»Freilich, gsagt hat er es auf jeden Fall, schließlich geht‘s um eine Verwandte«, sagte Klaus.
»Was ist sie denn zu ihm, wenn der Sepp der Schwager von Elkes Bruder ist?«, fragte Klaus.
»Dann ist sie auch seine Nichte … denke ich«, sagte Hans.
»Das heißt also, dass sie jetzt die einzigen Verwandten sind und somit verantwortlich für das Madl und dessen ganzes Vermögen«, stellte Klaus fest. »Da hast du recht Klaus«, antwortete Günter und wurde nachdenklich.
»Klaus du redest von einem Vermögen, haben sie denn eins?«
»Weißt du das denn ned Günter, dass sie außer dem Haus und Grund noch ganz schön viel Geld auf dem Konto haben?«
»Nein …, woher weißt du es?«
»Dem Klaus sein Gspusi arbeitet in der Bank, wo die Jansens ihr Konto haben«, antwortete Hans.
»Soviel zum Bankgeheimnis?«, spottete Günter.
»Wieso ich sag‘s ned weiter«, gab Klaus schmunzelnd von sich.
»Okay, dann müssen wir für heute aufgeben«, gab Günter etwas niedergeschlagen von sich.
»Hans du fährst ja auch heim, oder?«
»Klar, wir fahrn jetzt gleich alle heim.«
»Gut, vielleicht ist ja schon der Bericht vom Rechtsmediziner da. Ansonsten ruf ich bei ihm an, vielleicht kann er mir ja schon was Neues sagen.«
»Decker du informierst uns schon wenn‘s was Neues gibt, gell?«, fragte einer der Feuerwehrleute.
»Klar, sobald ich was weiß erfahrt‘s ihr es.« Decker bedankte sich bei den Männern und sie fuhren heim. Beim Abendessen erzählte er seiner Familie, was passiert war. Während Günter erzählte, entschloss er sich nach dem Essen nochmals loszugehen. Der Gedanke, dass Eva die ganze Nacht allein irgendwo umherirrte, machte ihn nervös.
Ihre Finger waren mittlerweile gefühllos, so fest klammerte sich Eva an das kahle Bäumchen im Moor. Bis auf die Haut durchnässt und frierend drückte sie sich an das kahle Baumgerippe. Die Nacht war bereits hereingebrochen, ihr war unheimlich zumute. Eva hatte fürchterliche Angst, ihre Augen blickten ängstlich über das dunkle Moor.
Hin und wieder flatterte ein Vogel in die Luft und es blubberte und gurgelte neben ihr und unter ihren Füßen. Die Gewitterwolken hatten sich verzogen. Es war eine sternenklare Nacht und der Mond stand als schmale Sichel am Himmel. Nur schemenhaft beleuchtete er das Moorgebiet. Ihren Blick immerzu in die Richtung zum Knüppelsteg gerichtet verharrte sie zitternd. Ihre Zuversicht, dass noch jemand vorbeikäme, schwand immer mehr.
Erschöpft und müde stand sie am Bäumchen und umklammerte es krampfhaft.
Immer wieder fielen ihr vor Müdigkeit die Augen zu. Sie versuchte sich wach zu halten. Ein Sturz im Schlaf hätte für sie fatale Folgen, das wusste sie. Von der Ferne hörte sie die Abendglocken der Dorfkirche, die sie jeden Sonntag mit ihren Eltern und den Geschwistern besuchte. Eva dachte an ihre Mutter und ihre Geschwister, dessen fürchterliches Bild sie nicht mehr aus ihren Gedanken brachte. Immer wieder sah sie ihre Körper auf dem Boden liegen und wie sich ihr Blut langsam auf dem Boden ausbreitete.
Das Jucken der vielen Mückenstiche auf der Haut brachte sie wieder in die Realität zurück. Eva erschrak, als in unmittelbarer Nähe es laut blubberte. Sie zuckte zusammen und schrie auf, aber es entwich nur ein leiser kehliger Laut aus ihrem Mund. Eva wurde erneut daran erinnert, dass sie sich nicht einmal bemerkbar machen konnte, falls auf dem Knüppelsteg jemand auftauchte. Sie überlegte angespannt, wie sie sich bemerkbar machen könnte. Sie war schon fast am Aufgeben, als ihr die Idee kam, dass sie durch das Abknicken eines Astes auf sich aufmerksam machen könnte. Erleichterung stieg in ihr auf, dass eine Rettung für sie nicht mehr hoffnungslos bleiben würde. Sie hoffte, dass derjenige der nach ihr suchte, nicht nur Ausschau nach ihr halten würde, sondern ganz bestimmt auch auf Geräusche achten wird.
Plötzlich sah Eva in der Ferne ein Licht auftauchen. Dieses Licht näherte sich und wurde immer größer. Es schien der Lichtkegel einer Taschenlampe zu sein. Mittlerweile war es dunkel geworden und sie wusste, dass sie auf sich aufmerksam machen musste, wenn die Person nah genug war. Hoffnung kam in ihr auf, wie sie das Licht immer näher kommen sah. Als das Licht der Lampe nah genug war, knickte Eva drei kleine Äste hintereinander, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Lichtkegel der Lampe leuchtete sofort über das Moor, langsam aber stetig wurde das Moor damit abgetastet. Plötzlich erfasste sie der volle Strahl des Lichts. Eva winkte mit ihrer freien Hand und hörte mit Erleichterung eine Männerstimme, die ihr zurief.
In der Zwischenzeit verließ Günter das Haus und ging zum Auto, als im Nachbarhaus die Tür geöffnet wurde und Hans herauskam. »He …, Günter wohin geht‘s?«
»Mich lässt der Gedanke ned los, dass die Eva draußen umherirrt.«
»Da geht‘s dir wie mir, fahrn wir mit deinem Wagen?«
»Klar …, hast du a Taschenlampe dabei?«, fragte Günter.
»Nein, aber einen Helm mit einer Lampe drauf«, sagte er näherkommend und hielt ihn Günter entgegen.
»Ich hole nur noch meine Gummistiefel aus der Garage.« Bevor er in seine Garage ging, drückte er Günter noch zusätzlich einen Umhängebeutel in die Hand. Günter sah hinein. »Aha, einen Tee für uns.«
»Nein, der ist eigentlich für die Kleine gedacht, aber einen Schluck kannst du schon haben.« Günter setzte sich ins Auto und wartete auf Hans. Kurz darauf fuhren sie los zum Burger Moos.
Hanna Bauer ging nach dem Abendessen noch mit ihrem Dackel Burli spazieren. Ihr Spaziergang dauerte diesmal länger als üblich, schließlich traf sie unterwegs auf einige Spaziergänger, die auch mit ihren Hunden unterwegs waren. Sie musste natürlich alle über das Geschehen ausführlich informieren. Als sie endlich wieder daheim vor ihrem Haus ankam, traf sie noch auf Klaus, der ebenfalls wieder nach der Kleinen suchen wollte.
»Hallo Klaus, habt‘s den Brand schnell löschen können und ist die Familie wohlauf?«
»Weder das eine noch das andere. Das Haus ist abgebrannt, die Familie ist tot, bis auf die kleine Eva – die ist verschwunden.«
»Mein Gott, das ist ja furchtbar! Das Kind ist jetzt eine Weise und zittert womöglich vor Angst irgendwo da draußen unter freien Himmel! Schrecklich, schrecklich!«
»Ich mach mich sowieso wieder auf den Weg, mir hat‘s koa ruh lassen.«
»Du bist halt ein Mensch mit Herz, vielleicht geht ja noch jemand mit?«
»Ich wollte eh beim Hans vorbeigehen, vielleicht geht‘s dem gleich wie mir?«
»Wenn ihr die Eva habt‘s, dann bringt sie zu mir, denn mich kennt das Kind. Bringt sie nicht zum Hannes seiner Schwester der Elke, denn die wartet nur darauf ans Geld zu kommen und daran kommt sie ja jetzt leichter.«
»Das versteh ich jetzt ned, die Elke Müller ist dem Hansen seine Schwester, und wenn sie jetzt die kleine kriegt, dann kommt sie an der ihr Erbe ran. Stimmt das so?«
»Genau und ich sag dir noch eins, die Kleine befindet sich in Lebensgefahr. Sie können das Erbe nicht antreten, sondern den größten Teil des Geldes nur Verwalten. Erst wenn die Eva achtzehn Jahre alt ist und das dauert denen bestimmt zu lang! Denen zwei steht nämlich das Wasser bis zum Hals, weil sich der Sepp verspekuliert hat und auf dem Haus klebt schon der Kuckuck. Angeblich läuft die Zahlfrist in drei Monaten ab, dann müssen sie raus, wenn‘s ned zahlen können. Da kommt so ein Erbe ganz recht, dazu müssen sie die Kleine aber verschwinden lassen? Habt‘s im Moor schon gsucht, das wär zum Verschwinden nämlich Ideal.«
»Geh, Hanna jetzt übertreibst du aber ein bisserl! Schaust du zu viele Krimis an?«
»Glaub mir Klaus, ihr müsst aufpassen auf die Eva.«
Ein Auto näherte sich den beiden und Hanna zwickte ihre Augen zusammen, um noch besser zu sehen.
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