Haben Sie alles, was Sie wollen? Die drei Vs: Vertrauen, Vollmacht und, last but not least, den Vorschuss?
Also, was macht der Mandant noch in Ihrem Büro? Zeit ist Geld! Machen Sie ihn mundtot! Lassen Sie ihn nicht eine Sekunde zu Wort kommen, während Sie ihn sanft lächelnd zur Tür schubsen!
Während ich einen kurzen, aber heftigen Redeschwall betreffend die harten und bösen Zeiten, die Steuerlast im Allgemeinen und die Gentechnologie im Besonderen über ihn ergieße, führe ich ihn lächelnd aber zielstrebig zur Tür.
»So, und wenn Sie noch Fragen haben, wir stehen Ihnen selbstverständlich gerne auch telefonisch zur Verfügung. Hier ist unsere Visitenkarte. Ach, Frau Burg, wenn Sie Herrn Müller-Voigtländer bitte noch zum Ausgang begleiten würden …«
Dankbar sieht er mich an, während ich ihn an unsere Bürovorsteherin weiterreiche. Endlich beginnt sich die Investition in das letzte Fortbildungsseminar, veranstaltet von den Kollegen Nepp, Schlepp & Partner, zu rentieren. Zeit, Geld & Macht in nur 14 Tagen!
Von Band 5 für Experten bin ich allerdings noch sehr weit entfernt. Tipp 89 z. B. lautet: Quälen Sie Ihre Klienten, bis sie in Ihr Büro gekrochen kommen, ein Bündel Bares auf den Tisch legen und zwei Stunden auf einen vereinbarten Besprechungstermin warten. Dann schicken Sie sie nach Hause, weil Ihnen ein wichtiger Termin dazwischengekommen ist.
Die gesparte Zeit können Sie dann Ihrer körperlichen Ertüchtigung und Akquise von neuen Mandaten auf dem Golfplatz widmen oder mit der jungen Frau Ihres Kollegen verbringen, während dieser bis abends um 21.00 Uhr in seiner Kanzlei schwitzt, um es auch nur jedem recht zu machen. Und Ihre Mandanten werden stolz weitererzählen, wie wichtig und schwer beschäftigt ihr Anwalt ist.
Eigentlich sind mir solche Typen zuwider. Andererseits, wenn ich die entsprechenden Karossen betrachte, die tagein, tagaus den Gerichtsparkplatz blockieren …
Doch im Grunde kann ich doch ganz zufrieden sein. Die Kanzlei, die ich vor drei Jahren gemeinsam mit meiner Kollegin Silke gegründet habe, beginnt langsam zu florieren. Die Miete für die Büroräume, die wir hier schräg gegenüber dem Bochumer Landgericht angemietet haben, droht uns in manchen Monaten nahezu aufzufressen. Aber mittlerweile haben wir uns einen Namen als Expertinnen für Scheidungen gemacht.
Walter & Herrmann
Rechtsanwältinnen
Scheidung und mehr …
So lautet unser Slogan.
Dank unserer eher maskulinen Nachnamen verirrt sich dann und wann auch ein männlicher Klient zu uns, der die Portokasse füllt. So wie hoffentlich bald Herr Müller-Voigtländer, Realschullehrer von Beruf. Da weiß man, was man hat.
Zulauf an weiblicher Mandantschaft haben wir mehr als uns manchmal lieb ist, doch leider waren bislang zu wenige Zahnarztehefrauen unter ihnen. Sie wissen schon, die mit den weißen Zähnen, die immer mit den Nachbarn so gut können. Und Zahnärztinnen gehören erst recht nicht zu unserer Dauerklientel.
Unsere Mandantinnen leben meist von Hartz IV, was bedeutet, dass wir unser weniges, hart verdientes Geld in der Regel in Form von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse erhalten. Aber dafür sind wir selbständig und müssen in keiner MACHO-Kanzlei tief im Keller versteckt zwischen Aktenbergen unser Dasein fristen, um mit der ersten Schwangerschaft in den wohlverdienten Ruhestand entlassen zu werden.
Wir führen ein freies, selbstbestimmtes Leben und können, wann immer wir es wollen, zum Friseur oder ins Fitness-Studio gehen.
Jawoll, wir sind glücklich.
Oder etwa nicht?
An manchen Tagen nagt irgendetwas an mir, lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Das Gefühl, dass zum perfekten Glück irgendetwas fehlt. Dass es nicht nur der Sinn des Lebens ist, den ganzen Tag in einem stickigen Büro herumzusitzen und sich die Probleme anderer Leute anzuhören, während draußen die Sonne scheint, die Vöglein zwitschern und in Apulien der Lavendel duftet.
Doch irgendetwas muss man ja schließlich machen, um von der Straße wegzukommen , pflegte mein alter Lehrer Oberstudienrat Dr. Krummelbein zu sagen, deshalb bin ich Lehrer geworden. Also meine jungen Damen, schwärmen Sie aus und suchen Sie sich eine Aufgabe. Und wenn Sie die nicht finden, dann suchen Sie sich Arbeit. Warten Sie nicht auf die Herren der Schöpfung. Damenpower ist angesagt.
Der gute alte Krummelbein. Das Wort Damenpower hatte er vermutlich aufgeschnappt, als ihm versehentlich eine Frauenzeitschrift unter die Finger gerutscht war. Leider hat er zwischenzeitlich das Zeitliche gesegnet. Doch seine Lebensweisheiten haben mich fortwährend begleitet.
Damenpower.
So leuchtet es auch in fettzentrierten Buchstaben an der Wand in unserem Nur-Frauen-Kaffee-Kopier-Schönheits-Salon-Küchen-Bistro. Für eine ordentliche Teeküche bzw. einen separaten Platz für unseren Kopierer reicht es leider noch nicht, aber dafür hat uns unser italienischer Lieblingsmandant No. 2, Gianni von der Stehpizzeria mit dem freundlichen Lieferservice Gianni kommte immer sofort, einen Luxus-Kaffeevollautomaten zum Super-Sonderpreis aus Italien organisiert, musse wissen isse von die Schwester vonne meine Bruder, der hat große Handel in Neapel .
Gut, wir wollen nixe Genaues wissen, woher de Maschine kommt, Hauptsache Kaffee isse lecker und machte wach.
Während ich den Duft des Espresso No. 7 nix für schwache Nerven gierig einsauge und in Gedanken durch ein Wäldchen in der Toskana lustwandele, werde ich plötzlich unsanft aus meinen Träumen geweckt.
»Was rührst du denn so versonnen in deiner Kaffeetasse? Meinst du auf dem Grund schwimmt eine Kaulquappe, aus der irgendwann einmal ein wunderschöner Frosch wird?«
»Nie wieder. Wage es nie wieder, dich von hinten anzuschleichen und mich so zu erschrecken!«, fahre ich Silke unbeherrscht an, die vollkommen unbemerkt hereingekommen ist.
Silke Herrmann ist meine Partnerin und mittlerweile fast so etwas wie meine zweitbeste Freundin geworden. Sie verfügt neben einem herzerfrischenden Lachen über die beneidenswerte Gabe, unbekümmert in den Tag hineinzuleben und immer optimistisch in die Zukunft zu blicken. Das Einzige, was sie ab und an bekümmert, sind ein paar Speckpölsterchen zu viel, die sie mit einer wöchentlich wechselnden Diät mehr oder weniger vergeblich zu bekämpfen versucht.
»Und überhaupt, Frau Herrmann. Hast du keine Arbeit?«
»Purzelchen, das Gleiche müsste ich dich fragen. Frau Alibaba sitzt schon seit einer Dreiviertelstunde in Tränen aufgelöst im Wartezimmer und erzählt Janine alles, was ihr Herr Alibaba wieder angetan hat.«
»Na ist doch perfekt. Wird doch auch langsam Zeit, dass unsere Auszubildende endlich das pralle Leben kennenlernt. Dann muss ich mir das Ganze nicht wieder anhören. Und wenn sie fertig ist, wird sie ihm alles verziehen haben und zufrieden zu ihrem Ali und seiner Wunderlampe nach Hause gehen. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.«
»Puh, so abgebrüht wie du möchte ich mal sein, Hasilein.«
»Quatsch abgebrüht. Realistisch. Die Gute ist nämlich zum dritten Mal hier. Als Ali sie das erste Mal mit dem Messer bedrohte, habe ich noch am gleichen Tage eine einstweilige Anordnung gegen ihn erwirkt, nach der er eine Entfernung von 500 Metern zu ihr einhalten musste. Noch am gleichen Abend hat sie ihn wieder in die Wohnung gelassen und ihm Couscous gekocht.«
»Ja, so sans, die alten Ägypter.«
»Beim zweiten Mal hat er ihr einen Topf Kichererbsen über den Kopf gekippt. Verbrennungen zweiten Grades. Natürlich am Freitagabend. Und was mache ich blöde Kuh? Ich streiche mein Wochenende, mache den notdiensthabenden Richter kirre, bis ich am Samstagmorgen endlich wieder eine einstweilige Anordnung in den Händen halte. Und abends, als ich mir zum Einschlafen mein wohlverdientes Bier an der Bude umme Ecke holen will, wer steht da turtelnd und trinkt sein Bierchen, man gönnt sich ja sonst nichts? Ali und Baba. Herr und Frau. An diesem Abend habe ich mir geschworen, mich NIEMALS, NIEMALS wieder von irgendetwas oder irgendjemandem aus der Ruhe bringen zu lassen. Und schon gar nicht von einem MACHO oder einer dämlichen Frau, die einem ebensolchen hinterherläuft.«
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