»Die Sache ist ja nicht schlecht gemacht,« gab Dagobert zu, »aber es ist doch die einfachste Form der Maquillage. Es gibt noch bessere Methoden. Diese ist nur die bequemste und für ein Publikum, das nicht argwöhnisch ist, vollkommen ausreichend.«
»So zeigen Sie uns doch,« drängte Frau Violet, »wie und wo diese Karten gezeichnet sind!«
»Aber mit Vergnügen, meine Gnädigste. Zuerst will ich Ihnen aber beweisen, daß sie wirklich markiert sind. Wollen Sie so freundlich sein und das Spiel mischen. Nur noch mehr! So! Haben Sie gut gemischt?«
»Gewiß!«
»Gut, und nun, Grumbach, hebe du ab. Noch einmal! Man kann nicht vorsichtig genug sein. Und nun werde ich Blatt geben. Wie viele Karten soll ich Ihnen geben, Gnädigste?«
»Sagen wir vier.«
»Gut, da haben Sie vier Karten. Halten Sie sie nur recht vorsichtig, damit ich sie nur ja nicht sehe. Hier auch für dich vier Karten, Grumbach. Glauben Sie, daß ich sehen konnte, was ich Ihnen gab?«
»Unmöglich!«
»Natürlich ganz unmöglich, aber Sie, meine Gnädigste, haben Herz Dame, Carreau König, Herz acht und Pique Dame, und du, Grumbach: Pique König, Herz Buben, Treff Aß und Carreau Aß. Stimmt es?«
Es stimmte.
»Und glauben Sie nun,« fuhr Dagobert fort, »daß mir diese Wissenschaft einen recht erheblichen Vorteil über meine Mitspieler sichert?«
»Ob ich das glaube!« rief Frau Violet. »Hören Sie, Dagobert, Sie sind mir unheimlich. Sie sind ja förmlich selber ein vollendeter Falschspieler!«
»Ich könnte es wenigstens sein, meine Gnädige. Denn alles, was dazu gehört, weiß und beherrsche ich vollkommen. Mein Gott, man macht seine Studien. Es gibt nämlich auch dafür eine Literatur. Ein sehr belehrendes Buch über das Falschspiel hat der hervorragende französische Polizist Mr. Cavaillé geschrieben. Unterhaltend ist auch das Buch des Prestidigitateurs Houdin über denselben Gegenstand. Das gründlichste Buch darüber schrieb aber natürlich ein Deutscher, der unter dem Pseudonym Signor Domino sich nur notdürftig verbarg. Sogar eine eigene Zeitschrift war dieser nobeln Disziplin gewidmet. Sie erschien knapp vor Ausbruch der großen Revolution und führte den Titel Diogène à Paris . Das Falschspiel dringt auch in weitere Kreise und höher hinauf, als man gemeiniglich annimmt. Von Kardinal Mazarin wird mit aller Bestimmtheit behauptet, daß er ein Falschspieler gewesen sei. Vielleicht ist das Mythe, sicher aber und beglaubigt ist es, daß im Jahre 1885 Graf Callado, der Gesandte des Kaisers von Brasilien, in Rom beim Falschspielen abgefaßt worden ist.«
»Hören Sie, Dagobert, Sie wissen aber auch alles!«
»An mir ist, vielleicht nicht nur meiner Überzeugung nach, ein Detektiv verloren gegangen, und eine was für klägliche Rolle müßte ein solcher gegebenenfalls spielen, wenn er das alles nicht wüßte und könnte.«
»Jedenfalls mochte ich mit Ihnen nicht spielen,« sagte Frau Violet lachend.
»Ich danke für das ehrende Vertrauen, aber ich möchte es Ihnen selbst nicht anraten. Ich bin nämlich ein starker Spieler und in allen Sätteln gerecht. Ich habe das Spieltalent. Viel tue ich mir darauf nicht zugute, aber es ist einmal da. Ich wäre also auch ohne Mogelei für jeden, geschweige denn für Ihr kindliches Gemüt, meine Gnädige, ein sehr gefährlicher Gegner. Weil dem aber so ist, und weil ich alles weiß und kenne, spiele ich selbst niemals, grundsätzlich nicht. Ich bin nur ein sehr geachteter Kiebitz, der im Zuschauen keine Fehler macht, und gelte bei allen Streitfragen als oberste und inappellable Instanz.«
Grumbach war viel zu erregt und bekümmert, um jetzt den Plaudereien Dagoberts den richtigen Geschmack abgewinnen zu können. Er wollte wissen, wie Dagobert darauf gekommen sei, daß im Klub mit gezeichneten Karten gespielt werde.
»Das war sehr einfach,« entgegnete Dagobert. »Als Ausschußmitglied habe ich die Pflicht, mich um die Verwaltung zu kümmern. Was Küche und Keller betrifft, habe ich mich schon umgetan. Es ist alles in schönster Ordnung, und – tröste dich – das Defizit aus diesen Betrieben wird uns ungeschmälert erhalten bleiben. Dann wollte ich mich auch für das Kartendepartement interessieren. Von einem Amateurdetektiv wird dich das nicht wundernehmen. Auch da, was die Verrechnung betrifft, alles in Ordnung.«
»Ich danke für eine solche Ordnung!« rief Grumbach mit Bitterkeit dazwischen.
»Da kam mir die Idee,« fuhr Dagobert fort, »die einem anderen vielleicht nicht gekommen wäre. Ich wollte einmal die überspielten Karten überprüfen. Ich ließ mir also alle Kartenspiele, die während der abgelaufenen Woche zur Verwendung gelangt waren, ins Vorstandszimmer bringen, sperrte die Tür ab und nahm dann die Überprüfung vor.«
»Wie viele Spiele hat man Ihnen denn hingeschleppt?« fragte Frau Violet.
»Vierhundertundfünfzehn Spiele, meine Gnädige.«
»Herrgott, da haben Sie ja eine furchtbare Arbeit gehabt!«
»Es war nicht so arg. Sie müssen nicht glauben, daß ich jede einzelne Karte unter die Lupe genommen habe, sonst säße ich ja noch dort. Ich nahm aus jedem Spiele nur eine Karte, allerdings ein Honneur. Wenn nämlich die wichtigen Karten nicht gezeichnet waren, dann waren es die übrigen sicher auch nicht. War aber ein Spiel markiert, dann mußten es in erster Linie jene Blätter sein, auf die es in der Partie hauptsächlich ankommt. So konnte ich doch in drei Stunden fertig werden.«
»Und was hast du gefunden?« fragte Grumbach.
»Wie ich bereits bemerkt, – daß im Klub falsch gespielt wird. Ich habe sechs gezeichnete Spiele beseitigt und unter Verschluß genommen. Eines davon ist das hier.«
»Sie haben uns noch immer nicht gezeigt, wie sie markiert sind.«
»Ich glaube es doch schon gesagt zu haben, – Maquillage, einfache Maquillage!«
»Wir sind nicht vom Fach, lieber Dagobert. Mit uns müssen Sie schon etwas deutlicher reden.«
»Wohlan, hören Sie mir zu, gnädige Frau. Sie werden enttäuscht sein, wie einfach die Geschichte ist. Sehen Sie sich diese Rückseite der Karten an. Sie ist bedruckt und weist ein einfaches, mit Absicht so gewähltes Muster auf, daß es dem Auge keine besonderen Anhaltspunkte biete. Wir haben hier zahllose Punkte und kleine, nicht ganz geschlossene Kreislinien. Der Falschspieler hat nun folgende Methode gewählt: er nahm eine seine Nähnadel, tauchte ihre Spitze in reines, farbloses und durch Erhitzung flüssig gemachtes Wachs. Dann stach er leicht an bestimmter Stelle in die Rückseite, natürlich nicht so stark, daß die Spitze durch das Blatt durchgedrungen wäre. So leicht er auch stach, die Spitze hat doch eine kleine Vertiefung verursacht, und in dieser setzte sich ein Atom von Wachs fest.«
»Das kann man aber doch unmöglich mit den Fingerspitzen spüren!« bemerkte Frau Violet, indem sie gleich die Probe zu machen versuchte.
»Wenn er sich auf seinen Tastsinn hätte verlassen wollen, hätte er eine andere Methode versucht. Es gibt solche, sie sind aber gefährlicher und darum weniger empfehlenswert.«
»Aber sehen kann er diese Pünktchen doch auch nicht!« fuhr Frau Violet fort, wieder bemüht, dem Geheimnis auf den Grund zu kommen.
»Man kann sie sehr gut sehen. Lassen Sie nur das Licht auf der Rückseite spielen!«
»Ja, wahrhaftig!« rief Frau Violet erfreut. »Hier sieht man es ganz deutlich, – ein matter Punkt!«
»Das ist der ganze Witz. Das Kartenpapier glänzt, und in den Lichtreflexen macht sich ein toter Punkt leicht bemerkbar, allerdings nur für den Wissenden. Alles übrige ergibt sich von selbst. Sie sehen, da stehen acht kleine Kreislinien in einer Reihe, und es gibt zwölf Reihen. Ein Spiel könnte also aus sechsundneunzig Blatt bestehen, und der Künstler käme noch immer nicht in Verlegenheit, wo er für jedes Blatt seinen Punkt hinsetzen soll, wenn er sein System einmal festgestellt hat. Seinem Gedächtnis ist dabei gar nicht viel zugemutet. Die erste Reihe gilt für Coeur, die zweite für Carreau und so weiter. Angefangen wird mit dem König, dann kommt die Dame, – die ganze Sache, so frech sie ist, ist beinahe kindisch.«
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