Sie sprang kurz unter die Dusche, um den ganzen Dreck von den Tagen im stickigen Laderaum, abzuwaschen. Es tat gut, endlich wieder warmes Wasser auf der Haut zu spüren.
Man hatte ihr sogar Ersatzkleidung auf das Bett gelegt. Es brachte ein Schmunzeln über Isas Lippen, wie aufmerksam Laer doch war. Vielleicht bekam sie ja wirklich am Ende eine Uniform.
Nachdem sie sich angekleidet hatte, begab sie sich an den Computer, der am Schreibtisch stand. Sie versuchte eine ganz bestimmte Frequenz zu erreichen, um jemanden zu kontaktieren. Jemanden, der unbedingt erfahren musste, was sie heute geschafft hatte.
Isa hoffte inständig, dass die Hyperraumfunkkanäle auf dem Schiff nicht gesperrt waren. Selbst wenn ihr Ziel hunderte von Lichtjahren entfernt war – einen Versuch war es wenigstens wert.
Der Bildschirm blinkte auf, als die Verbindung hergestellt wurde. Er flackerte erst blau, dann rot und dann grün. Und schließlich erschien ein Gesicht, das Isa so unendlich froh war zu sehen. Es war ein hübsches Gesicht, wenn auch manchmal ein wenig überschminkt, wie sie fand.
»Isa, Schätzchen!«, schallte die Stimme aus den Lautsprechern. »Woher … oh lass mich raten, du bist an Bord?«
Isa nickte freudig erregt »Ja, ich hab's geschafft. Die Tage im Frachtraum haben sich ausgezahlt. Und ich bin sogar dann zu einem der Offiziere gekommen und jetzt haben sie mir ein Quartier gegeben! Ich will dir so viel erzählen«
»Das ist ja großartig! Und? Wie ist es so bei den Silberengeln? Ich wunder mich, dass sie dich nicht direkt von Bord geworfen haben«, die Frau auf dem Bildschirm kicherte.
»Es ist toll hier«, meinte Isa »Das Schiff ist riesig. Keine Ahnung, wie viele Decks die haben, aber jedenfalls mehr als ich bis jetzt zählen konnte. Ich will dir unbedingt noch mehr erzählen, Wika, aber ich weiß nicht, wie lange die Verbindung noch hält«
»Ja, ich weiß. Interferenzen und so. Meine Güte, es gibt im Raum der Duyari so unglaublich viele schöne Nebel. Aber ist ja auch egal.«, sagte Wika. »Dem Wardiari habe ich schon so viel mitzuteilen. Mein Chefredakteur wird Augen machen bei all den Informationen, die ich schon gesammelt habe. Vigolos Aghillion hier, ein Bild von einem Stiarvalorer. Unglaublich. Er spricht so offen, meine Güte über so viele Dinge. Aber ein Tipp von mir – mach die Interviews am besten an den Abenden nach den Schlachten. Dann sind alle froh und trinken viel, das kann helfen«
Isa nickte und lächelte. Ja, so kannte sie ihre alte Freundin. Sie fand immer einen Weg, das beste aus einer Situation rauszuholen. Obwohl sie beide eigentlich für konkurrierende Zeitungen arbeiteten, tauschten sie doch immer wieder gerne Informationen aus. Dies war sozusagen ihr kleines Geheimnis.
»Warst du schon in einer Schlacht?«, fragte sie.
Wika presste die blutroten Lippen zusammen »Aaah, nein, nicht wirklich. Bis jetzt haben mich die Offiziere noch nicht mitgehen lassen. Sie meinten, es sei zu gefährlich. Ich muss hier immer auf dem Schiff ausharren und darf die ganzen hübschen Planeten nur aus den Fenstern anschauen. Kannst du dir das vorstellen? Was es für glorreiche Bilder da unten geben könnte. Das wollte ich Aghillion auch schon sagen … aber er wollte nie, dass ich mitkomme«, jammerte Wika in ihrem typisch theatralischen Ton.
»Ich glaube, sie wollen einfach nicht, dass wir sterben«, meinte Isa schmunzelnd.
»Aber einmal!«, begann Wika wieder und kniff die mandelförmigen Augen zusammen »Da wurden wir von einem Geschwader an Duyarikreuzern angegriffen. Ich hab Bilder und Videos gemacht. Unsere Flotte hat zwei Schiffe verloren. Die Rimos hat nur leichte Schäden abbekommen, aber das war ein Schreck, das sag ich dir«
»Glaube ich. Und dann bist du dir ganz sicher, dass du mit auf einen Planeten da willst?«, fragte Isa.
»Aber sicher doch, Schätzchen! Ich bin Reporterin, dafür bin ich hier!«
»Also Lechent Laer nannte mich Kriegsberichtserstatterin«
Wika winkte abweisend mit der Hand »Ach, pah, dieses Wort beschreibt nicht im Ansatz, was wir hier tun. Wir dokumentieren. Das ist etwas ganz anderes. Und ich kann mir ehrlich gesagt nichts spannenderes vorstellen.«
»Wenigstens bist du offiziell dabei«
»Ach, wenn dich dieser Laer mag, dann bist du auch offiziell dabei. Du kannst mir nicht erzählen, die Silberengel ständen nicht auch gerne im Rampenlicht. Jede Legion tut das. Ganz besonders Aghillion, ja ja. Er macht schon Scherze darüber, dass er jetzt wohl bald alleine die Prominenz im Sternenreich stellt. So ein Strolch.«
»Hast du was mit ihm, oder was?« Isa zog belustigt eine Augenbraue hoch.
»Na, wir sind uns schon ein paar Mal etwas näher gekommen … also ziemlich nah. Aber egal, das ist ja auch egal. Wichtig ist nur, wie unglaublich spannend diese Reise ist.«
»Kennst du den Unterschied zwischen einer Reise und einem Feldzug immer noch nicht? Es ist Krieg, Wika«
»Ach komm, Schätzchen, sieh das ganze doch nicht so eng. Es ist ein Abenteuer. Darauf haben wir uns doch beide so gefreut«
Isa musste zugeben, dass sie damit recht hatte. Trotzdem gefiel es ihr nicht, dass Wika das alles so auf die leichte Schulter nahm.
Das Bild begann wieder zu flackern.
»Hören wir uns morgen wieder?«, fragte Isa.
»Ähm … nein … es geht gleich auf eine Mission, auf die ich mitkommen soll. Nichts großes. Aber es wird bestimmt ein großartiger Bericht.«, knisterte Wikas Stimme nur noch dumpf durch die Lautsprecher.
»Jetzt also doch?«, wollte Isa noch fragen, doch die Verbindung war bereits unterbrochen.
Der Bildschirm vor Wika verstummte und die Hyperraumverbindung wurde abgeschnitten. Sie seufzte und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Wenigstens hatte Isa jetzt ihren Platz bei den Silberengeln bekommen. Es war aber auch wirklich eine einfallsreiche Idee gewesen, sich bei Melnor einfach an Bord über den Frachtraum zu schmuggeln. Wika musste immer wieder breit grinsen, wenn sie daran dachte.
Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Dort im weißen Meer der Sterne hing etwas, das nur wie ein grün – brauner Haufen Matsch von hier aus wirkte. Nachod war wirklich kein Juwel zum Anschauen. Doch dort würde der nächste Angriff der Tweilithar Legion erfolgen. Besonders viel hatte ihr Aghillion darüber noch nicht mitgeteilt. Nur, dass sie auf diesem Planeten kaum auf nennenswerte Kräfte der Duyari stoßen würden. Viel mehr sollte es ein Routineeinsatz, Sicherung der Welt und Erkundungseinsatz werden. Deshalb hatte Aghillion auch nach einer halben Stunde des Jammerns und Bettelns ihrerseits eingewilligt, sie ausnahmsweise als Dokumentatorin auf diese Mission mitzunehmen. Ihr Geschwader hatte schon gestern das gesamte System nach feindlichen Schiffen abgesucht. Nur ein paar Korvetten waren ihren Schlachtkreuzern vor die Geschütze gekommen und waren nun nicht mehr als ein weites Trümmerfeld, das irgendwo im Weltraum herumflog.
Die Flotte der Tweiliathar Laghion hatte sich vor drei Tagen kurz vor Katalu Bna aufgeteilt. General Marghos und Lord Arthian, neuer Heerführer des Feldzuges, begann nun den Hauptteil der Legion Richtung Tuma Yadu zu führen. So wie Wika es mitbekommen hatte, würde ihr Teil der Legion dazustoßen, sobald Nachod erobert war.
Tuma Yadu, die Hauptwelt des Duyari Imperiums. Ihr wurde heiß am ganzen Leib dabei, wenn sie nur daran dachte, dass sie diesen bedeutenden Planeten bald angreifen würden. Es war eine brodelnde Freude, die in ihr aufstieg. Fast schon konnte sie ihr erotische Züge zusprechen. Es wäre so ein großartiger Sieg. Ein glorreicher Tag. Beinahe so glorreich wie jener Tag auf Melnor, als Kaiser Luminor Arthian zum Feldherren ernannte. Die ganzen Fahnen, die Trompeten, die Orchester, die marschierenden Soldaten und die krachenden Salutschüsse. Wika dachte mit Freude daran zurück. Sie hatten so viel gefeiert an diesem Abend. Es war auch der Abend gewesen, an dem sie Aghillion zum ersten Mal begegnete und ihn mit ihren Reizen dazu überreden konnte, sie als seine persönliche Dokumentatorin anzunehmen. Und bei den Göttern, sie würde ihrem Chefredakteur vom Wardiari so viele Interviews, Bilder und Filmausschnitte zukommen lassen, dass er darin ertrank. Vielleicht würde sie es sogar sein, die es schaffte als erste den ruhmreichen Sieg des Feldzuges zu dokumentieren.
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