»Da hinten ist doch nichts – vielleicht ein Waldbrand? … Oder doch, da hinten liegt das Haus von dem Nordlicht und seiner Familie. Das könnte die Richtung sein.«
Während er den Löschzügen der Feuerwehr nachsah, wie sie nacheinander die Straße entlang fuhren, ließ der Platzregen etwas nach. Als sie aus Günters Blickfeld verschwunden waren, widmete er sich wieder seiner Akte.
Die Feuerwehr erreichte inzwischen das Haus der Familie Jansen, das mittlerweile lichterloh brannte. Ein ungutes Gefühl überkam die Männer, als sie keine Personen in der Nähe des Hauses sahen. Sie wussten alle, dass hier eine Familie wohnte.
»Vielleicht waren sie ja nicht daheim«, sprach der Kommandant, um die Hoffnung laut auszusprechen, die jeder der Männer in diesem Moment in sich trug. Sie stiegen schnell, aber mit festem Tritt aus den schweren Löschfahrzeugen aus.
Flink, aber ohne Hektik rollten sie die Schläuche aus und schon nach kürzester Zeit spritzte das Wasser aus vollen Schläuchen in das Feuer.
Die ersten Männer der Rettung machten sich bereit, um in das brennende Haus vorzudringen.
Hans und zwei weitere Männer in Brandschutzkleidung drangen in das Haus ein und trafen sogleich auf die Erste verkohlte Leiche.
»Mein Gott, schau da liegt einer«, stellte Hans entsetzt fest. Vorsichtig gingen sie durch den Korridor zu einer offenstehenden Tür. Der Qualm machte es ihnen schwer, dass sie etwas sehen oder erkennen konnten. Zwischendurch mussten sie mit ihren Feuerlöschgeräten größere Flammen löschen, um ungehindert weiter gehen zu können. In der Mitte des Zimmers stand ein verkohlter runder Tisch, sie leuchteten mit einer Lampe das rauchige Zimmer aus, aber niemand war hier. Als Hans am Tisch vorbeiging, um in das nächste Zimmer vorzudringen, blieb er abrupt stehen und sah zu seinem Kollegen. Hans deutete vor sich auf den Boden. Als Klaus sich näherte, sah er drei weitere verkohlte Leichen vor Hans auf dem Boden liegen. Sie konnten unschwer feststellen, dass es sich dabei auch um zwei Kinder handeln musste. Hans ging weiter in den anschließenden Raum, aber dort gab es keine weiteren Leichen und er sah, dass eines der beiden Fenster geöffnet war.
»Warum sind sie ned aus dem Fenster gestiegen, wenn‘s scho offen war?«, fragte Hans.
»Es schaut so aus, als hätten sie es nimmer erreicht«, vermutete Klaus. Als die anderen Zimmer auch durchforstet waren, verließen sie die Brandruine. Sie gingen zurück zu ihrem Kommandanten, der sie fragend ansah.
»Es gibt vier Tote im Haus, darunter sind zwei Kinder«, sagte Hans.
»Brennt‘s in den Zimmern noch, wo die Toten sind?«
»Nein nicht mehr, den restlichen Brandherd haben wir gelöscht. Wir gehen aber vorsorglich noch einmal hinein.«
»Sind‘s richtig verkohlt?«, fragte der Kommandant. Die Männer nickten. »Übrigens eines der Fenster im Schlafzimmer ist geöffnet. Ich frag mich bloß, wer das aufgemacht hat? Die toten Personen, können‘s ja wohl nicht gewesen sein … also war es schon auf. Dann frag ich mich aber, warum sie nicht durch das Fenster ins Freie sind, falls der Korridor schon brannte?«
Nachdenklich setzten sie ihre Schutzhelme wieder auf und erneuerten ihre Feuerlöschgeräte, dann gingen sie wieder ins Haus zurück.
Der Feuerwehrtrupp hatte das Feuer so gut wie gelöscht. Mehrere Männer stiegen über die Leiter hinauf zum Dach und legten den Dachstuhl frei, um eventuelle Glutnester zu löschen, als von Weitem das Signal eines näherkommenden Streifenwagens ertönte.
Die Polizisten gingen zum Kommandanten.
»Kommt‘s ihr doch noch, bevor wir wieder abziehen«, spöttelte der Komandant, bevor er beide Polizisten über seine Kenntnisse informierte. »Tja, wenn‘s Leichen gibt, dann müssen wir es nach München melden. Da brauch‘n wir einen Gerichtsmediziner und einen Kommissar«, sagte einer der Polizisten.
»Ned von Rosenheim?«, fragte der Komandant und schüttelte dabei den Kopf.
»Die Münchner müssen ran, neue Anordnung«, sagte der junge blonde Polizist und ging zum Streifenwagen, um sich mit dem Kommissariat in Verbindung zu setzen.
»Können wir schon ins Haus?«, fragte ein Polizist mit einer angenehm dunklen Stimme.
»Wartet‘s noch auf die Sicherungsmänner? Die kommen gleich raus. Auf jeden Fall gibt‘s vier Leichen und das Komische daran ist, dass ein Fenster geöffnet ist … das aber keiner benutzt hat, um ins Freie zu kommen, sagte der Komandant.«
Eilig kam der junge Polizist wieder von seinem Streifenwagen zurück.
»Also ich hab mit dem Kommissar Maier in München telefoniert. Der ist anderweitig beschäftigt und kann nicht kommen. Wir sollen zum Günter Decker fahren, Maier telefoniert in der Zwischenzeit mit ihm. Der Spurensicherung und dem Gerichtsmediziner gibt er Bescheid.
Drei Feuerwehrleute kamen aus dem Haus und gingen auf die Polizisten zu.
»Servus, ihr könnt‘s rein, es besteht keine Gefahr mehr. Schützt eure Nase vor den beißenden Geruch. Qualm ist keiner mehr drin, es könnt aber sein, dass euch etwas die Augen brennen, aber da können wir nichts dagegen machen. Übrigens im Korridor liegt der erste Tote und die Anderen liegen im Zimmer nebenan.«
»Ich glaub das schenken wir uns. Wir müssen hernach mit dem Decker sowieso rein«, sagte der blonde Polizist.
»Hast du Decker gsagt?«, fragte Hans von der Feuerwehr.
»Ja, du hast schon richtig verstanden. Der Kommissar Maier aus München kann ned kommen und er meint, nachdem sich der Decker gut auskennt, und auch noch hier wohnt, soll der es übernehmen.«
»Darf der des? Schließlich ist er ja ein Detektiv und kein Kriminaler?«, fragte ein hinzugekommener Kollege.
»Der Günter war bis vor fünf Monaten ein Kriminaler in der Ettstraße.«
»Das hab ich ned gewusst. Warum hat er den Job aufgegeben?«
»Wegen der unregelmäßigen Arbeitszeit und der nicht selten brutal zugerichteten Leichen sagte er.«
»Aha, dann wird er ja jetzt begeistert sein, wenn er zu den verkohlten Leichen muss«, spottete ein Polizist.
»Wer weiß, vielleicht lehnt er ja ab?«, mischte sich der Kommandant ein. »Jetzt fahrt‘s zu ihm hin, nicht das die Ermittler vor ihm da sind, das wäre peinlich – wo er doch praktisch nur ums Eck wohnt.
»Stimmt, das wär‘s«, bestätigten die beiden Polizisten. Sie stiegen in ihr Auto und fuhren zu Decker.
Günter Decker saß immer noch an seinem Schreibtisch und sah genervt auf den Bildschirm seines Computers, als sein Handy läutete.
Er sah am Display, dass es Hermann Maier sein ehemaliger Kollege und Freund war.
»Hermann, servus, was gibt mir die Ehre, dass du anrufst? Ist dir langweilig?« Hermann Maier gab ihm kurz und bündig zu verstehen, was er von ihm erwartete. Günter holte tief Luft als Hermann mit seinem Wunsch fertig war.
»Du weißt aber schon, dass ich eigentlich nichts mehr mit Leichen zutun haben will? Was sagt der Oberboss überhaupt dazu, denn ohne sein Okay, mach ich gar nichts, schließlich will ich dafür auch Kohle sehn.«
»Der steht gerade neben mir, ich geb ihn dir wart.«
»Herr Decker hier ist Stolz, ich würde sie bitten, dass sie den Fall übernehmen, wir haben totalen Personalmangel. Natürlich bekommen sie eine ordentliche Bezahlung dafür, ganz nach ihren Tagessätzen – versteht sich. Herr Decker, sie müssen den Fall aber auch zu Ende bringen, mit oder ohne Mörder … falls es ein Unfall war.«
»Okay, die Rechnung geht dann zu ihren Händen, ich bin aber ned billig und die Unterlagen schicke ich auch an sie, oder?«
»Ja, ja Herr Decker, alles an mich. Danke Herr Decker.«
»So, jetzt weißt du Bescheid, dann viel Spaß bei deinen Ermittlungen. Die Spusi und der Rechtsmediziner sind schon unterwegs. Servus Günter.«
Günter konnte sich gerade noch von Hermann verabschieden, als er den Streifenwagen vor seinem Haus anhalten sah. Günter stand auf und ging vor die Tür. »Servus, was gibt‘s?«
Читать дальше