Target on our backs –
Im Fadenkreuz
Monster-Trilogie 3
J.M. Darhower
© 2020 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt
© Übersetzung Sylvia Pranga
© Covergestaltung Andrea Gunschera
© Originalausgabe J.M. Darhower 2016
ISBN Taschenbuch: 9783864439230
ISBN eBook-mobi: 9783864439247
ISBN eBook-epub: 9783864439254
www.sieben-verlag.de
Für Leonardo DiCaprio Was ich gesagt habe, tut mir leid .
Prolog
Kapitel 1 Karissa
Kapitel 2 Ignazio
Kapitel 3 Karissa
Kapitel 4 Ignazio
Kapitel 5 Karissa
Kapitel 6 Ignazio
Kapitel 7 Karissa
Kapitel 8 Ignazio
Kapitel 9 Karissa
Kapitel 10 Ignazio
Kapitel 11 Karissa
Kapitel 12 Ignazio
Kapitel 13 Karissa
Kapitel 14 Ignazio
Kapitel 15 Karissa
Kapitel 16 Ignazio
Kapitel 17 Karissa
Kapitel 18 Ignazio
Kapitel 19 Karissa
Kapitel 20 Ignazio
Kapitel 21 Karissa
Kapitel 22 Ignazio
Kapitel 23 Karissa
Epilog
Die Autorin
Ich erzähle euch eine Geschichte, eine Geschichte über einen Löwen, der vor nicht allzu langer Zeit von einem herzlosen Jäger getötet wurde. Dieser Löwe war der König seines Rudels, und sein Jäger? Sein Jäger hat nicht eine Sekunde gezögert abzudrücken, die Konsequenzen waren ihm egal.
Und es gab Konsequenzen.
Denn wenn ein König getötet wird, herrscht Anarchie, während der nächststärkere Mann darum kämpft, seinen Platz einzunehmen. Manchmal ist dieser Mann besonnen und einfühlsam. Wahrscheinlicher ist aber, dass er ein unbarmherziges Ungeheuer ist. Um seinen Platz an der Spitze der Nahrungskette und seine Dominanz in Zeiten des Chaos zu sichern, vernichtet der Löwe alle, die ihm Konkurrenz machen könnten. Und er beginnt mit den Jungen seines Vorgängers.
Seine Nachkommen, die er erschaffen und aufgezogen hat, damit sie eines Tages seine Nachfolge antreten, fallen einer nach dem anderen dem grausamen neuen Tyrannen zum Opfer, bis es das Rudel des ehemaligen Königs nicht mehr gibt. Der Jäger war der Meinung, dass es in dem Moment vorbei war, als er das Gewehr abstellte. Aber in Wirklichkeit begannen die Probleme da erst.
Und die Probleme? Die fingen mit einer Rache an. Und das Rudel steckte knietief darin.
Ein Toter bei Schießerei in Innenstadt!
Ich starre durch die Dunkelheit auf die fette Schlagzeile der gestrigen Zeitung. Sie hat es nicht auf das Titelblatt geschafft. Nicht einmal annähernd. Sie wurde zwischen die kleinen Verbrechen gequetscht, die die Stadt heimsuchen, als ob eine Schießerei heutzutage gar nicht mehr wichtig für diese Menschen ist.
Vielleicht ist es so. Wer bin ich, dass ich darüber urteile? Mich beunruhigen Kugeln bestimmt nicht mehr.
Doch diese Meldung machte mich stutzig. Sie ließ mich zögern.
Mein Blick schweift von der schwammigen Überschrift zu dem Namen des einzigen Opfers: Kelvin Russo .
Ich kenne ihn.
Oder besser, ich kannte ihn.
Kelvin lebt nicht mehr.
Einst war Kelvin einer von Rays Lieblingsuntergebenen gewesen, jetzt hat man ihm eine Kugel in den Hinterkopf gejagt. Er war noch jung gewesen, sein Leben hatte gerade erst begonnen. Älter als dreiundzwanzig oder vierundzwanzig konnte er nicht gewesen sein. In der Zeitung stand nicht viel über das, was passiert war. Aber ich erkenne eine Hinrichtung, wenn ich darüber lese.
Ein weiterer Nachkomme des ehemaligen Königs ist gefallen.
Dieses Mal habe ich nicht abgedrückt, aber letzten Endes gebe ich mir die Schuld. Er ist tot, weil es einen neuen König in diesem Beton-Dschungel gibt, ein König, der eine Nachricht an alle sendet.
Verneigt euch .
Doch ich knie vor niemandem. Ich krieche vor keinem verdammten Mann. Ein Jahr vor dem schicksalhaften Drücken des Abzugs bin ich gegangen, aber das wird jemanden wie ihn nicht kümmern. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er zu mir kommt.
Bevor er mich will . Wer immer er auch ist …
„Niemand kann aus seiner Haut.“
Giuseppe Vitale nimmt normalerweise kein Blatt vor den Mund. Er spricht oft in Rätseln, was sein Sohn von ihm geerbt hat. Doch der springende Punkt ist immer unmissverständlich. Er weiß, was er weiß und fühlt, wie er fühlt und letzten Endes zögert er nicht, zu sagen, wie es ist.
Niemand kann aus seiner Haut .
Er spricht von Ignazio.
„Aber er ist anders“, sage ich. Mein Blick schweift zu dem kleinen Holztisch zwischen uns, als würde ich unterbewusst an meinen eigenen Worten zweifeln. Er ist anders, das stimmt, doch das heißt nicht, dass er sich tatsächlich geändert hat.
Kann er sich ändern? Ich weiß es nicht.
Sollte ich mir das überhaupt wünschen?
Es ist über ein Jahr her, dass mich im Eingangsbereich unseres Hauses in Brooklyn eine Kugel traf, doch meine Brust schmerzt immer noch so, als wäre es gestern passiert. Die körperliche Verletzung ist geheilt, aber mein Herz ist eine andere Sache. Ein Teil davon bleibt gebrochen. Wahrscheinlich wird das immer so bleiben.
Vor sechs Wochen hat Naz mich gebeten, ihn zu heiraten. Im Gegensatz zum ersten Mal hat er mich wirklich gefragt. Und als ich dieses Mal ja sagte, wusste ich genau, auf was ich mich einließ. Ich weiß, was für eine Art von Mann er ist. Ich weiß, was er getan hat und was er tun wollte. Wir gaben uns noch am selben Abend im MGM Grand Hotel in Las Vegas das Ja-Wort und seitdem habe ich jede Nacht in der Überzeugung verbracht, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Weil er anders ist.
Das ist er wirklich.
Aber was genau bedeutet anders ?
Giuseppe legt seine raue, schwielige Hand auf meine und drückt sie leicht, um meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Er lächelt, aber es ist kein glückliches Lächeln. Es wirkt eher mitleidig.
Ich kann fast hören, was er denkt.
Armes kleines Mädchen, du weißt nicht, in was du hineingeraten bist .
„Man sagt, wenn man einen Frosch in kochendes Wasser setzt, springt er sofort wieder heraus“, sagt er. „Aber wenn man einen Frosch in kaltes Wasser setzt und die Temperatur stetig erhöht, bleibt er, wo er ist, als ob nichts passiert wäre. Weißt du, worauf ich hinaus will?“
Ich runzele bei diesem abrupten Themenwechsel die Stirn. „Nein.“
„Du bist der Frosch, Mädchen. Und Ignazio? Er kocht dich bei lebendigem Leib, ohne dass du es bemerkst.“
Ich will widersprechen. Ich will ihm sagen, dass er Unrecht hat. Denn so ist es. Er hat Unrecht. Aber das Einzige, was mir dazu einfällt, ist ‚er ist anders‘. Und ich kann nicht erklären, was genau das bedeutet. Er ist immer noch Naz, immer noch derselbe einschüchternde Ignazio, aber Vitale hat sich nicht gezeigt – jedenfalls nicht in meiner Gegenwart.
Ich weiß allerdings, dass Giuseppe nicht zwischen den Masken unterscheiden kann. Er blickt seinen Sohn an und sieht nur das Monster, in das er sich im Laufe der Jahre verwandelt hat. Er sieht nicht den Mann, der er gewesen ist oder den Mann, der er jetzt ist, den Mann, der er versucht zu sein.
Manchmal verschwindet er nachts immer noch. Gelegentlich gibt es noch geflüsterte Telefongespräche. Er ist immer noch paranoid, überfürsorglich und extrem vorsichtig, aber er ist nicht grausam . Er ist nicht arglistig. Ich verstehe ihn. Er versteht mich. Er fasst mich nicht mit Samthandschuhen an, geht mit mir aber auch nicht so um, dass ich es nicht ertragen könnte. Er behandelt mich wie einen Menschen, nicht wie einen Besitz – obwohl seine besitzergreifenden Züge manchmal sehr stark ausgeprägt sind.
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