Ich war etwas verblüfft, warum wollte sie nicht am Telefon reden? »Glauben Sie etwa, ihr Telefon, wird abgehört?«, scherze ich.
»Wir sollten nach den Spielregeln vorgehen nicht wahr, Herr Tomscheck?«
Ich war verwirrt. Seit meinen letzten Jobs hatte irgendetwas die Werbebranche ganz schön durcheinander gerüttelt, lag vielleicht am elften September und dem Krieg gegen den Terrorismus und der Al Quaida? Oder die Ideenlosigkeit der Werbeagenturen war so groß, dass sie sich gegenseitig mit Wirtschaftsspionage verfolgten, um sich die Ideen zu klauen. Wer wusste schon was hinter den Kulisse der Hundefutterindustrie los war, mit welch harten Bandagen gekämpft wurde. »Marios hört sich echt Siebziger an, meinen Sie das am ...« Sie ließ mich nicht ausreden.
»Am Potsdamer Platz in einer Stunde.« Erteilte sie mir schon jetzt Befehle.
»Ja aber wie er ...« Sie fiel mir ins Wort, ich begann, die Castingdirektorin zu hassen.
»Ich erkenne Sie Herr Tomscheck ihr Vater gab mir ein Foto.«
Sie legte auf und ich war noch etwas mehr verwirrt, seit wann hatte Vater Kontakte zu Werbeindustrie? Konnte es sein das er beim Spielen mit seinem Flugzeug? Egal ich sprang auf rannte unter die Dusche und zog mir den blauen Anzug an, dessen Hosenbeine etwas zu kurz waren und steckte das Geld, das Tommy mir geliehen hatte in die Tasche und eilte los. Bis zum Potsdamer Platz war es nicht weit und ich radelte vom Glück high selbstmörderisch durch den abendlichen Innenstadtverkehr. Der Gedanke an das Starten meiner Karriere als Werbeikone und Hundefutter Superstar erregte mich. Die Zeit verging mit nervenzermürbender Langsamkeit. Ich war eine halbe Stunde zu früh im, mit gut gelaunten Yuppies vollgestopften, Marios. Ein Typ, der Kevin heißen soll, sitzt mit seiner gut gelaunten Bande neben mir. Er trägt einen Pferdeschwanz, Anzug und polierte Slipper und schwarze Socken und erinnert mich an den jungen Lagerfeld. Nur fächert er sich Luft nicht mit einem Fächer ins Gesicht, sondern mit der manikürten Hand. Ich sehe mich um, alle sehen so oder so ähnlich aus. Ich suche das Schild, das mich darüber aufklärt, dass ich in einen Doppelgänger Abend gerauscht bin. Alle Pferdeschwanz Typen nicken sich ausgelassen zu und strahlen mit den Designerleuchten an der Decke um die Wette. Die Welt grinst übers ganze Gesicht. Die könnten fast alle in Zahnweiß Werbung auftreten. Von den Nebentischen fliegen Worte wie Projekte, Versace und Anteilseigner und lullten mich ein. Das sind also die jungen Menschen, die für das Dilemma meiner Zeit verantwortlich sind. „Ein Kreislauf eben“, würde Erwin sagen, aber ich würde als verdeutlichende Geste den gestreckten Mittelfinger nehmen. Ich bin entsetzt und neidisch und lausche den Gesprächen, die in einer anderen Art von Deutsch geführt werden. Satzfetzen wie negativ korrigierte Gewinnprognose, Merchandising und Produktidentität fesseln mich, bis sie durch die Drehtür kommt. Es ist ein außerordentliches Gefühl, einen Menschen zu sehen, den man lange Zeit nicht gesehen hatte und doch sofort wusste, dass es nur die eine Person sein konnte. Langsam dämmerte mir, inwieweit mein Vater in die Sache verwickelt war. Herr Wu war ein chinesische
chinesischer Flüchtling der 1970 in meiner Heimatstadt Aargau am Lech einen Eisenwarenladen eröffnet hatte. Herr Wu war Atomphysiker und hatte keine Ahnung von Rohren und Schindeln und Bohrmaschinen aber Startkapital vom BND für eine neue Existenz. Es war der Laden, in den mein Vater jeden Freitag ging und Beide verbrachten Stunden in den Katalogen blätternd, die Bierflaschen auf dem Ladentisch, damals gab es noch keine Computer, auf der Suche nach ...
»Dem Ding so eine Art Schere aber für Stahl und so, Sie verstehen Herr Wu ich muss ein Loch in die Blechtür meiner eigenen Garage schneiden, der Hund braucht eine Hundeklappe.«
»Garagenschneider vielleicht?«
»Ich bin mir nicht sicher Herr Wu, eventuell wird es anders genannt.«
»Ach diese schwere deutsche Sprache! Warum frage ich Sie kann man nicht den Blechgaragentorschneider nach seiner Funktion benennen oder? Ich meine eine Zentrifuge nennt sich so, weil sie zentrifugiert, nicht wahr?«
»Sie haben recht Herr Wu, Schneider-Blechschneider sollte es heißen!«
»Genau Herr Thomschek, meine Meinung! Warum so kompliziert? Vielleicht gibt es im Bosch Bestellkatalog einen Blechgaragentorschneider.«
Aus solchen stundenlangen Gesprächen entstand eine Männerfreundschaft, die bis zum heutigen Tag ungebrochen ist. Sophia Wu war die Tochter von Papas besten Freund und die Direktorin der Schadensabteilung der Marburger Versicherung. Als Sophia durch die Drehtür kam und sich hochmütig in der Bar umsah und mein Foto wegsteckte und zu meinem Tisch lief, erschien mir die Enttäuschung unwirklich. Ein tiefer Fall von den Höhen des Werbeolymp zu dem Menschen, der es fertigbrachte, mich als Teenager mit Worten zum Heulen zu bringen. Sie trug Schwarz schon als kleines Kind bevorzugte sie schwarz als die einzige Farbe, die ihrer Seele schmeichelt. Sie schnippte im Laufen mit dem Finger und zwei Kellner ließen alles stehen und liegen und eilten zu ihr. Sie bestellte für mich ein Bier, und zwar mit Mitleid und für sich den Aperitif. »Herr Tomscheck Sie haben sich etwas gehen lassen!«, sagte sie.
Dann knallte das Foto auf den Tisch, dass ihr Papa gegeben hatte. Ein schmerzhafter Anblick das Polaroidfoto von vor 15 Jahren. Ein schlanker schwarz gelockter Mann sah mich an, was hatte ich für eine Figur ich sah aus wie ein junger Costa Cordalis nur ohne seine Musik. Wir unterhielten uns eine Minute gekünstelt über Aargau am Lech, der Fritzek war Tot und der Park wo wir uns immer zum Spielen getroffen hatten sollte einem Gewerbepark weichen. Ich drückte ihr mein Beileid aus, bestimmt kannte sie den alten Fritzek den reichsten Mann von Aargau. Sophie Wu sagte ruhig, Fritzek sei zu plötzlich gestorben.
»Ich nehme nicht an, du bist gekommen um mich wiederzusehen du siehst übrigens recht passabel aus.«
Sie sah umwerfend aus und die beiden Kellner die sich prügelten um sie zu bedienen hinterließen eine Sabberspur von der Küche bis zu unserem Tisch.
»Mach dich nicht lächerlich.«
Und nach einer Pause sagte sie leise.
»Es ist wegen des Todes von Fritzek.«
»Wieso? Hat er mir was hinterlassen …«
Sie lächelte oberflächlich und meinte nur Nein natürlich nicht. Ich setzte mein Bierglas ab und zuckte mit den Schultern.
»Was ist dann?«
»Es ist ganz einfach sein Tod. Wir glauben, er ist ermordet worden.«
Ich starrte sie an, sie war der Mensch, den man lange Jahre nicht gesehen hatte und von dem man feststellt das Leben hatte ihn paranoid gemacht.
»Wie kommst du auf so was ich meine wir reden vom alten Fritzek wie bist du denn drauf?«
Sie ignorierte meinen fragenden Blick, ein Blick, der aussagt, bist du noch gefährlich.
»Unser Arzt brachte mich darauf«, erklärte sie.
»Unser Arzt?«
»Herr Fritzek war mit einer Summe von fünf Millionen Euro versichert. Bei dieser hohen Summe überprüft unser fähigster Gerichtsmediziner die Leiche sehr gründlich. Wenn Fritzek etwas nicht war, dann ein Mensch, der sein Ableben plante. Niemals hätte er eine so hohe Versicherung mit diesen hohen Raten abgeschlossen. Er war ein Griesgram, der die Menschheit nicht besonders mochte. Wozu wollte er sein Leben mit dieser hohen Summe versichern fragen wir uns und dann gleich nach der Anwartschaftszeit sterben?«
Sie sah mich an. Was sollte man auf so eine Frage antworten, nein sterben ist nicht besonders schön?
»Das ist nicht besonders schön, ich meine bis auf die Kohle wer immer die bekommt aber was habe ich damit zu tun?«
Sie kam meinen nächsten Worten zuvor.
»Theodor Tomscheck ich will, dass du im Auftrag der Versicherung eine Rolle spielst. Wir brauchen, einen guten und verschwiegenen Profi, der den Part des Außendienstmitarbeiters mimt. Du bist Schauspieler glaubst du Theodor du könntest einen Detektiv spielen, damit wir in Ruhe ermitteln lassen können. Also du bist einer unserer besten Versicherungsdetektive und nach Hause gekommen, um den Mörder zu entlarven. Wir haben es so gedreht das jeder Glaubt du bist ein erfolgreicher internationaler Versicherungsdetektiv für unsere Marburger Versicherung die zum Galaxy Mutterkonzern gehört. Dein auffälliges Herumschnüffeln, für das du sehr gut bezahlt wirst, wird den oder die Täter von unserem echten Schadensfallermittler ablenken. Wir erhoffen uns von deinem Herumstochern im Wespennest, das es den Versicherungsmanipulator aus seinem Versteck treiben wird.«
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