuhause, noch sehr viel zu erledigen. Seine Kakteen verlangten nach Wasser – in der letzten Oktoberwoche würde er sie zum letzten Mal gießen, bevor es zur Winterruhe ging –, und wenn alles erledigt war, würde er sich vielleicht endlich wieder mal eine Pfeife gönnen. Zwar rauchte er nicht viel, doch zu Zeiten der Entspannung war eine Pfeife mit einer süßlichen DTM-Mischung ganz nach seinem Geschmack.
Kaum hatte sich Jan liebevoll von ihr verabschiedet, da hatte Natascha auch schon alle Hände voll zu tun. Sie duschte ausgiebig und begab sich später zur Zeil, der berühmten Fußgängerzone der Mainmetropole. Hier sollte sie sich mit Mitarbeitern des Frankfurter Büros treffen, das für ihre Sicherheit verantwortlich war.
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