»Kripo, ist etwas mit Moritz?«
»Wie kommen Sie darauf? Hat Ihr Sohn gelegentlich mit der Polizei zu tun?«
»Natürlich nicht. Aber ich kann mir sonst keinen Grund vorstellen … Ich hoffe, er hatte keinen Unfall.«
»Ihre Mutter ist heute in ihrer Villa tot aufgefunden worden. Man hat sie erschlagen und vollständig ausgeraubt.«
»Ach so, das musste ja früher oder später so kommen«, sagte der dunkelblonde Mann mit schütterem Haar und einem leichten Wohlstandsbauch. »Sie war ja beratungsresistent. Ich habe sie immer gewarnt, ihr Bargeld und den Schmuck zu Hause aufzubewahren. Der Safe ist doch ein Witz. Der hat ja noch nicht einmal einen Zahlencode.«
»Der hätte Ihrer Mutter wohl wenig genützt. So brutal, wie der oder die Täter vorgegangen sind, hätte man den aus ihr herausgelockt. Das Versteck des Safeschlüssels hat sie schließlich auch preisgegeben. Täusche ich mich, oder empfinden Sie nicht gerade Trauer über den Tod Ihrer Mutter?«
»Nein, Sie täuschen sich nicht. Im Grunde genommen war sie eine fremde Frau für mich. Sie hat uns verlassen, als ich gerade zur Schule ging. Mit den Jahren ist die Erinnerung an sie verblasst. Mein jüngerer Bruder hat gar nicht begriffen, was da vor sich ging. Unsere Schwester, die Jüngste, hat sie mitgenommen, musste sie aber später wieder herausgeben, weil unser Vater das alleinige Sorgerecht erhalten hat.«
»Kennen Sie den Grund? Es ist eher ungewöhnlich, dass die Kinder dem Vater zugesprochen werden …«, sagte Heiko.
»Weil sie eine gottverdammte Schlampe war. Eine Barfrau, die bei der Wahl ihrer Liebhaber nicht wählerisch war. Bis sie den Hauptgewinn zog und diesen Jüttner kennenlernte. Der hat sie mit Schmuck behangen und ihr ein sorgloses Leben ermöglicht.«
»Aber später hat dann eine Annäherung zwischen Ihnen stattgefunden? Sie sollen sie hin und wieder in ihrem Haus in Grunewald besucht haben.«
»Ja, Natalie hat mich dazu gedrängt. Immerhin sei sie unsere Mutter, meinte meine Frau. Anfangs schien es, sie habe sich geändert. In gewisser Weise hat sie das sogar. Man sah ihr ihre zweifelhafte Vergangenheit nicht an. Sie machte jetzt auf feine Dame, doch innerlich war sie genauso hartherzig und abgebrüht wie zuvor. Das Milieu wird man eben nicht so leicht los.«
»Ihren Vater und seinen Nachfolger scheint es nicht gestört zu haben«, meinte Valerie.
»Weil Männer mitunter mit dem Schwanz denken.«
»Martin, ich bitte dich«, schrie Natalie auf.
»Die Herrschaften von der Kripo sind ganz andere Töne gewohnt. Aber vielleicht solltest du ihnen etwas anbieten …«
»Danke, nicht nötig«, sagte Valerie.
»Entschuldigend für unseren Vater möchte ich bemerken, dass Elisabeth noch nicht im Rotlichtmilieu arbeitete, als die beiden sich kennenlernten«, sprach Martin Bensch weiter. »Für ihn muss die Veränderung seiner Frau ein Schock gewesen sein. Nun, und dieser Herr Jüttner muss wohl auf dieses Milieu abgefahren sein.«
»Immerhin hat er Ihre Mutter da rausgeholt. Inwiefern empfanden Sie Ihre Mutter als hartherzig?«
»Sie war kalt und gefühllos. Ihre Enkel waren ihr schlichtweg egal. Sie konnte nie eine Beziehung zu ihnen aufbauen und fürchtete nur, von ihnen ausgenutzt zu werden.«
»Haben Ihr Sohn und Ihre Nichte denn irgendwelche Forderungen gestellt?«
»Ach, wie junge Leute eben so sind. Wenn sie Geld brauchten oder sich einen Wunsch erfüllen wollten, gingen sie zuerst zu ihrer Großmutter. Das ist doch ganz normal. Elisabeth hatte ja genug. So viel, dass sie es gar nicht aufbrauchen konnte. Aber Moritz und Yvonne haben bei ihr auf Granit gebissen. Entsprechend unterkühlt war das Verhältnis.«
»Lebt Ihr Sohn noch bei Ihnen?«
»Nein, er hat eine eigene Wohnung, ebenso wie Yvonne, die Tochter meines Bruders. Schließlich sind die beiden schon über zwanzig. Aber ich würde jetzt gerne meinen Bruder und meine Schwester anrufen.«
»Das ist eine gute Idee. Vielleicht können sie alle herkommen? Dann müssen wir sie nicht einzeln aufsuchen. Das gilt auch für Ihren Sohn und seine Cousine.«
»Ja, ich kann es ihnen vorschlagen, aber ob sie Zeit haben?«
»Wenn wir sie ins Präsidium bestellen, müssten sie sich auch die Zeit nehmen …«
»Sie glauben aber nicht, dass jemand aus unserer Familie Elisabeth umgebracht hat?«
»Zunächst können wir das leider nicht ausschließen. Es gibt keine Einbruchsspuren am Haus Ihrer Mutter. Und der oder die Täter müssen sich dort ausgekannt haben.«
»Also, das ist doch ... Ich bin finanziell so gestellt, dass ich auf das Vermögen meiner Mutter nicht angewiesen bin. Und das gilt auch für meine Geschwister und die Kinder. Keiner wäre außerdem in der Lage eine solche Tat zu begehen.«
»Das wird sich zeigen. Wo waren Sie gestern in den späten Abendstunden?«
»Hier zu Hause, natürlich. Meine Frau kann das bestätigen.«
»Nichts anderes habe ich erwartet. Würden Sie dann bitte die Familie zusammenrufen?«
Bolle wollte endlich Gewissheit haben, ob die Geldscheine, die sie erbeutet hatten, registrierte Nummern aufwiesen. Dabei hatte er keine Hemmungen, seine alte Mutter für seine Zwecke einzuspannen.
»Muttern, du musst ma `nen Gefallen tun. Soll sich für dich ooch lohnen. Ick hab hier drei Fünfhunderter. Zwee wechselste in deiner Bank in kleene Scheine ein, den dritten kannste behalten.«
»Wo hast du denn das Geld her, Chris?«
»Sach Bolle zu mir. Wie alle anderen ooch.«
»Zwing mich nicht dazu. Ich habe deinen Spitznamen schon gehasst, als du noch ein Kind warst. Nur weil wir arm waren, und dich nicht immer wie aus dem Ei gepellt einkleiden konnten … Kinder können so grausam sein.«
»Dit is Jahrzehnte her, Mutta …«
»Eben, aber du lässt dich noch immer so rufen. Also, was ist mit dem Geld. Du hast doch nicht etwa Dummheiten gemacht, Junge?«, fragte Olga.
»Ach wat, ick hab `n paar technische Geräte uff’m Flohmarkt vakooft, die die Mieter nach und nach innen Hausflur jestellt ha’m. Eener hat mir gleich über de Hälfte abjenommen. Muss wohl`n Händler jewesen sein, der sie weiterverticken wollte. Aber jetzte sind ma Zweifel jekommen, ob der Kerl mir nich’ Blüten anjedreht hat.«
»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, wenn ich das mache«, sagte Olga. »Was ist, wenn es sich wirklich um Falschgeld handelt und sie mich festhalten?«
»Doch, grade du als olle Frau bist unverdächtig. Und wenn et wirklich Blüten sind, sachste, die hat dir jemand uff’m Markt anjedreht. Kannst ruhig `n bisken schauspielern und uff de Tränendrüsen drücken. Nach dem Motto: Nu is die Ware wech und det Jeld is nur Makulatur. Mit `ne olle Frau kann man`s ja machen … Aber dazu wird et wahrscheinlich jar nich’ kommen. Wirst sehen. Und wenn allet jut jejangen is, erfüllste dir `nen kleenen Wunsch. Villeicht `ne Pelzmütze, oder mach doch `ne kleene Reise in de Sonne. Det hab’ ick ooch vor.«
»Dann können wir doch zusammen fahren … Oder schämst du dich mit mir?«
»Quatsch keenen Unsinn. Aba ick will mit meene Kumpels zum Saufen nach Mallorca. Dit is doch nischt für dich. Alleene der Flug … Oder mach eene von diese Kaffeefahrten. Da haste Jesellschaft. Aba lass dir keenen teuren Schrott andrehen.«
»Du hast Recht. Der Schwarzwald oder Bayern wären mir ohnehin lieber. Aber nicht nur für einen Tag. Das ist mir zu anstrengend. Eine Woche sollte es schon mindestens sein.«
»Na, siehste. Denn machste dit. Schließ dich doch so`ner Seniorengruppe an. Da haste ooch Jesellschaft. Aba jetzt jeh’ erst ma los. Desto eher biste zurück.«
»Ja, ich mach ja schon. Aber tu mir den Gefallen und Berliner nicht do fürchterlich. Du bist doch kein Prolet.«
»Nu lass mir doch. Kann jeder ruhich wissen, wo ick herstamme.«
Nach einer Stunde kam Olga lächelnd wieder und überreichte ihrem Sohn die kleinen Scheine.
Читать дальше