Der Weg in die Vergangenheit
Wolf Awert
Band 7 der Drachenblut-Reihe
©Wolf Awert 2021
Machandel Verlag Haselünne Charlotte Erpenbeck
Cover: Detlef Klewer
1. Auflage 2021
ISBN 978-3-95959-186-7
Der drohende Weltuntergang ist für Tama vorerst nur eine unbestimmte Gefahr. Sie hat dringendere Aufgaben zu erfüllen, als sich um etwas zu kümmern, was irgendwann in der Zukunft geschehen könnte.
Ihren universellen Magieverstärker hat sie gefunden. Aber ihr Körper verträgt ihn nicht und sie droht zu sterben, wenn es ihr nicht gelingt, die Drachenmagie vorübergehend zum Schweigen zu bringen.
Die Drachenmutter Kriecher hat vor, Altvater Godwin zu töten, an dessen Unsterblichkeit sie nicht glaubt. Doch für Tama ist der Plan der Unaussprechlichen, die Welt zu retten, nur ein Albtraum.
Wie aber soll sie einen besseren Plan entwickeln, wenn sie weder Zukunft noch Vergangenheit kennt? Die Zukunft liegt im Dunkel und über die Vergangenheit herrscht tiefes Schweigen. Wenn sich nichts Grundsätzliches ändert, ist die Welt – und mit ihr Tama – verloren.
Personae dramatis
GODWIN, Altvater aller Drachen
KRIECHER: Drache mit einem gelähmten Flügel
TAMALONE, genannt Tama, ein Dreiviertelmensch mit einigen rätselhaften Fähigkeiten
PANDO, ein Gestaltwandler in Tierform und Freund Tamas
DORMAN, Pando in Menschengestalt
CHAMSIANA, Pando in Elfengestalt
ZSARDYNE, Pandos schwarze Schwester
DIE UNAUSSPRECHLICHE, Eine rätselhafte Frau unklarer Rasse. In Centrell nennt sie sich Blauer Schlafmohn, sie war Tamas Pflegmutter
Waldelfen
SUMPFWASSER, Erster Berater der Waldelfen und Tamas Auftragsgeber
LUFTHAUCH: Waldläufer
BORK, Truppführerin der Waldelfen
LIND und MAITRIEB, zwei ihrer Jäger
IMMERGRÜN: Ein Diener zweier Herren
ZIMTCHEN: Offizier der Wehrhüter und angeblich Sumpfwassers Tochter
SONNENKRANZ, Sprecher des Elfenrates
Stadtelfen in NA-R
TREIBGUT, Magier der Komposits und Hersteller von Artefakten
KÖNIG NACHTNEBEL, Artefakthändler und Treibguts Partner
WILLJA, Viertelelfe, arbeitet an Artefakten
STEINDORN, ehemaliger Stadtkommandant
GEFLECKTER GELBZAHN, sein Sohn und Ratsmitglied
RÄTSELKRAUT, der eigentlich GRÜNKELCH heißt, ein Verkäufer Nachtnebels
Menschen in NA-R
MERJINA, Frau, reinrassiger Mensch, arbeitet an Artefakten
SCHLANGENAUGE, Führer der Unterwelt
Familie in NA-R
ALTWI, Tamalones leibliche Mutter
HOGGER, ihr Sohn und Tamas Halbbruder
BAERBEN, ihre ältere Tochter und Tamas Halbschwester
NEVEN, ihre jüngere Tochter und Tamas Halbschwester
AUREON und ARGENTON, ihre Söhne
POLA-POLON, Merjinas Sohn
Sonstige
TORSO, Gestaltwandler und Froschmensch von gewaltiger Sprungkraft
AUFPASSER, Verwalter der Bergbausiedlung
SEELE DES AUSGLEICHS, seine Begleiterin
HORNFINGER, (hist.) vergessener Expeditionsleiter der Waldelfen
CILLIA, (hist.) Hornfingers Frau
DER WANDERER, ein Wesen aus der Welt der Toten
EIN GEIST, Wesen der Vergangenheit im Dunklen Viertel
GALMEI, Magier der Menschen und Minenbesitzer
Personen in Centrell
BLAUER DREISPORN, Bewohnerin des Hauses Blau
BLAUER SCHLAFMOHN, die Unaussprechliche und Freundin von Blauer Dreisporn
BARIONSTAB, Familienältester des Hauses Barion
Tama war verschwunden. Und der Elfenkrieger mit ihr. Lufthauch starrte auf den verwaisten Lagerplatz, das erkaltete Feuer und die niedergedrückten Pflanzen, die ihm zeigten, wo noch vor kurzer Zeit Tama gelegen und im Schlaf gestöhnt hatte. So lange bin ich doch gar nicht weggeblieben, dachte er. Jetzt steh ich hier mit genug Fleisch in den Händen, Pflanzenblättern und Blumenzwiebeln, dass ein ganzer Erkundungstrupp davon hätte satt werden können. Sie sind weg, und ich bin als einziger noch übrig. Der letzte Mann, wenn alle anderen weiterziehen. Und gleich darauf: Hoffentlich geht alles gut mit Tama.
Seltsame Gefühle balgten sich in seiner Brust, drückten sie so eng zusammen, dass er kaum Luft bekam, um ihr im nächsten Augenblick zu gestatten, sich erleichtert zu weiten und die Luft der ganzen Welt in sich aufzusaugen. Was für ein Drama hatte er nichtsahnend mit ausgelöst. Ein Band aus Drachenleder hatte sich Tama um den Unterarm gewickelt und das hatte sich sofort in ihre Haut hineingefressen, als ob es mit der Menschenhaut verschmelzen wollte. Hart, zäh und magisch war das Band, und Tamas Haut war weich und geschmeidig. Sollte ihre Haut auch magisch sein, dann beherbergte sie aber eine ganze andere Magie, eine, die vielleicht jemanden träumen ließ, die aber völlig ungeeignet war, sich gegen feindliche Angriffe zu wehren. Und so hatten sich Haut und Fleisch entzündet, der Arm schwoll ihr an und glühte im Fieber. Sie würde den Tag nicht überleben. Da war er sich sicher. Andererseits …
Die beiden waren nicht mehr da, waren in aller Eile abgereist und hatten ihn zurückgelassen. Der Elfenkrieger musste eine Möglichkeit gefunden haben, Tama zu retten. Oder zumindest eine Idee gehabt haben, was ihr helfen konnte. Es musste so sein, denn eine Welt ohne Tama konnte Lufthauch sich nicht mehr vorstellen. Das wäre nicht mehr seine Welt gewesen. Aber hatte er die nicht ohnehin bereits verloren in diesem Durcheinander? Wie konnte es geschehen, dass gerade er, der als Waldelf für das reine Blut eintrat, lauter Freunde hatte, die nur eines verband: Mischblut. Und für Sumpfwasser, den Ersten Berater des Elfenrates, sah es ähnlich aus.
Es würde mich mittlerweile nicht mehr wundern, wenn auch Sumpfwasser keine reinrassige Elfe wäre.
Und dann gab es noch etwas. Das Geheimnis, das ihn die ganze Zeit so bedrückte, dass er es nur mit äußerster Willenskraft für sich behalten konnte, war mit Tama fortgegangen. Jene Drachenschuppe war zu einem Lederriemen geworden und nun ein Teil von Tamas Haut geworden. Und wenn Tama jetzt starb …
Mochte sein Verstand auch Auswege und Entschuldigungen genug finden, sein Herz sagte ihm, dass es darum gar nicht ging. Alle Überlegungen konnten eine Tatsache nicht aus der Welt schaffen: Ein Drache in den Drachenbergen hatte Tama eine seiner Schuppen anvertraut. Und davon wussten schon zu viele. Der Drache mit dem lahmen Flügel, Pando, Tama, leider auch er und nun auch noch die Unaussprechliche. Wenn das Leder ein Teil von Tamas Haut wurde, war es verschwunden und kein Drache der Welt würde kommen und die Drachenschuppe suchen wollen. Aber was, wenn Tama dabei starb? Dann würde ihr Leib verwesen und das Lederband läge in ihrem Grab. Und er …
Lufthauch sah nur noch einen Ausweg. Er beschloss das zu tun, was er vorher als völlig unmöglich verworfen hatte. Er würde, nein, er musste Sumpfwasser davon erzählen. Ohne noch einen Gedanken an sein Frühstück zu verschwenden, eilte er zurück nach Neustadt, wo sich hoffentlich der Erste Berater des Elfenrates immer noch aufhielt.
„Ich muss mit dir über etwas reden, Vater“, sagte Lufthauch, nachdem er eine Weile herumgedruckst hatte. „Es geht um ein Geheimnis, von dem ich weiß, von dem ich aber nichts wissen sollte. Ich dürfte niemals darüber sprechen, und ich habe lange mit mir gerungen. Aber jetzt kann ich es nicht mehr für mich behalten. Dieses Geheimnis ist zu groß für mich, als dass ich es in meinem Herzen verschließen könnte.“
Und dann erzählte er von dem Drachen in den Drachenbergen, dessen Flügel lahm war, von der Drachenschuppe, von Tamalone und Pando und auch von der Unaussprechlichen und ihrem Wunsch, ihn tot zu sehen. „Aber ich möchte noch nicht sterben. Auch nicht aus einem guten Grund und von eigener Hand“, sagte er endlich.
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