Julian machte sich nun an einem dieser Klettergerüste auf dem dort befindlichen Spielplatz zu schaffen, während Elke mit ihrer Plastiktüte umherfuchtelte und einen dieser Hausprospekte hervorzog.
>>Ist das dein Traumhaus?<<, fragte ich neugierig.
Ohne darauf eine Antwort zu bekommen, verschanzte sich Elke hinter dem Katalog.
Verärgert darüber wollte ich gerade aufstehen, als Elke plötzlich eine Frage stellte.
>>Was meinst du Clemens, sollte unser Haus einen Erker haben?<<.
>>Schatz ich weiß noch nicht einmal, wo du bauen möchtest…<<.
>>Aber das habe ich dir doch schon einmal erzählt, bei meiner Schwester Silka auf dem Dorf<<.
>>Was denn, direkt neben dem Haus von Silka?<<
>>Quatsch!, da ist doch überhaupt gar kein Platz für ein Haus. Clemens wir bauen auf einem neuerschlossenen Grundstück am Dorfrand<<.
>>Und was soll aus Julian werden?<<.
>>Das lass mal meine Sorge sein. Außerdem kann Julian mit dem Schulbus in die nächstgelegene Stadt fahren. Das ist doch kein Problem<<.
Irgendwie war mir noch nicht richtig bewusst, was da alles auf mich zukommen würde, aber in dem Moment dachte ich nicht weiter darüber nach.
Mit einem Stirnrunzeln schaute ich mir jenen Katalog an, den Elke mir nun übergab.
Die Gartenanlage des angrenzenden Parks erstrahlte in einem faszinierenden Blütenmeer. Trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit wurde Wert daraufgelegt, die Blütenpracht so lange wie möglich zu erhalten.
Wir genossen die letzten Sonnenstrahlen des Tages, bevor wir noch einen Abstecher zu einer nahegelegenen Sternwarte auf der Gartenbauausstellung machten. Schon von weitem sah man den runden Turm der Sternwarte, der auf einer Seite fast vollständig mit Efeu zugewachsen war. Durch eine zweiflügelige Türe aus rundem Eichenholz gelangten wir schließlich in den Innenraum des Turms, von wo aus wir auf einer Wendeltreppe die Astronomen Kuppel erreichten. Julian wollte unbedingt den Mond im fokussierenden Antlitz durch das Fernrohr beobachten. Aber irgendwie machte das Objektiv immer wieder Probleme, so dass eine exakte Einstellung schwierig war.
>>Papa, weißt du eigentlich wie groß das Weltall ist?<<, fragte Julian interessiert.
Das war wieder eine dieser Fragen, worauf ich keine passende Antwort fand.
>>Das Weltall ist unendlich<<, entgegnete ich, worauf Julian mich ungläubig ansah.
Wir experimentierten noch eine Weile mit dem Fernrohr, bevor wir uns dann noch einige Auslagen über Kopernikus in den Vitrinen anschauten.
Auf dem Heimweg zeigte Julian immer wieder mit der Hand zum Mond und signalisierte so sein Interesse an der Astronomie
Die Ereignisse der vergangenen Tage überschlugen sich geradezu, als die Sanierungsmaßnahmen der Wohnungsbaugesellschaft einsetzten.
Notdürftig deckten wir alles Mobiliar in unsere Wohnung mit durchsichtigen Planen aus Cellophan ab. Der Baustaub kroch in sämtliche Poren und hinterließ einen bitteren Beigeschmack. Jetzt zweifelte ich keinen Moment mehr daran, dass die Entscheidung von Elke substantiell richtig war, Julian in die Obhut von Silka zu geben. Und überhaupt war ich der Meinung, dass man uns zumindest vorübergehend ein anderes Quartier zur Verfügung hätte stellen sollen. Die örtliche Wohnungsbaugesellschaft ließ uns so ziemlich im Unklaren, was den Ablauf und den Umfang der Sanierungsmaßnahmen betraf.
So begnügten wir uns mit einem zentralen Wasseranschluss im Hausflur, der allen Mietern im Haus zur Verfügung stand. Zeitweise wurde auch der Strom abgestellt, bis wir eines Abends völlig im Dunkeln saßen. Wir zündeten einige Kerzen an, machten es uns auf dem Sofa gemütlich und hörten mit einem batteriebetriebenen Radio die Nachrichten.
Noch am Abend überreichte mir Elke eine Einladung für ein Gespräch beim Katasteramt.
Ich las das Schreiben aufmerksam durch und war dabei völlig verblüfft.
>>Hast du bereits ein Grundstück gekauft?<<, fragte ich.
>>Was sollte ich denn machen, wenn mir Silka sagt, dass auf dem Dorf nur noch fünf Grundstücke zu haben sind. Außerdem Clemens, du hast dich ja nie dazu geäußert<<.
Jetzt war es also amtlich, dass es Elke ernst meinte mit dem Hausbau.
Elkes Ankündigungen lösten bei mir zuerst tiefe Resignation aus, aber dann dachte ich darüber nach, wie verlockend es doch sein mag, in einem Häuschen im Grünen zu wohnen.
Nach zweiundzwanzig Uhr kam endlich der Strom wieder und alle Lampen, die wir zuvor eingeschaltet hatten, leuchteten nun im hellen Schein.
Während Elke sich im Laufe des Abends mit den Unterlagen vom Katasteramt auseinandersetzte, zog ich es vor, Wasser von dem zentralen Anschluss im Treppenhaus zu holen. Zuerst kam eine rotbraune Rostbrühe aus dem Wasserhahn, die ich gleich danach in einen Ausguss schüttete, dann stellte ich erneut meinen Eimer darunter, um ihn mit frischem Wasser aufzufüllen, als plötzlich jemand aus der Nachbarschaft die Wohnungstüre öffnete.
>>Herr Wagner, der Wasseranschluss ist nur für die Handwerker im Haus bestimmt<<.
>>Entschuldigen Sie, aber wo kann man denn sonst noch Wasser holen, wenn nicht hier?<<.
>>Wissen Sie denn nicht, dass es uns lediglich gestattet ist, unten am Container Wasser zu holen<<.
>>Darüber bin ich nicht informiert<<, entgegnete ich zurückhaltend.
Ungeachtet dessen, konnte ich es mir nicht verkneifen, an jenem Anschluss im Haus Wasser zu holen. Es war mir auch völlig egal, von welchem Wasseranschluss die Wasserentnahme erlaubt war und von welchem nicht, solange wir auf den Anschluss in der Wohnung verzichten mussten. Elke war endlich froh, als ich mit dem Eimer Wasser zurückkam, hatte sie sich doch schon auf eine Erfrischung im Bad gefreut.
Nachdem Elke ins Bad ging, wagte ich einen Blick auf unseren Balkon.
Einige Pflanzen und Sträucher waren bereits verschwunden, die inzwischen ein neues zu Hause fanden. Die restlichen Pflanzen, hatte Elke bereits im Schlafzimmer am Fenster platziert, wo sie ihr Dasein fristeten. Und überhaupt war der Balkon jetzt so gut wie leergeräumt, bis auf einiges Krimskrams, das in einer Ecke stand.
Draußen vor der Balkonbrüstung stand jetzt ein Baugerüst, auf dem man tagsüber hin und wieder Bauarbeiter herumspringen sah, die an der Gestaltung der Fassade beteiligt waren.
Es dauerte nicht lange, bis Elke aus dem Bad kam und mir einen erleichterten Blick zuwarf. Ich fragte mich jedoch, ob das an dem Wasser lag, welches ich zuvor im Treppenhaus holte oder an der Tatsache, dass ein Vertragsabschluss beim Katasteramt jetzt kurz bevorstand.
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Zwei Tage später war es dann endlich soweit, als wir unseren Termin beim zuständigen Katasteramt wahrnahmen.
Ein älterer Herr von Amts wegen mit graumelierten Haaren und einem Schnauzer unterstrich im Wesentlichen die Fakten in dem Vertrag, der uns dazu ermächtigen sollte, ein Haus auf unserem Grundstück zu errichten. Die Eintragung in das Grundbuchamt besiegelte dann offiziell, dass wir jetzt stolze Besitzer jenes Grundstücks waren, welches Elke ausgesucht hatte. Vom Glück berauscht, fuhren wir mit dem Auto zu einer Besichtigung, des von Elke in Augenschein genommenen Grundeigentums. Als wir endlich jenes Grundstück auf dem Dorf erreichten, war mir von Anfang an klar, dass hier jede Menge Arbeit nötig ist. Es war nicht ersichtlich wie lange es dauern würde, bevor die ersten Veränderungen greifen.
In der Tat war es so, wie es Elke schon immer erzählt hatte, dass auf den anderen Grundstücken bereits Einfamilienhäuser standen, so dass insgesamt nur noch vier Grundstücke freiblieben. Mutigen Schrittes liefen wir auf unser neuerworbenes Grundstück zu und warteten eine Weile an der Straßenecke.
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