Der smarte Junggeselle ging allerdings einen Schritt zu weit und konnte dabei seine Hände nicht mehr richtig kontrollieren, weshalb er um ein Haar die Nacht in der Zelle verbracht hätte. Die Mädels hatten ihn, zum Entsetzten der anwesenden Gäste, so schnell aufs Kreuz gelegt, dass er vor Schreck fast zu heulen begann.
Professionell konnten die Beamtinnen dann die Situation retten, verbannten die Feiernden in Richtung eines Lokals und verabschiedeten sich nach der kurzen Belehrung höflich. Natürlich wünschten sie dem Bräutigam alles Gute für das weitere Leben und empfahlen, beim Alkohol vielleicht zukünftig etwas kürzer zu treten.
An diesem Abend kamen sich die beiden Damen dann auch das erste Mal etwas näher. Es schien von Anfang an ein eher gespanntes Verhältnis zu werden, da Katrin wohl gewohnt war, mit vorgesetzten Männern zu arbeiten. Dass diese wiederum schnell, sicherlich auch etwas Karriere fördernd, ihrem Charme verfielen, war kein Wunder. Dass man ihr aber Pam Anderson, das hatte die Chefin jedenfalls im Vorbeigehen am Aufenthaltsraum erhascht, vor die Nase setzte, gipfelte schon an Frechheit.
Samantha gewichtete diese hinterhältige Beleidigung nicht übermäßig, da sie zu der Zeit ganz andere Sorgen hatte. Die Versetzung nach Neustadt schmerzte nachhaltig und markierte gleichzeitig den größten Rückschritt in ihrer Laufbahn. Vor allem deshalb, weil sie von nun an davon ausgehen musste, hier die letzte Karrieresprosse erklommen zu haben. Ihr ehemaliger Vorgesetzter hielt einen Trumpf im Ärmel, welcher, gemischt mit seinen verletzten Gefühlen, zu jeder Zeit ausgespielt werden konnte. Da dieser mit seinen 53 Jahren auch nur eine Stufe über ihr stand, würde er alles daransetzen, so ähnlich war seine Aussage, sie unter sich zu halten.
Allerdings kehrte nun langsam ihr alter Lebensmut zurück. Die erste Phase wurde dabei durch Katrin eingeleitet, welche doch noch zu einer echten Freundin heranwuchs. Die zweite Stufe zu neuem Lebensmut wurde gestern Abend in der Seebach-Disco erklommen. Ein schwuler Freund flüsterte ihr Mut zu, das Leben wieder in Angriff zu nehmen und das eigene Ego ein paar Umdrehungen hochzuschrauben. Als sie heute Morgen aufwachte, war ihr plötzlich klar, dass ein paar Veränderungen für die Zukunft nötig waren.
„Willst du etwa im Wagen warten?“ Vor lauter Träumerei hatte sie die Fahrt verpasst und musste zum Aussteigen aufgefordert werden.
Die Seebachklause lag zwischen Titisee und Neustadt in einem kleinen Waldstück. So störte sich nachts niemand am Lärm, doch bot sich im Gegenzug auch eine gute Gelegenheit, hier ungestört einzubrechen.
Da stand er plötzlich vor ihr. „Lui!“ stellte sich der Türsteher vor: „Aber kennen wir uns nicht?“ Längeres braunes Haar und gefühlte zwei Meter groß, streckte er ihr die Hand entgegen. Hatte sie doch gestern erst noch mit Daniel über diesen Typen gealbert und dabei den Körperbau hervorgehoben, präsentierte sich Lui gerade locker gekleidet in einem Rippenshirt. „Ja, ich bin ab und zu hier Gast.“
Grinsend quittierte er ihre Aussage: „Schon klar. Du bist mir bereits beim ersten Besuch aufgefallen. Solche Schnitten gehen bei uns nicht täglich ein und aus. Allerdings hätte ich dich nicht wirklich bei den Bullen vermutet.“
Katrin erkannte, dass Samantha etwas überfahren wurde und übernahm deshalb die Initiative: „Da wir nun schon mal beim Du angekommen sind, könnten wir vielleicht zum Ort des Geschehens wechseln.“
Ohne die Störerin des Geplänkels zu beachten, schritt Lui um das Haus. „Hier auf der Rückseite des kleinen Bistros haben sie die Scheibe eingeschlagen.“
Die junge Kollegin versuchte dann doch etwas heftiger die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
„Fehlt was, oder sprechen wir hier nur über Sachbeschädigung?“ Da nahm der Türsteher endlich Notiz von ihr.
„Vielleicht solltest du hier die Spuren sichern, während ich mit deiner Kollegin den Fehlbestand überprüfe.“
Damit trat er der Beamtin allerdings heftig auf den Schlips.
„Wäre es möglich, dass wir das weitere Vorgehen selbst gestalten? Ich kenne ja nicht deine kriminelle Vorgeschichte. Selbst dann wird deine Erfahrung, egal, wie dunkel sie auch sein mag, kaum ausreichen, um die Ermittlungen hier zu leiten.“
Samantha nickte ihr zu: „Schon Okay“ und lief, den riesigen Bären hinter sich herziehend, zum Vordereingang hinein. Ortskundig ging sie direkt auf das Bistro zu.
„Du wirst doch sicher schon den Schaden erfasst haben. Oder?“ Er nickte und streckte ihr dabei einen Zettel entgegen. Da kam ihr sein Gesicht plötzlich ziemlich nah.
„Sorry. Aber ich wollte nur mal riechen, ob du heute das gleiche Parfüm wie gestern an dir hast.“ Ihre Augen bohrten sich jetzt etwas gefährlich in seine.
Was für Schmalspursprüche, dachte sie und überlegte, ob er nicht wirklich mehr draufhatte?
„Und? Ist es der gleiche Duft?“ Er wich einen Schritt zurück.
„Nein! Es fehlt heute die Süße. Ich denke, das gestern war eher von Lacoste?“
Jetzt war sie beeindruckt und hätte sich dabei fast noch an ihrem Kaugummi verschluckt. Bei der Dunkelheit konnte ihr Erröten zum Glück nicht auffallen. Sie richtete den Blick wieder starr auf den Zettel und versuchte danach belanglos zu klingen: „Wird hier öfter eingebrochen?“
„Das ist das dritte Mal in diesem Jahr. Ich hoffe allerdings, dass die Einbrecher ihre Schlagzahl etwas erhöhen, davon ausgehend, dass du zukünftig für unsere Sicherheit verantwortlich bist?“
Wie nah diese Aussage bei der Realität lag, konnten beide zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Er grinste sie wieder frech an und fuhr ihr dabei auch noch mit der Hand über die Wange. Eigentlich hätte sie ihn jetzt ernsthaft in die Schranke weisen sollen. Doch ihre innere Stimme signalisierte ihr, das Spiel noch ein bisschen laufen zu lassen. Er hatte sie mit seiner Art und der billigen Parfümnummer stärker irritiert, als sie es gerade wahrhaben wollte.
„Um wie viel Uhr sind die letzten Gäste gegangen und wann wurde hier dicht gemacht?“
„Claudio und ich haben um kurz nach fünf abgeschlossen.“
„Ist euch dabei noch etwas aufgefallen? Stand vielleicht noch irgendwo ein Auto herum?“
Er lachte und brachte dabei nur verzögert seine Antwort raus.
„Am Auffälligsten ist dieser weiße tiefer gelegte Audi S3, welcher immer noch vorne an der Ecke steht.“
´Scheiße. Mein Auto steht ja noch hier´, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf, die Provokation in der Aussage hatte sie natürlich herausgehört. „Woher weißt du, wem dieser Wagen gehört?“
„Ich habe nicht behauptet……..,“ es wurde ihr zu blöd, weshalb sie ihm ins Wort fiel: „Hör mit diesem Spiel auf. Oder willst du ernsthaft……..,“
Während sie den Satz im Raum stehen ließ, lehnte er sich mit ausgestrecktem Arm an die Wand, so dass sie nicht mehr an ihm vorbeikommen konnte. Lui drückte mächtig aufs Gas und versuchte sich tatsächlich ihrem Gesicht zu nähern. Er befeuchtete seine Lippen unmissverständlich mit seiner Zunge und kam ganz dicht ran.
Ihr Knie zuckte plötzlich etwas ungeschickt und landete dadurch zwischen seinen Beinen. Es wirkte wie ein Stolpern, weshalb man ihr kaum eine Absicht unterstellen konnte. Er zuckte jedenfalls erschrocken zurück.
„Sorry, keine Absicht. Bin einfach noch etwas wackelig auf den Beinen.“
Da er sich eine halbe Minute nicht von dieser peinlichen Situation erholte, verbuchte sie diesen Punktesieg eindeutig für sich. Zielstrebig trat Sam vor die Türe, wo Katrin bereits mit einem Notizblock die Kennzeichen der Nachtparker aufnahm und meinte:
„Der weiße Audi ist unser Hauptverdächtiger.“ Die Kollegin blickte von ihrem Block auf und nickte: „Das habe ich mir schon gedacht. Man hört in der Stadt, dass der Wagen einem Männerverschlingenden Ungeheuer gehören soll.“ Jetzt mussten beide grinsen, während der verdutzte Türsteher etwas kleinlaut hinter ihnen auftauchte.
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