Pepe Oloriz
Als enger Freund von Johannes Freibier hatte ich das Privileg, am Präsentationsessen von Fermín Artogoitia in unserer Hauptstadt teilnehmen zu dürfen. Und seit jenem Abend in seinem neuen Restaurant „L'Atelier” bin ich einer seiner bedingungslosesten und treuesten Bewunderer. Es war eine echte Köstlichkeit, ein völlig neuartiges Menü, aber auch wieder nicht ganz so modern, als dass diejenigen von uns, die gern ausgiebig tafeln, hätten hungern müssen. Die Gerichte haben sich mir sozusagen in den Gaumen geprägt. Ich kann sie alle noch einzeln aufzählen, obwohl diese trockene Aufzählung ihnen natürlich in keiner Weise gerecht wird:
Mousse vom Hummer mit Rosinen, Pinienkernen und frischer Minze
Muschelcremesuppe mit Percebes und in Honig geschmortem Fenchel
Toast mit Frischkäse, Quittengelee und Sardellen
Seebrasse mit roten Zwiebeln und Blumenkohl-Püree
An den Nachtisch kann ich mich nicht erinnern, weil ich keinen gegessen habe. Ich bin sowieso kein so großer Freund von Nachtisch. Jedenfalls esse ich hinterher nur dann etwas Süßes, wenn mir beim vorhergehenden Essen selbst etwas gefehlt hat. Also, jedenfalls war das die erste einer langen Reihe von außerordentlichen kulinarischen Erlebnissen. Ach, schon, wenn ich nur daran denke, läuft mir das Wasser im Mund zusammen! Tja, tut mir leid. Wo war ich stehen geblieben? Ach so, ja: Seinerzeit lernte ich auch Fermins Frau kennen, Nadia. Bezaubernd und doch gleichzeitig so schlicht. Und was mir als Arzt besonders gut an ihr gefiel, war ihr so praktischer Sinn für soziale Gerechtigkeit. Und ich fand es umso bewundernswerter, dass sie sich inmitten dieser so elitären und gewollt exklusiven Atmosphäre so sehr für die Armen einsetzte. Johannes Freibier hatte dafür gesorgt, dass wirklich die Crème de la Crème des Landes anwesend war: wichtige Persönlichkeiten aus der Industrie, der Finanz, der Politik und den Medien. Und, natürlich, ein paar Künstler: die Hofnarren unserer Zeit. Fermín selbst wirkte, als er schließlich gegen Ende des Essens erschien und alle applaudierten, ziemlich schüchtern und irgendwie gehemmt. Seine Nervosität konnte man an seinen Händen sehen. Seine Kochmütze war vom vielen Zwischen-den-Fingern-hin-und-herdrehen ganz verknittert. Gleichzeitig leuchteten seine Augen so, als hätte er hohes Fieber. Beinahe hätte ich, anstatt ihm zum Gruß und Glückwunsch die Hand zu geben, sie ihm auf die Stirn gelegt, um seine Temperatur zu prüfen. Ich nehme mal an, er hatte eine Art Ego-Fieber. Es war jedenfalls sein erster Eitelkeitsanfall. Das soll jetzt keine Kritik sein, denn so, wie er sich auf seine Kunst verstand, konnte er sich ruhig etwas darauf einbilden. Es ist dann mit der Zeit eben nur stärker geworden, und das war nicht unbedingt von Vorteil. Trotzdem war er kein schlechter Mensch. Das mit Nadia war natürlich schon sehr schade. Ich war da in einem Loyalitätskonflikt: Mit meinem Herzen war ich auf ihrer Seite, mit meinem Magen auf seiner. Nun ja, mein Herz schlägt schon kräftig, aber mein Magen kennt keine Gnade. Deswegen hab ich auch alles in meiner Hand Liegende getan, um Fermín in all seinen kritischen Situationen zu helfen.
Uff, endlich geben die mal Ruhe. Ich wusste schon nicht mehr, was ich machen sollte. Ein paar von denen waren so schnell, dass ich beinahe nicht mehr konnte. Aber jetzt mal ehrlich: Was war das denn überhaupt? So was ist mir ja noch nie passiert, und mir ist ja wirklich schon einiges passiert. Und ich kann rein gar nichts dagegen machen. Eigentlich ist es ja schon ein bisschen wie früher, als ich noch diese geschmacklichen Impulse geschickt bekam. Das waren Zeiten! Der einzige Unterschied ist, dass sie jetzt, anstatt mich mit allen möglichen kulinarischen Genüssen zu verwöhnen, mich mittels der Signale das sagen lassen, was sie wollen. Die lassen mich nach ihrer Pfeife tanzen. Ich krieg bestimmt Muskelkater... Ich bin so einen Rhythmus nicht mehr gewöhnt. Außerdem, was fällt denen eigentlich ein? Mich einfach so per Kabel zu steuern und zu benutzen. Dabei hatte ich es gerade so geruhsam... Na gut, geruhsam war das ja schon, aber ich hab mich auch zu Tod gelangweilt. Man kann eben nicht alles haben. Was soll man da machen? Humhum, ich denk, ich versuch einfach mal, Kontakt aufzunehmen mit denen. Mal sehen, was passiert. Hallo! Hallo! Haaallo! Ist da jemand? Eigentlich war das jetzt eben ja gar nicht so schlecht. Ich hab mich zwar beinahe verschluckt, aber zumindest hatte ich endlich ein bisschen Abwechslung. Gegen Ende hatte ich mich sogar schon fast daran gewöhnt und konnte mich darauf konzentrieren, etwas von dem zu verstehen, was ich da zu sagen gezwungen wurde. Hört mir mal bitte jemand zu?! Wer auch immer Sie sind, antworten Sie doch wenigstens! Ich hab mich inzwischen schon ausgeruht. Wenn Sie wollen, können wir jetzt weitermachen... Ist ja mal wieder typisch: Da erzählen sie dir den Anfang, und dann lassen sie dich hängen. Kannst dich auf niemanden mehr verlassen. Na denn, mach ich einfach weiter mein Ding. Also, wie war das noch mal? Dieses Salz aus dem Himalaya, das irgendwann importiert wurde und das so schön kitzelte. Aber sehr subtil, nicht so kräftig wie das Meersalz, so verfeinert es auch war. Dieses Salz ließ den anderen Geschmacksnoten ihren Raum. Vorzüglich! Ah!... Was ist denn jetzt wieder los? Hujujuj, ich glaub, es geht wieder los...
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.