AnmerkungFunkt‘ s du etwa schon wieder dazwischen?
GeisterhandVor dem Gully.
AnmerkungIch gib‘ s auf.
Sehr verehrtes Publikum, ich denke, dass Sie jetzt schon verfolgt haben, was sich hier die im Moment noch abspielt. Auch darum würde ich sagen, bevor wir weiter herum machen: Vorhang auf, Bühne frei!
GeisterhandMüsste es nicht eigentlich „Gully auf, Bank frei“ heißen?
AnmerkungÄhem!
GeisterhandAch, was für ein Pläsir!
AnmerkungAlso, verehrtes Publikum, Bank auf, Gully frei! Für die Geisterhand. Wozu ich Ihnen viel Vergnügen wünsche!
GeisterhandVerzückt ich bin.
AnmerkungNanu!
GeisterhandNix nanu!
AnmerkungIch meine, wo du doch sonst immer mit deinem Pläsir angelatscht kommst.
GeisterhandStimmt eigentlich.
AnmerkungOh je!
A2: Von Anmerkung und Geisterhand
GeisterhandSo, werte Besucherin.
AnmerkungBeziehungsweise Besucher, nicht wahr?
GeisterhandFunk du jetzt bitte aber auch nicht dauernd dazwischen.
AnmerkungÄhem!
GeisterhandAlso, weiter im Text, der da lautet: herzlich Willkommen und ein freundliches Hallo auch von mir hier aus der Bank, in welcher ich mich augenblicklich befinde.
Ich selbst bin die freundliche Geisterhand, alles andere wie unnahbar und durchaus galant. Und der heutige Begleiter der heutigen Geschichte.
Warum ich Sie aus der Bank begrüße, hat im Übrigen gleich mehrere Gründe. Zum einen, weil unsere Geschichte unmittelbar davor begann. Beziehungsweise ihren Lauf nahm. Davor bedeutet am Gully, aber ich denke, dass wir dies jetzt schon hatten- Bank oder Bühne hin, Vorhang oder Absperrung her!
Zum anderen man mich für unsere Geschichte auserkoren hat- Pläsir hin, Pläsir her.
Obwohl das Erzählen nicht unbedingt zu meinen Metiers zählt! Nein, etwas, was zweifelsohne behauptet werden kann.
Dass man dennoch auf mich zurückgegriffen, hat auch damit zu tun, dass unser eigentlicher Erzähler abhandengekommen ist. Ich spreche natürlich von der Grille Helm Hops, die im nahegelegenen Stadtwald wohnt.
Ja, ja, der gute alte Helm Hops, der weitaus Erfahrenste in unserer Gegend. was das Vortragen und Wiedergeben von Geschichten betrifft. Also demnach kaum einer besser prädestiniert. Warum er allerdings für unsere heutige Geschichte nicht zum Zuge kommt, hat was damit zu tun- na ja, wie soll ich sagen? Ich möchte nämlich natürlich nicht zu viel vorwegnehmen auf der anderen Seite.
AnmerkungSag‘ s doch einfach. Frei raus.
GeisterhandAls ob ich nicht schon dabei wäre.
AnmerkungAuf der anderen Seite.
GeisterhandWie?
AnmerkungAch, nichts.
GeisterhandAlso, es könnte, beziehungsweise es hat was damit zu tun, dass Helm Hops heute selbst mitwirkt.
AnmerkungDu meinst in unserer Geschichte mitwirkt.
GeisterhandJa, beziehungsweise auftaucht.
AnmerkungWohl nicht in einer ganz bestimmten Funktion- oder vielleicht etwa doch?
GeisterhandBeziehungsweise Rolle. Aber ob wir dabei nicht jetzt wirklich zu weit gehen würden? Was das Vorwegnehmen angeht?
AnmerkungWas spricht denn dagegen, wenn wir dies jetzt auch schon verraten?
GeisterhandNicht, dass unsere Geschichte an Dramaturgie einbüßt.
AnmerkungAls was soll Helm Hops außerdem schon auftreten?
GeisterhandWenn du mich so fragst: keine Ahnung.
AnmerkungOh je, dann denk mal nach!
GeisterhandIch fürchte, ich steh gerade auf‘ m Schlauch.
AnmerkungAls Geschichtenerzähler natürlich!
GeisterhandAber ja doch! Natürlich!
AnmerkungOh je!
GeisterhandDass ich nicht selbst draufgekommen bin!
AnmerkungWie denn? Wo du doch auf einem Schlauch verweilst.
GeisterhandWas für ein Pläsir! Ein Geschichteerzähler in unserer Geschichte.
AnmerkungMach lieber weiter!
GeisterhandJetzt, wo du‘ s gesagt hast.
AnmerkungOh je!
GeisterhandIch glaub, jetzt fällt‘ s mir auch wieder ein.
AnmerkungAlso, wenn das so weiter geht.
GeisterhandMich ab jetzt einfach nur machen lassen. Dann wird das schon.
AnmerkungOh je!
GeisterhandJa, werter Besucher.
AnmerkungBesucherin nicht zu vergessen. Nicht wahr?
GeisterhandAlso nachdem jetzt schon geklärt ist, dass wir im Laufe unserer gemeinsamen Zeit auf Helm Hops treffen werden, wollen wir wieder zurück auf unsere ursprüngliche Geschichte kommen. Die, aber ich denke, dies ist jetzt mehrfach erwähnt worden, am Gully vor unserer Bank losgeht. Beziehungsweise in den Startlöchern steht.
Wichtig vielleicht noch zu sagen in diesem Zusammenhang, dass unsere Bank eigentlich nur eine Filiale ist, die sich an einer Vorstadt - Hauptstraße befindet.
Gegenüber von uns der Imbiss von Kalle Mitzwitz, und daneben der Antiquitätenladen vom alten Abraham. Beides gleichsam lang eingesessene Institutionen hier bei uns in der Vorstadt. Und auf Beides werden wir wohl noch zurückkommen im Laufe unserer Geschichte.
Und ich glaube, so langsam freue ich mich doch darauf, so wenig das Geschichteerzählen mir wie ein Pläsir erscheint. Aber was heißt dies schon?
Neben Abrahams Laden dann im Übrigen noch ein langgezogener Maschendrahtzaun, hinter welchem sich ein Schulhof befindet.
Jedoch auch wir auf unserer Seite nicht gänzlich allein; an unserer beschaulichen Bankfiliale grenzt die kleine beschauliche Pension der pensionierten Pensionswirtin Federica Fiel. Und auch hier könnten im Laufe unserer Geschichte Bewegungen stattfinden; ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen.
Zwischen Pension und meiner Bank beziehungsweise Imbiss und Antiquitäten ist die Fahrbahn unserer Hauptstraße zweispurig; für jede Richtung eine. Der Verkehr hier nicht allzu stark, so dass die Straße an dieser Stelle spielendleicht überquert werden kann. Auch ist sie breit genug, wenn, ja, wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre. Und ob es sich in diesem Falle wirklich um ein Pläsir handelt? Na also, weiß nicht, ehrlich gesagt.
Tja, und dieses „wenn“ ist der geöffnete Gully mitten auf der Straße; umzingelt von rot-weißen Absperrbändern, so dass die Fahrspuren, in beiden Richtungen wohlgemerkt, eingeengt sind. Gerade größere Vehikel wie Lastwagen oder Linienbusse sind genötigt, an dieser Stelle abzubremsen. Vorsichtig umkurvt, wobei sie nicht selten die Bordsteinkante mitbenutzen müssen, um wenigstens halbwegs vorbeizukommen.
Zu alldem scheint es sich hierbei um eine Art Dauerbaustelle zu handeln; denn wie lange sie existiert, das weiß keiner von uns. Oder gar wie lange noch, nein, dies auch nicht gerade; nicht einmal derjenige, der sich stets innerhalb der Absperrung befindet; von morgens bis abends wohlgemerkt.
Dies ist freilich kein Geringerer wie der Kanalarbeiter Gunnar Günsch. Wer nun annimmt, er würde den ganzen Tag hinauf- und runterklettern, um seinen Job zu tun, könnte sich leicht getäuscht werden, leichter, wie man vielleicht annehmen könnte.
In Wirklichkeit sitzt Gunnar auf einem Klappstuhl, der an dem eines Theater- oder Filmregisseurs erinnert, unmittelbar neben dem offenen Kanal, und zwar von morgens bis abends. In der Regel bewaffnet, um auch mal solch einen Ausdruck zu verwenden, mit einer großen Flasche Orangenlimo beziehungsweise Salamistulle, wahlweise auch mal mit Kochschinken belegt, von morgens bis abends. Eindrücke, dass er jemals auch nur einen Handstrich im Kanal vollzogen hätte, kann man eigentlich so gut wie gar nicht wahrnehmen, von morgens bis abends. Und ebenfalls von morgens bis abends zieht er gehörigen Unmut auf sich, sowohl von den Vorbeifahrenden wie auch von Passanten und Anliegern; im besonderen Maße von Kalle Mitzwitz, dem Betreiber der Imbissbude; doch, doch, ganz zweifelsohne dem so ist.
Читать дальше