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Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause.
Bassanio, Porzia, Graziano, Nerissa und Gefolge treten auf.
Die Kästchen sind ausgestellt.
PORZIA.
Ich bitt' Euch, wartet; ein, zwei Tage noch,
Bevor Ihr wagt: denn wählt Ihr falsch, so büße
Ich Euren Umgang ein; darum verzieht!
Ein Etwas sagt mir (doch es ist nicht Liebe),
Ich möcht' Euch nicht verlieren; und Ihr wißt,
Es rät der Haß in diesem Sinne nicht.
Allein damit Ihr recht mich deuten möchtet,
(– Und doch, ein Mädchen spricht nur mit Gedanken, –)
Behielt' ich gern Euch ein paar Tage hier,
Eh' Ihr für mich Euch wagt. Ich könnt' Euch leiten
Zur rechten Wahl, dann brech' ich meinen Eid;
Das will ich nicht: so könnt Ihr mich verfehlen.
Doch wenn Ihr's tut, macht Ihr mich sündlich wünschen,
Ich hätt' ihn nur gebrochen. O der Augen,
Die so mich übersehn und mich geteilt!
Halb bin ich Eu'r, die andre Hälfte Euer –
Mein, wollt' ich sagen; doch wenn mein, dann Euer,
Und so ganz Euer. O die böse Zeit,
Die Eignern ihre Rechte vorenthält!
Und so, ob Euer schon, nicht Euer. – Trifft es,
So sei das Glück dafür verdammt, nicht ich.
Zu lange red' ich, doch nur, um die Zeit
Zu dehnen, in die Länge sie zu ziehn,
Die Wahl noch zu verzögern.
BASSANIO.
Laßt mich wählen:
Denn wie ich jetzt bin, leb' ich auf der Folter.
PORZIA.
Bassanio, auf der Folter? So bekennt,
Was für Verrat in Eurer Liebe steckt!
BASSANIO.
Allein der häßliche Verrat des Mißtrauns,
Der mich am Glück der Liebe zweifeln läßt.
So gut verbände Schnee und Feuer sich
Zum Leben, als Verrat und meine Liebe.
PORZIA.
Ja, doch ich sorg', Ihr redet auf der Folter,
Wo sie, gezwungen, sagen, was man will.
BASSANIO.
Verheißt mir Leben, so bekenn' ich Wahrheit.
PORZIA.
Nun wohl, bekennt und lebt!
BASSANIO.
Bekennt und liebt!
Mein ganz Bekenntnis wäre dies gewesen.
O sel'ge Folter, wenn der Folterer
Mich Antwort lehrt zu meiner Lossprechung!
Doch laßt mein Heil mich bei den Kästchen suchen!
PORZIA.
Hinzu denn! Eins darunter schließt mich ein:
Wenn Ihr mich liebt, so findet Ihr es aus.
Nerissa und ihr andern, steht beiseit! –
Laßt nun Musik ertönen, weil er wählt!
So, wenn er fehltrifft, end' er Schwanen-gleich,
Hinsterbend in Musik; daß die Vergleichung
Noch näher passe, sei mein Aug' der Strom,
Sein wäßrig Totenbett. Er kann gewinnen,
Und was ist dann Musik? Dann ist Musik
Wie Paukenklang, wenn sich ein treues Volk
Dem neugekrönten Fürsten neigt; ganz so
Wie jene süßen Tön' in erster Frühe,
Die in des Bräut'gams schlummernd Ohr sich schleichen
Und ihn zur Hochzeit laden. Jetzo geht er
Mit minder Anstand nicht, mit weit mehr Liebe
Als einst Alcides, da er den Tribut
Der Jungfrau'n löste, welchen Troja heulend
Dem Seeuntier gezahlt. Ich steh' als Opfer;
Die dort von fern sind die Dardan'schen Frau'n,
Mit rotgeweinten Augen, ausgegangen,
Der Tat Erfolg zu sehn. – Geh, Herkules!
Leb' du, so leb' ich: mit viel stärkerm Bangen
Seh' ich den Kampf, als du ihn eingegangen.
Musik, während Bassanio über die Kästchen mit sich zu Rate geht.
ERSTE STIMME.
Sagt, woher stammt Liebeslust?
Aus den Sinnen, aus der Brust?
Ist euch ihr Lebenslauf bewußt?
ZWEITE STIMME.
In den Augen erst gehegt,
Wird Liebeslust durch Schaun gepflegt;
Stirbt das Kindchen, beigelegt
In der Wiege, die es trägt,
Läutet Totenglöckchen ihm;
Ich beginne: Bim! bim! bim!
CHOR.
Bim! bim! bim!
BASSANIO.
– So ist oft äußrer Schein sich selber fremd,
Die Welt wird immerdar durch Zier berückt.
Im Recht, wo ist ein Handel so verderbt,
Der nicht, geschmückt von einer holden Stimme,
Des Bösen Schein verdeckt? Im Gottesdienst,
Wo ist ein Irrwahn, den ein ehrbar Haupt
Nicht heiligte, mit Sprüchen nicht belegte,
Und bürge die Verdammlichkeit durch Schmuck?
Kein Laster ist so blöde, das von Tugend
Im äußern Tun nicht Zeichen an sich nähme.
Wie manche Feige, die Gefahren stehn
Wie Spreu dem Winde, tragen doch am Kinn
Den Bart des Herkules und finstern Mars,
Fließt gleich in ihren Herzen Blut wie Milch?
Und diese leihn des Mutes Auswuchs nur,
Um furchtbar sich zu machen. Blickt auf Schönheit,
Ihr werdet sehn, man kauft sie nach Gewicht,
Das hier ein Wunder der Natur bewirkt
Und, die es tragen, um so lockrer macht.
So diese schlänglicht krausen goldnen Locken,
Die mit den Lüften so mutwillig hüpfen
Auf angemaßten Reiz: man kennt sie oft
Als eines zweiten Kopfes Ausstattung:
Der Schädel, der sie trug, liegt in der Gruft.
So ist denn Zier die trügerische Küste
Von einer schlimmen See, der schöne Schleier,
Der Indiens Schönen birgt; mit einem Wort
Die Scheinwahrheit, womit die schlaue Zeit
Auch Weise fängt. Darum, du gleißend Gold,
Des Midas harte Kost, dich will ich nicht;
Noch dich, gemeiner, bleicher Botenläufer
Von Mann zu Mann; doch du, du magres Blei,
Das eher droht als irgend was verheißt,
Dein schlichtes Ansehn spricht beredt mich an:
Ich wähle hier, und sei es wohlgetan!
PORZIA.
Wie jede Regung fort die Lüfte tragen,
Als irre Zweifel, ungestüm Verzagen,
Und bange Schau'r und blasse Schüchternheit!
O Liebe, mäß'ge dich in deiner Seligkeit!
Halt' ein, laß deine Freuden sanfter regnen;
Zu stark fühl' ich, du mußt mich minder segnen,
Damit ich nicht vergeh'.
BASSANIO öffnet das bleierne Kästchen.
Was find' ich hier?
Der schönen Porzia Bildnis? Welcher Halbgott
Kam so der Schöpfung nah? Regt sich dies Auge?
Wie, oder, schwebend auf der meinen Wölbung,
Scheint es bewegt? Hier sind erschloßne Lippen,
Die Nektarodem trennt: so süße Scheidung
Muß zwischen solchen süßen Freunden sein.
Der Maler spielte hier in ihrem Haar
Die Spinne, wob ein Netz, der Männer Herzen
Zu fangen, wie die Mück' im Spinngeweb'.
Doch ihre Augen – oh, wie konnt' er sehn,
Um sie zu malen? Da er eins gemalt,
Dünkt mich, es mußt' ihm seine beiden stehlen
Und ungepaart sich lassen. Doch seht, so weit
Die Wahrheit meines Lobes diesem Schatten
Zu nahe tut, da es ihn unterschätzt,
So weit läßt diesen Schatten hinter sich
Die Wahrheit selbst zurück. – Hier ist der Zettel,
Der Inbegriff und Auszug meines Glücks.
»Ihr, der nicht auf Schein gesehn:
Wählt so recht, und trefft so schön!
Weil Euch dieses Glück geschehn,
Wollet nicht nach anderm gehn!
Ist Euch dies nach Wunsch getan,
Und find't Ihr Heil auf dieser Bahn,
Müßt Ihr Eurer Liebsten nahn,
Und sprecht mit holdem Kuß sie an!«
Ein freundlich Blatt – erlaubt, mein holdes Leben,
er küßt sie
Ich komm', auf Schein zu nehmen und zu geben,
Wie, wer um einen Preis mit andern ringt
Und glaubt, daß vor dem Volk sein Tun gelingt:
Er hört den Beifall, Jubel schallt zum Himmel;
Im Geist benebelt, staunt er – »dies Getümmel
Des Preises«, fragt er sich, »gilt es denn mir?«
So, dreimal holdes Fräulein, steh' ich hier,
Noch zweifelnd, ob kein Trug mein Auge blend't,
Bis Ihr bestätigt, zeichnet, anerkennt.
PORZIA.
Ihr seht mich, Don Bassanio, wo ich stehe,
So wie ich bin: obschon, für mich allein,
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