"Die Fuggerbrüder der Jakobszeit waren Bürgersöhne von bürgerlichen Eltern, bürgerliche Männer von hochgeachteten Bürgermädchen gewesen. Über das knappe Intervall patrizischer Heiraten war im Gefolge einer Erhebung in adelige Ränge des Reiches die Verwandlung der Gattenwahl erfolgt. Schwiegersöhne und Stammütter des Fuggerschen Geschlechts wurden fortan nahezu ausnahmslos aus Familien des süddeutschen und österreichischen mittleren und hohen Adels erkoren".
Der Genealoge Friedrich W. Euler nannte diesen Aufstieg "ständegeschichtlich" herausragend. Eine solche Entwicklung bleibt als außerordentliche Erscheinung auf das Haus Fugger beschränkt.
Von den Nachkommen des Ehepaares Anna Rehlinger-Anton Fugger tendierten ein Sohn und eine Tochter völlig zum hohen Reichsadel. Graf Marx Fugger verehelichte sich mit Reichsgräfin Sibylla von Eberstein, und Katharina Fugger wurde mit Jakob Graf von Montfort "zu Pregniecz (=Bregenz) genannt" verheiratet, also von der Linie, die nach Steiermark übersiedelt war, der Beckacher Linie.
Der jüngste Sohn Jakob ging die Ehe mit einer Dame des ältesten Augsburger Patriziergeschlechts, nämlich mit Anna Ilsung von Tratzberg, ein. Mit dieser Heirat endete das "Connubium des Hauses Fugger von der Lilie mit dem Augsburger Patriziat". Der Sohn der Katharina Thurzo und des Raymund Fugger, Johann Fugger, nahm Ursula Harrach zur Frau, deren Familie dem böhmischen Adel angehörte, allerdings erst 1527 in den Freiherrenstand aufgestiegen war; seine Geschwister gingen Ehen ein mit den freiherrlichen Geschlechtern Mörsberg, Kuenring, Puchheim, Spaur-Welschmetz, Lichtenstein-Karneid, Völs und den zum Reichsadel zählenden Grafen zu Ortenburg.
Die sozialen Verflechtungen mit dem Adel Tirols überwiegen bei weitem. Im Jahr 1613 wurden die Fugger in die Tiroler Adelsmatrikel aufgenommen.
Fuggerschloss Kirchheim/Schwaben
Das Schloss der Fugger in Kirchheim. Von dort ist die Aussicht auf die weite Ebene
von Flossach und Mindel beeindruckend. Der Ort Kirchheim liegt auf dem Rücken eines langgestreckten Höhenzuges, das Schloss selbst mit seinem weithin sichtbaren
Kirchturm die höchste Erhebung dort. In Vorzeiten stand hier einmal eine Burg.
Als dieses Anwesen derer von Hirnheim zur Last geworden war, verkauften sie für 100.000 Gulden Burg und Dorf Kirchheim mit den anno 1490 von König Maximilian verliehenen Marktrechten, Wappen und Blutbann an den Großkaufmann Anton Fugger (1493 - 1560).
1551 kauft also Anton Fugger, der Neffe und Nachfolger von Jakob Fugger dem Reichen (1449–1525) für 137.000 Gulden (ein Gulden war damals ungefähr der Wochenlohn einer Person) die Herrschaft Kirchheim in Schwaben von der Familie von Hürnheim.
Nach dem Tode von Anton Fugger im Jahr 1560 wird Kirchheim vorübergehend von dessen drei Söhnen gemeinsam verwaltet. Um möglichen Streit zu begrenzen, geht die Herrschaft mittels „Losziehung“ an Hans Fugger (1533–1598) über.
Erst zwanzig Jahre später begann Fugger-Sohn Hans mit dem Umbau der alten Burg; es entstanden das Schloss Kirchheim mit der Kirche, Nebengebäude und auch der Marktplatz (1578 - 1587). In seinem Testament bestimmte Hans Fugger dieses Kirchheim zum Familienstammsitz.
In den Jahren 1578–1582 wird Schloss Kirchheim durch den Augsburger Stadtbaumeister Jakob Eschay erbaut. Da die vier um einen quadratischen Innenhof gebauten Flügel verblüffend dem Escorial bei Madrid gleichen, nennt man es bis heute auch den schwäbische Escorial. Die Schloss- und Pfarrkirche wurde 1580–1583 ebenfalls durch Jakob Eschay errichtet. Beim Bau des Schlosses arbeiteten einige bekannte Künstler wie z. B. Carlo Pallago, Hubert Gerhard und Wendel Dietrich Im Jahre 1585 wird der berühmte Zedernsaal eingerichtet. Es wird des Kamin aufgebaut, sowie durch Wendel Dietrich die Decke und die großen Portale eingebaut.
Die nächste große bauliche Veränderung fand im Jahre 1852 statt. Durch den Abbruch des Nordflügel und des nördlicher Westflügel änderte sich das Erscheinungsbilddes Schlosses erheblich.
1878 fällt Kirchheim an die gräfliche Linie Fugger von Glött und wird 1886 deren Stammsitz.
Das Schloss wird auch heute noch durch die Familie Fugger bewohnt, und ist daher für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Lediglich der Zedernsaal kann besichtigt werden.
Die Erben wurden verpflichtet, das Schloss „auf ewig“ in Besitz zu halten. Was übrigens auch Kaiser Karl V. verfügt hatte; der Fugger’sche Besitz habe als „Fideikommiss“ zu gelten - also nur eine als Ganzes vererbliche Vermögensmasse, deren Besitzer nur über ihren Ertrag verfügen können.
Hans Fugger, investierte Ende des 16. Jahrhunderts spanisches Vermögen in Schwaben
Das Fuggerschloss heute
Ab 1806 wurde dem Adel die Reichsunmittelbarkeit entzogen, die alten Rechte gingen auf das Königreich Bayern über. Aus wirtschaftlicher Not wurde das Schloss in Teilen verkauft oder abgerissen: durch diese massiven Eingriffe verlor das „schwäbische Escorial“ seine bauliche Geschlossenheit.
Kassettendecke des berühmten Zedernsaals
Erst die Linie Fugger von Glött, die das Schloss 1878 übernahm, begann wieder mit Restaurierungsarbeiten. Graf Carl Ernst Fugger, 1813 in den Fürstenstand erhoben, wollte das Schloss in seinen ursprünglichen Zustand versetzen und zum Familien-Stammsitz machen. Gleich nach dem ersten Weltkrieg wurden umfangreiche Arbeiten ausgeführt, 1921 wurde damit begonnen, den berühmten Cedernsaal, einen der bedeutendsten Renaissanceräume nördlich der Alpen, wiederherzustellen. Erst sein Sohn, Ernst Fürst Fugger zu Glött (1895-1981) konnte 1971 dieses Werk vollenden.
Seine Gattin Angela Fürstin Fugger zu Glött führte nach seinem Tod seine Aufgabe fort. Seit 1983 restauriert sie das Schloss von innen und außen. Doch damit war die Arbeit keinesfalls beendet. Am stattlichen Schloss mit den Grundmaßen von 75 x 75 Metern geht die Arbeit niemals aus: Es gibt immer etwas zu reparieren oder zu restaurieren.
Der weithin sichtbare, 58 Meter hohe Turm der Schlosskirche St. Peter und Paul
Hochgrab des Hans Fugger (1531-1598), Erbauer des Schlosses Kirchheim
Kernstück ist die einzigartige Kassettendecke im 360 m² großen Zedernsaal. Wahrscheinlich stammt das Zedernholz aus dem Libanon und bildet den dunklen Fond der Decke. Darüber hinaus sind über zehn weitere Hölzer (u. a. Linde, Eiche, Eibe, Esche, Ahorn, Zwetschge, Nuss und Zirbelkiefer) erkennbar.
Der Zedernsaal stammt von Wendel Dietrich dem bedeutendsten „Kistlermeister“ desspäten 16. Jahrhunderts. Viele tausend Figuren und Ornamente sind geschnitzt. Die Tiefe der einzelnen Reliefkassetten beträgt ca. 1,80 m. Die Holzdecke gilt als schönstes, deutsches Schnitzwerk der Renaissance und zeichnet sich durch die unübertroffene Akustik aus. Vom Augsburger Kunstschmied Michael Mezger wird die Decke durch ein geniales Hängewerk mit 400 Bauhaken am Dachstuhl befestigt.
Schloss Kirchheim, Mitte des 17. Jahrhunderts
Sie gliedert sich in drei große, quadratische und vertiefte Kassettenfelder. Reiche Rollwerkornamentik umfasst die Kassetten, mit Satyrmasken, Rosetten, geometrischen Formen, Blumendekor, Fruchtgirlanden und den Fuggerlilien (das Wappen der Familie).
1582 begann die Innenausstattung mit den aus Ton geformten und anschließend gebrannten Terrakottafiguren. Carlo Pallago und Hubert Gerhard fertigten die zwölf überlebensgroßen Skulpturen, für die beide Künstler zusammen 1000 Gulden Honorar erhielten. Im gleichen Jahr wurde auch die von Wendel Dietrich gefertigte Holzdecke sowie die Portale eingebaut. Als letztes gelangte 1587 der Kamin mit den von Hubert Gerhard geschaffenen Skulpturen hinzu. Die sechs männlichen Figuren vom Treppenaufgang aus sind wahrscheinlich: Kyros II., der Große, Alexander der Große, Caesar, Augustus, Karl der Große, Karl V. Die sechs weiblichen Terrakottafiguren sind vermutlich: Judith, Lucretia, Kaiserin Flavia Iulia Helena Augusta, Kaiserin Adelheid von Burgund, Elisabeth von Thüringen und Isabella von Portugal.
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