Günter Decker und Hans erreichten inzwischen das Moor. »Na super, jetzt kommt der gemütliche Teil«, stellte Hans fest.
»Das kannst du laut sagen. Wenigstens ist der Boden weich und die Füße tun einem nicht weh«, gab er sarkastisch von sich.
»Okay, nachdem du so begeistert bist, machst du den Anfang und gehst voraus«, gab Hans von sich. Günter sah seinen Freund fragend mit leicht hängenden Mundwinkeln an.
»Warum soll ich vorausgehen?«
»Weil du kleiner und nicht so kräftig bist wie ich. Schließlich kann ich dich leichter aus dem Dreck ziehen, als du mich – oder?« Das leuchtete Günter ein und er machte den ersten Schritt vorsichtig in den Sumpf hinein.
»Gibt‘s hier Schlangen?«, fragte er nebenbei, in der Hoffnung das Hans es verneinte.
»Bestimmt«, gab dieser lapidar von sich.
Decker machte einen riesigen Satz zurück zu Hans. »Ohne mich!«, rief er aus.
»Spinnst Du? Was willst du sonst machen? Was ist, wenn die Kleine wirklich hier im Moor ist?« Günter gab sich geschlagen und versuchte sein Grausen vor den Schlangen und sonstiges Getier zu unterdrücken und ging zögerlich weiter. Hans folgte ihm und sah wachsam über die Moorlandschaft. Plötzlich versank Günter bis über die Knie im Schlamm.
»Huch … da wird‘s tief.« Hans machte sofort einen Schritt auf Günter zu und packte ihn an der Hand. »Geh weiter – ich halte dich.«
»Du hast leicht reden, was ist, wenn ich einsink?«
»Dir kann nichts passieren, ich hab dich doch fest an der Hand.« Günter zögerte. »Denk an die Kleine, die hat niemand der ihr hilft.«
»Das weiß ich doch, was glaubst du, warum ich überhaupt da herin steh, ich denk nur an die Kleine! Normalerweise bringen mich da keine zehn Pferde rein!«
Ohne weitere Einwendungen ging Günter vorsichtig neben dem ursprünglich eingeschlagenen Pfad weiter und Hans folgte ihm. Sie blieben zur Orientierung stehen und plötzlich verschwand Günters Kopf aus Hans seinem Blickfeld.
»Halt … Günter, bleib da!« Rief er entsetzt und griff blitzschnell nach Günter seinen Händen, die Günter Hilfe suchend in die Höhe streckte. Günter gab vor Schreck keinen Mucks von sich, als er bis zur Brust im Schlamm steckte. Hans zog ihn mühselig aus dem Moor, was ihnen einige Minuten an Zeit kostete, schließlich musste Hans vorsichtig auftreten, um nicht selbst einzusinken.
»Günter stand bis zur Hälfte mit Moor überzogen neben Hans und versuchte sich vom größten Teil des Schlamms zu befreien. Hans half ihm dabei und schüttelte den Kopf.
»Wir gehen zurück und fahren zum Moorlehrpfad. Vom Knüppeldamm aus können wir weite Teile des Moors überblicken.«
»Du weißt aber schon, dass es uns einige Zeit kostet?«, stellte Günter fest.
»Möchtest lieber hier weiter gehen und das nächste Mal ganz versinken? Gar nicht auszudenken, wenn das Gleiche mir passiert. Du kannst mich da nicht herausziehen. Was glaubst du, wie schwer du jetzt warst, schließlich konntest du ja nicht großartig mithelfen. Die verlorene Zeit holen wir auf dem Steg wieder ein, dort kommen wir schneller über einen großen Teil des Sumpfs hinweg. Vergiss nicht, dass wir dort außerdem einen größeren Blickwinkel haben.«
»Ich frag mich, warum wir nicht gleich zum Knüppelsteg gefahren sind, wo doch dort eine viel bessere Aussicht übers Moor ist?«
»Stimmt, also dann müssen wir aber jetzt schneller gehen und ich sag den Anderen schon einmal Bescheid.« Hans holte sein Handy aus der Hosentasche und telefonierte mit seinen Kameraden. Decker hielt inzwischen nach einer Abkürzung Ausschau.
»Wenn wir hier entlang gehen, kommen wir sicher zur Lichtung«, schlug Decker vor. Von dort kommen wir auch zu Fuß zum Moorlehrpfad und somit auch zum Knüppeldamm.«
»Okay, probieren wir es einfach«, stimmte Hans zu und sie gingen den sumpfigen Weg weiter. Günter setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Ein kurzer Aufschrei von Günter und plötzlich versank er erneut bis zu den Hüften im Moor. Hans befreite mühselig seinen Freund aus der misslichen Lage.
»Jetzt reicht‘s mir aber! Diesen Weg können wir vergessen, hier ist das Moor zu tückisch«, stellte Günter fest, während er seine Hose vom gröbsten Schlamm befreite.
»Es bleibt uns keine andere Wahl, wir müssen zurück zum Wald und zurück zu unseren Autos. Wir fahren zum Steg, dort können wir bis in die Nachtstunden nach dem Kind Ausschau halten.«
»Okay, lass uns keine Zeit verlieren«, stimmte Hans zu.
Der Rückweg von Günter und Hans gestaltete sich jedoch schwieriger als erwartet. Sie mussten aus Versehen ein paar Meter im Moor abgewichen sein. Immer wieder mussten sie ihren Weg korrigieren, um eine bessere Möglichkeit zu suchen, damit sie vorwärtskamen.
»Himmelherrschaftszeiten noch a mal – wo sind wir vorhin entlang gegangen«, schimpfte Günter laut.
»Das Moor ist so tückisch, gehn ma etwas mehr links weiter«, gab Hans von sich. Sie gingen weiter und hatten damit Erfolg. Günter schlug mit der flachen Hand auf seinen Hals und tötete dabei eine Mücke.
»Was fuchtelst du die ganze Zeit mit den Händen umeinander?«, fragte Hans.
»Weil mich scho wieder so ein Mistvieh erwischt hat! Eine Mückencreme hast du ned dabei, oder?« Hans schüttelte den Kopf.
»Nein aber ein Spray hätt ich dabei«, antwortete er und griff in seine Jackentasche. Günter blieb schlagartig stehen. Entgeistert sah er seinen Freund an.
»Des is jetzt aber ned dein Ernst? Du lässt mich von den Blutsaugern zerstechen und hast ein Spray gegen die Biester in deiner Jackentasche? Hans zuckte mit den Schultern.
»Hättest halt was gsagt!«
»Ein schöner Freund bist du mir!«, brummte Günter vorwurfsvoll. Hans holte das Spray aus der Jackentasche und hielt es Günter hin.
»Die paar Meter brauch ich es jetzt auch nimmer«, murrte Günter. Hans steckte das Spray wieder in die Jacke.
»Sag aber hernach ned, dass ich dir kein Spray geben wollte.«
»Blödmann«, murrte Günter vor sich hin und folgte Hans, der ihm den Weg vorgab. Das Ende des Moores hatten sie erreicht. An ihren Gummistiefeln hingen dicke Moorreste.
»Des is aber ein elender Dreck, der da dran hängt«, stellte Hans fest und versuchte mit einem Stecken den größten Teil vom Moor zu entfernen. Günter wischte sich am hohen Gras auf der Lichtung die Moorreste von den Stiefeln.
»Mich wundert‘s, dass es uns im Sumpf ned die Stiefel ausgezogen hat«, stellte Hans fest.
»Wahrscheinlich, weil der Schlamm in den Stiefeln wie Zement reagiert«, erklärte Günter.
Das Handy von Hans klingelte. Sie blieben stehen und Hans nahm das Gespräch entgegen. Während sein Freund telefonierte, ließ Günter seinen Blick über die Lichtung schweifen.
»Also der Klaus hat gsagt, dass der Sepp Müller sich an der Suche beteiligt, denn die Kleine sei von seiner Frau die Nichte und er geht über den Moorlehrpfad. Den Weg können wir uns dann also sparen.«
Günter warf einen Blick in zum Himmel und sah neue dunkle Wolken drohend näher kommen.
»Stimmt, dann lass uns am Seeufer entlang gehen, vielleicht ist sie ja da irgendwo. Schließlich kann sie sich nicht in Luft auflösen.«
Sie gingen zwischen Schilfgürtel und Wiese entlang, aber von Eva war nichts zu sehen.
»Also langsam mach ich mir Sorgen um die Kleine«, sagte Günter.
Hans nickte. »Ich auch«
Eine Windböe leitete den nächsten Sturm ein und die suchenden Männer gaben erfolglos auf. Die letzten Meter zu ihren Autos peitschte ihnen bereits zusätzlich Regen ins Gesicht.
»Sauwetter!«, schimpften sie gleichzeitig.
Am Feuerwehrhaus trafen nacheinander die suchenden Männer ein, nur Sepp Müller kam nicht.
»Hat sich der Sepp Müller überhaupt an der Suche beteiligt?«, fragte Günter.
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