»Ok, ich weiß nicht, was du von mir willst, aber bitte suche dir ein anderes Herrchen. Ich bin nicht geeignet« Der Schäferhund reagierte und gab Antwort. Obwohl er sich umschaute, erkannte Thomas niemanden, der ihn sonst hätte, ansprechen können. Er schaute also wieder auf den Schäferhund und fing laut anzulachen. Dies wiederum passte dem Hund gar nicht und der schimpfte wild drauf los.
»Eye Alter, sag mal, ich bin zwar ein Hund, aber so lustig finde ich das jetzt nicht. Ich weiß, dass Du Tiere verstehen kannst und man hat mir gesagt, wo ich Dich finden kann. Jetzt hör´ auf zu kichern und hör´ mir doch mal zu - dann kannst Du immer noch umfallen« Thomas taumelte, stolperte und schlug mit dem Kopf aufs Bordsteinpflaster. Als er aufwachte, schleckte ihm eine lange Zunge quer durchs Gesicht und er blickte in die Augen des Hundes. Hatte ihm sein Hirn also doch nichts vorgegaukelt?
***
Das war vor ein paar Tagen. Nun saß Thomas in seinem Büro und hielt einen Brief in der Hand. Es waren also nicht nur die Papageien von seiner Ex-Freundin, die ihn tatsächlich angesprochen hatten. Er hatte zudem auch noch die Katzen aus dem Nachbarhaus verstanden. Bei den Papageien war er nicht sonderlich verwundert, aber wenn Katzen sich Witze erzählten oder von der letzten Mäusejagd berichten, dann sollte einem das schon zu denken geben. Aber er durfte jetzt nicht an seinem Verstand zweifeln, den brauchte er noch, denn beruflich war er Anwalt und musste seinen Mandanten - so gut es ihm nur möglich war - beiseite stehen. Das hatte er bis vor einigen Tagen auch noch getan. Bis zu diesem Erlebnis. Er benötigte unbedingt eine berufliche Auszeit, das war ihm jetzt klar. Anscheinend fing er an zu spinnen. Er ging ans gekippte Fenster im Büro, weil er eine affektierte Stimme keifen hörte. Da sah er auf der Straße einen Hund und eine Frau, die laut auf ihn einsprach. So hätte man noch nicht einmal mit einem Baby geredet, dachte sich Thomas. Dann hörte er den Hund sprechen:
»Sach´ mal Muttchen, heute zuviel Talkshow geguckt? Bist ja wieder vollkommen von der Rolle. Erst soll ich genau neben Deinen Stinkefüßen hergehen und dann soll ich wieder platzen oder sonst was Blödes machen. Was willst Du eigentlich von mir?«, rief der Hund empört.
»Ich habe die Faxen dicke, ich nehme mir einen Anwalt!«, sprach er weiter und schnappte nach der Frau. Diese nahm die Leine, die sie die ganze Zeit aufgerollt in der Hand hatte, und wollte damit zuschlagen. Thomas klopfte wie wild gegen die Scheibe und die Frau schaute zu Thomas hoch. Schnell versteckte sie die Leine in ihrer Tasche und zog den Hund am Halsband zu ihrem Auto, welches in der Nähe stand. Bevor der Hund in den Kofferraum des Autos sprang, zückte er noch seine Vorderpfote und streckte den hündischen Mittelfinger aus. Die Frau sah das natürlich nicht. Aber Thomas spuckte seinen Kaffee aus, den er gerade geschluckt hatte. Er war gespannt, ob das sein nächster Fall sein würde. Aber erst musste er sich um den Brief kümmern, der auf seinem Schreibtisch lag. Den Psychiater musste er auch anrufen, denn die Telefonseelsorge würde wahrscheinlich direkt auflegen und seine Bekannten ihm einen Vogel zeigen. Was also tun? Er verstand Tierstimmen. Das hatte er jetzt begriffen. Er wurde gezwungenermaßen zum Tierschützer und hatte sich bisher nie Gedanken darum gemacht. Aber wenn er die Briefe las, sein Staunen und seinen immer noch Nix-Kapier-Status ablegte - was ihm sichtlich schwerfiel - erkannte er die Notwendigkeit. Die Tiere hatten es bitter nötig. Laut schriftlicher Aufforderung sollte er demnächst tierische Mandanten betreuen. Hühner, die ihren Hahn verklagten. In einem Messi-Haushalt mussten Kaninchen und Katzen versorgt werden und der Besitzer lehnte sich gegen die Tierschützer auf. Hühner waren ja schon schlimm in Sachen Berichterstattung, aber wenn Katzen loslegten, wurde es brisant. Alle redeten durcheinander und falls sie ihren Willen nicht sofort bekamen, fauchten sie ihn auch noch an. Er hatte sich also in kürzester Zeit einigermaßen mit der Tatsache angefreundet, dass er Tiere verstand. Aber nun hielt er diesen Brief in der Hand. Er schaute zudem auf den PC vor sich und grübelte. Immer wieder sah er auf die Bilder und langsam fand er Gefallen an der Sache. Was würde nun auf ihn zukommen? Er war gespannt. Aber er musste den Brief noch einmal lesen, weil er immer noch dachte, er hätte eine Meise. Er sah ein letztes Mal auf den Monitor, kniff die Augen zusammen und versuchte zu kapieren. Er kniff die Augen zusammen und las den Brief.
Verehrtester Anwalt,
Sie lesen richtig. Ziehen Sie Ihre Brille gerade und hören Sie auf zu staunen! Ja, Sie haben Post von einer Seemöwe. Ich kann Ihren Gesichtsausdruck geradezu vor mir sehen. Kinnlade hochziehen und konzentrieren! Häkem … da ist ein Delfin. Sein Name ist Sam und in der Kartei Nr. 17. Er soll aus dem Delfinarium ausgewildert werden und das Projekt ist einzigartig. Meine ehrenwerte Kollegin Sandra, ein Menschenkind, wird sich mit ihrer Organisation um die Auswilderung kümmern. Sie gehen bitte zu Sam und erklären ihm alles Weitere. Wir haben Sam schon einige Nachrichten zukommen lassen und er würde sich mächtig freuen, wenn Sie ihm helfen. Wenn es uns gelingt, Sam da raus zu holen, haben Sie etwas gut bei mir. Überraaaaschung! Hi, hi, hi, oh Entschuldigung. Es geht immer mit mir durch. Sind Sie eigentlich Single? Hoppla. Wenn sie mit dem Staunen fertig sind, können Sie sich auf den Weg machen und mich fortlaufend über den Gang der Dinge unterrichten!
Ihre Elise von und zu, nicht adelig, aber goldig
Währenddessen lief im Delfinarium ein Mann am Beckenrand entlang. Er war anders als das Publikum, welches Sam, der Delfin, sonst kannte. Der Mann sprach Sam an. Da gerade eine Show zu Ende ging, nutzte der Fremde die Gelegenheit.
»Hey Junge, wir haben Deine Post bekommen. Da gibt es Leute, die können Dir helfen, hier raus zu kommen. Die schick´ ich Dir vorbei und ein Anwalt nimmt Kontakt mit dir auf. Die Kosten werden übernommen «
»Echt jetzt?«, fragte Sam und schwamm neugierig an den Beckenrand.
»Ja!«, flüstert der Fremde, der sich vorsichtig umschaute, ihm zu.
»Neulich war einer unterwegs. Einer von der Dingens-Organisation «
»Dingens … Was?«
»Dingens-Organisation, Junge … äh Delfin. Die fahren überall rum, mit noch ganz vielen anderen Kollegen und kümmern sich um Euch Delfine und Wale «
»Eye super!«, sagt Sam.
»Ich brauch ´ne neue Bleibe und hab´ echt keinen Bock mehr, mich hier zum Affen zu machen «
»Ok, ich wünsche Dir alles Gute und warte, bis der Anwalt sich bei dir meldet«
»Der Witz war gut! Was bleibt mir wohl anderes übrig, als zu warten«, scherzte Sam.
***
-- Einige Zeit später, irgendwo in einem Delfinarium --
»Guten Tag Herr Anwalt, ich freue mich, Sie hier in dieser Anlage begrüßen zu dürfen «
»Guten Tag Herr Tümmler oder darf ich Sie "Sam " nennen?«
»Sam? Ach so ja, so werde ich liebevoll genannt, wenn die Zuschauer auf den Rängen sitzen. Ansonsten bin ich Nr. 17«
»Nr. 17?«
»Ja, ich bin einer von 17 überlebenden Delfinen «
»Worum geht es Nr.17?«
»Also ich würde mich jetzt echt freuen, wenn Sie mich Sam nennen würden «
»Ok, Sam. Worum geht es? Ich habe sehr ungewöhnliche Post bekommen und will lieber nicht näher darauf eingehen«, schmunzelte Thomas.
»Das ist ganz einfach. Ich bin überarbeitet. Ich habe einen mindestens 8-Stunden-Tag, die Mahlzeiten sind sehr karg und werden fast nur bei der Show verabreicht und mein Zuhause ist zu klein. Ich werde nicht bezahlt, dafür ausgelacht «
»Was müssen Sie während Ihrer Arbeit tun?«
»Ich muss - nicht immer, aber oft - ein Schlauchboot durchs Wasser schieben. Die schwarzen Gummimenschen stellen sich dann auf mich oder meine Schnauze und ich muss sie durchs Wasser schieben. Ich muss auf Kommando in die Luft springen und keiner fragt, ob ich das will.
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