Mario Bial
Weihnachten muss sterben
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Inhaltsverzeichnis
Titel Mario Bial Weihnachten muss sterben Dieses ebook wurde erstellt bei
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Impressum neobooks
Ich sitze am Tresen in Erwins Butterblume, ein Bier in der einen, eine Zigarre in der anderen Hand und ringe mit mir, ob ich mir noch einen genehmigen soll. Es ist eine schwierige Entscheidung, denn in meiner Wohnung über der Kneipe wartet ein Kühlschrank voller Tiefkühlpizza und Dosenbier auf mich. Der Inhalt meines Kühlschranks verrät jedem sofort Single, alter Jungfer vom anderen Geschlecht ungeliebt und ungewollt. Die zwölf Tiefkühlpizzen Champignon und Thunfisch bedeuten übersetzt so isst ein Verstoßener einsamer Mensch, der nicht kochen kann. So sieht dein Frühstück aus, wenn du Single bist und einsam, wie der hallesche Komet durch das Weltall rast. Ich fühle mich im Moment wie ein hässlicher Opel Manta, der verschämt in der Garage steht Öl verliert und rostet und von der Autobahn träumt. So lebt der neununddreißig Jahre alte Theo Thomschek. Ich lege einen Zwanziger auf den Tresen und Erwin der Wirt dreht ihn ein paar Mal um und hält ihn gegen das Licht.
»Soll ich den wieder mitnehmen, Erwin?«, frag ich.
»Naja Alter man kommt sich nur so herzlos vor von so einer armen Sau wie dir Geld zu nehmen!«, sagt Erwin und gibt mir das Geld zurück.
»Keine Arbeit, Theo?«
»Das Geschäft läuft nicht besonders. Du weißt ja, warum.«
»Der Dezember der verdammte Weihnachtsstillstand und weil du bei deinem Aussehen keine Chance bekommst, auf die Besetzungscouch zu hüpfen.«
Ich nicke. Vor ein paar Jahren hat sich Anzahl der Film Produktionen in der Stadt zwar mehr als verdreifacht aber es ist Schrott die keine Dicken wollen. Außer als spaßiger Dirk Bach Typ. Man klebt im Augenblick auf irgendeiner ästhetischen Schiene, nicht was die Drehbücher betrifft die sind Schrott, was das Aussehen der Schauspieler betrifft. Man muss halt die Zähne zusammenbeißen und ausharren, irgendwann wird das werberelevante Zielpublikum auch älter und man dreht wieder andre Dinge als Werbung für iPods und Aknecreme.
»Die Stadt sollte sich schämen nach allem was ich für sie getan habe!«
Vor sechs Jahren stand ich in der Bildzeitung, weil ich einen Hund im Hochsommer aus einem Auto befreit habe. Der Welpe hechelte als würde er gleich am Hitzeschock sterben, Sauerei, was manche Menschen für eine Einstellung gegenüber ihren Haustieren haben. Die Frau der der Porsche gehörte, deren Seitenfenster ich eingeschlagen hatte, um den Welpen zu retten, nicht, die war noch keine drei Minuten in einer Ku-Damm Boutique um was abzuholen. Eines ist ganz klar, egal wer das Sagen hat in dieser verdammten Stadt wird ein ehrlicher guter Schauspieler mit fundierter Ausbildung an einer der besten Akademien der Welt ruiniert und die Reichen und Korrupten auf meine Kosten verwöhnt.
»Die Geschäftslage ist wirklich mehr als mau. Bei mir zum Glück nicht, Kneipen gehen immer in Zeiten der Krise«, sagt Erwin.
»Das stimmt der Mensch sucht das Vergessen. Eine lange Zeit ohne Engagement ist tödlich für den Ruf eines Schauspielers. Naja außer, er schreibt seinen Erziehungsberater für Väter im Erziehungsjahr und kümmert sich um seine Patchwork Familie.«
Allmählich bedauere ich, dass ich meinen Deutschlehrer nicht auf der Stelle umgebracht habe, als er zum ersten Mal gesagt hat, Theo du bist ein Vollblut Schauspieler. Ich geh nach oben, in das verkehrsgünstig gelegene City Appartment, ein anderes Wort für Bude im Innenstadt Slum und hole mir ein Bier und werfe mich vor den Computer zu meiner Dragontime. Die letzten Wochen habe ich damit zugebracht, lautstark einen Text zu Lernen und in den nichtssagenden Worten etwas Tiefe zu entdecken. Selbst für mich einen professionellen Schauspieler war es schwierig, damit etwas anderes auszudrücken als eine egoistische Absicht. Es kostete mich viele Stunden vor dem Flurspiegel, dem Ganzen etwas mehr zu geben. Und das im wärmsten Dezember seit Aufzeichnung der Wetterperioden. Englische Pfarrer fingen damit an, ich nehme an aus purer Langeweile. Vergangenen Mittwoch hatte ich ein Vorsprechen für die Rolle eines Hundebesitzers im besten Alter, meine Agentur meinte ich sei zu Alt dazu und sehe nicht, wie der Typ aus, den die Werbeagentur suche. Ich heulte so lange, wie dreckig es mir geht. Das sich zur Weihnachtszeit die meisten Selbstmörder entscheiden diesen wichtigen Schritt doch noch im alten Jahr zu tun. Dass die Welt ohne mich besser dran sei, dabei schielte ich immer zum Fenster, (12 Etagen bis zum Aufprall) bis ich den Termin bekam. Die Sekretärin rückte mit der Anschrift und den Termin heraus. Sie war genervt von ihrem eigenen Mitgefühl und sagte: »Die Hässlichkeit soll nur die Schönheit betonen Herr Tomscheck. Das Normale ist nur ein Akzent in ihrer Branche, deshalb spielen auch schöne Menschen die Hässlichen, schon mal an eine Umschulung oder ABM Maßnahme gedacht?« Die schwerreiche Hundefutter Industrie suchte nach einem dynamischen Typen vom mittleren Management, was kam an? Ein Typ mit hungrigen Augen, der so aussah als würde er dem reinrassigen Setter sein Champion de luxe mit Hühnchen Provence wegessen. Das Vorsprechen lief gar nicht so schlecht. Der Regisseur und der Kerl von der Pferdeschlachterei die das Hundefutter produzieren sahen mich ungläubig an, nachdem ich geendet hatte, wie auf LSD in die Kamera zu grinsen. Ein Werbekind, blond und adrett weint und zittert in meine Richtung.
»Mutti der Mann macht mir Angst.«
Die Mutter die so viel Hoffnung in ihr kleines blondes Pausbäckchen setzt scheint ärgerlich.
»Pssst halt die Gusche es geht um unsere Karriere!«
Ich rufe mit meinem breitesten Lächeln meinen Text in die Kameras. Aber vielleicht hat mich das weinende Kind etwas in der Konzentration gestört. Diese kleinen Heulsusen sind eben keine Profis und sollten erst einmal die Vorschule beenden.
»Seit mein bester Kumpel in der Welt Champion de luxe mit echten Provence Hühnerfleisch bekommt, ist er soooo glücklich.«
Ich sehe mit großen runden Augen den Regisseur, einen 18 jährigen vollbärtigen Studenten der Filmhochschule Babelsberg an und flüsterte, mit bittend gefalteten Händen.
»Ich brauche diesen Job wirklich dringend, es ist wegen der Krankenhausrechnungen meiner Kinder!«
Er nickt und sagt: »Mal was anderes.«
Er klang als sei ihm eben klar geworden, was er den Rest seines Lebens machen würde, Werbung. Ganz ehrlich ich brauche den Job, wie ein Sportler den Werbevertrag mit Nike. Ein Basketballer von Alba lange Arme und eine gegen die Wand gesetzte Karriere in der NBA. Brauche die Kohle wie ein Junky seinen Schuss Heroin. Man braucht Geld, um in diesem verdammten System zu funktionieren, um zu konsumieren, damit man funktioniert, ein Kreislauf eben, wie Erwin der Wirt mit nachdenklicher Stimme formulieren würde. Er ist ein Kreislauftyp der sämtliche Erkrankungen der Welt mit einer einfachen kreisförmigen Handbewegung erklärt. Womit wir bei meiner Erkenntnis des Vorsprechens sind, dass es übergewichtige mittelalte Schauspieler schwer haben die Rollen aktiver Hundebesitzer zu bekommen. Nach dem Vorsprechen gehorche ich dem Diktat der Schauspieler Innung und zünde mir in einer Kneipe die obligatorische Zigarre an. Der Werbespot sollte in Sylt gedreht werden, schade ich habe ewig keinen Urlaub gemacht. Ein blonder Lockenkopf mit Grübchen mit hoch gerollten Jackettärmeln und auf alle Fälle barfuß rennt über den Strand, so sah das die Tierabfallindustrie, die
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