„Juhu, die Stripperinnen sind da!“, tönte es ihr entgegen.
„ Auch das noch. Bleibt mir denn heute wirklich gar nichts erspart?“
Die erste Tänzerin, eine resolut wirkende Rothaarige, mit einer Augenblende begann sich hin und her zu schlängeln, während sie sich einiger unnötiger Kleidungsstücke entledigte. Als sie fast nackt war, setzte sie sich auf den Schoss eines männlichen Gastes und leckte an seinem Ohrläppchen. Während sie mit dem Po wackelte, zwang sie den Kopf des betrunkenen Mannes zwischen ihre Brüste, bog ihren Rücken durch und sprang nach hinten weg. Eine vollbusige Blondine wiederholte den gesamten Vorgang, beugte sich allerdings dabei soweit vor, dass ihre Brüste über sein Gesicht strichen. Der Mann versuchte nach ihnen zu grabschen, war aber viel zu voll um einen Treffer zu landen. Also versuchte er es erneut, grölte etwas in die Menge und schnalzte mit der Zunge. An dieser Stelle brachte der Gastgeber jeder Tänzerin ein Glas Fruchtbowle, die sie rhythmisch wackelnd in sich hinein kippten.
„ Großer Gott! Brauchen Männer wirklich so etwas?“ fragte sich Diana. Vorsichtig drängte sie sich an der Meute vorbei, ging auf die Haustür zu und wurde prompt wieder aufgehalten. Diesmal vom Hausherrn persönlich, der ihr gefolgt war und sie nun zurück ins Haus bugsierte.
„Du willst doch nicht etwa schon gehen, hübsches Kätzchen?“, fragte er ohne eine Spur betrunken zu wirken.
„Deine Party ist wirklich wunderbar, aber ich muss leider…“
„…etwas trinken“, sagte er schnell, hielt ein Kristallglas in den Springbrunnen und stieß ihn ihr entgegen, sodass etwas Flüssiges auf ihre Corsage schwappte. Er hielt sein eigenes Glas hoch, prostete ihr zu und trank es dann in einem Zug leer. Zu ihrem Glück bescherte ihm das Getränk einen Hustenanfall und es gelang Diana, sich abzusetzen, als er sich zusammenkrümmte und nach Luft schnappte.
Sie ging nach draußen, warf die lächerliche Katzen-Maske in einen Müllcontainer und lief über die Straße. Zunächst wollte sie noch ein Stück zu Fuß gehen, um sich dann ein Taxi zurufen. Der ganze Abend kam ihr wie eine Niederlage vor. Erst als sie sich etwas entfernt hatte und die Musik zu einem leisen Surren verklungen war, wurde ihr bewusst, dass es bereits später war, als wie sie es zunächst angenommen hatte. Sie blickte sich um, aber No Way! Eine Rückkehr kam für sie nicht infrage.
Also stöckelte sie weiter die Zufahrtsstraße entlang in Richtung Zentrum. Plötzlich flatterte etwas über ihren Kopf hinweg. Sie blickte hoch und sah einen Schwarm schwarzer Vögel in den Himmel steigen. „ Brr…, grausig!“
Ihre Schritte auf dem Asphalt kamen ihr ungewöhnlich laut vor. Mit ihren hohen Absätzen musste sie aufpassen, wohin sie trat. Schon kam die erste Häuserreihe in ihr Blickfeld. Die Häuser standen ein Stück versetzt zur Straße. Nur hier und da brannte Licht. Ein Wagen kam mit quietschenden Reifen auf sie zu gesaust. Diana zuckte zusammen. Sie konnte sich gerade noch an einem Laternenmast festhalten. Die jungen Typen in dem vollbesetzten Wagen grölten ihr durch die geöffnete Fensterscheibe etwas zu. Dann spurtete der Wagen davon. Sie war wieder allein.
Und wieder schallte nur das Klacken ihrer Absätze durch die Nacht. Sie hatte noch eine kleine Strecke vor sich. Vielleicht wäre es besser, doch gleich über das Handy ein Taxi zu rufen? Das Geräusch eines weiteren Wagens ließ sie aufhorchen. Dieser fuhr deutlich langsamer. Diana drehte sich um und sah das Licht zweier Scheinwerfer auf sich zukommen. Ich gehe einfach weiter , dachte sie, beschleunigte ihre Schritte und ignorierte den Schmerz ihrer Füße in den neuen Schuhen. Eine dunkle Limousine fuhr langsam an ihr vorbei. Sie versuchte, möglichst unauffällig hineinzuschauen, konnte jedoch den Fahrer nicht erkennen. Jetzt bremste er an dem Stoppschild weiter vorne. Diana konnte die Bremslichter sehen, doch der Wagen blieb stehen. „ Verdammt! Warum biegt er nicht ab ?“ Sie spürte, wie sich ihre Muskeln vor Angst verkrampften. „ Nun fahr schon endlich weiter, du Idiot.“ Ob der Fahrer sie beobachtete?
„Das Handy…!“ Natürlich, sie hatte es ganz vergessen. Als sie es aus ihrer Handtasche hervor zerrte, wurde das Motorengeräusch lauter und der Wagen bog um die Kurve und verschwand.
Sie blickte hinter ihm her und kam sich irgendwie selten dämlich vor. „Jetzt leide ich schon unter Halluzinationen“, murmelte sie zu sich selbst, behielt aber das Handy fest in ihrer Hand. Sie ging schneller und überquerte die Straße. Genau dort, wo der Wagen zuvor angehalten hatte. Ihre Füße brannten, doch sie drosselte ihr Tempo nicht. Auf der linken Straßenseite lag das neue Einkaufszentrum mit Filialen von Lidl und Aldi. Tagsüber tummelte sich hier das wahre Leben, jetzt jedoch lag alles verlassen da. Sie fröstelte. Endlich nahm sie das Handy hervor und wählte die Nummer der Taxizentrale. Nichts rührte sich .
„ Ein Funkloch! So ein Mist !“ Sie musste noch etwas weiter gehen. Jetzt beschlich sie wieder das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie ging noch schneller. Am Rande des Einkaufzentrums war niemand, bloß ein Wagen. „ Komisch, der ist mir zuvor noch gar nicht aufgefallen. Großer Gott, ist das etwa derselbe Wagen von vorhin?“
Diana rannte los. Der Wagen kam näher. Mit der linken Hand wählte sie den Notruf und hielt sich das Handy ans Ohr. „Verdammt, immer noch nichts!“ Da war kein Piepton, kein Freizeichen, nichts. Das Display zeigte Netzsuche an. Jetzt war der Wagen auf ihrer Höhe und fuhr langsam neben ihr her. Der Fahrer spielte ganz offensichtlich mit ihrer Angst. Sie hielt sich das Handy ans Ohr und tat so, als ob sie telefonierte. Da beschleunigte der Wagen und verschwand in der Dunkelheit vor ihr. „Nur noch ein kleines Stück weiter ! Hinter dem Einkaufszentrum bauen sie ein paar hohe Gebäude. Wenn ich daran vorbei bin, bekomme ich bestimmt wieder eine Verbindung.“
Das Licht der Straßenlaterne flackerte. Irgendetwas stimmte nicht mit der Birne. Sie ging immer an und aus. Als sie an der Baustelle vorbei war, piepste plötzlich ihr Handy. Endlich hatte der Apparat ein Netz gefunden. Erleichtert wollte sie die Nummer der Taxizentrale wählen, als sich wie aus dem Nichts, eine Hand um ihr Handgelenk schloss. Es schmerzte. Sie öffnete ihre Hand und das Handy fiel zu Boden. Diana kam nicht einmal mehr zu einem einzigen Schrei, da sich die andere Hand des Unbekannten mit einem stinkenden Etwas darin bereits fest auf ihr Gesicht gepresst hatte. Alles um sie herum drehte sich, ihr wurde schwarz vor Augen. Sie verlor das Bewusstsein und bekam nicht mehr mit, wie der Unbekannte sie auffing, zur Beifahrertür seines Wagens schleppte, hineinzerrte und anschnallte. Genauso wenig merkte sie, wie er den Anlasser betätigte, den Motor startete und losfuhr.
Polizeihauptkommissar Gereon schlug ärgerlich mit der Faust auf seinen Schreibtisch. Ich möchte mal gerne wissen, wann du endlich in die Gänge kommst? Vor fast zwei Stunden ist die Meldung eingegangen, dass am Fühlinger See ein Kanu kopfüber im Wasser treibt, aber weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist. Kümmere dich endlich darum!“
Polizeihauptwachtmeisterin Julia Brück versuchte cool zu bleiben. Wenn Gereon einmal in Rage kam, dann ließ man ihn am besten reden. Außerdem schrieb sie gerade an einem Bericht, den sie lange vor sich hergeschoben hatte, und endlich zu Ende bringen wollte. Sie hasste Papierkram.
„Bin gleich fertig, Chef und dann fahre ich mit Klaus hinaus nach Fühlingen und checke die Lage.“
„ Schön - das ist ja auch dein Job! Wir können doch nicht seelenruhig zuschauen, wie Bürger aus unserer Stadt verschwinden. Kriminalrat Sengel und der neue Staatsanwalt machen mir die Hölle heiß. Wir müssen jeder verdammten Meldung nachgehen, auch wenn es sich nur um ein umgekipptes Boot handelt. Ansonsten steht morgen wieder im Express, die Polizei würde nichts unternehmen.“
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