„Was haben wir denn da für ein hübsches Kätzchen?“, begrüßte sie eine angenehm männliche Stimme. Diana drehte sich um und blickte in eine Dobermann-Maske. Sie gehörte zu ihrem Gastgeber. Zum Dank für das Kompliment machte sie einen Knicks. Dabei öffnete sie gleichzeitig ihren Mantel.
„Ich hoffe, das hier wird dir noch besser gefallen“, erwiderte sie und lächelte kokett. Der Gastgeber nahm ihr den Mantel ab. Darunter trug sie einen schwarzen, Minirock und eine hautenge Corsage, die ihre Figur besonders hervorhob. Rote High Heels setzten dem Ganzen noch einen drauf.
„Freut mich sehr, dass Du kommen konntest, du siehst zum anbeißen aus“, sagte ihr Gastgeber, nahm sie bei der Hand und führte sie mit sich fort.
Die Party war bereits seit ein paar Stunden im Gange. Die Gäste tanzten, tranken und flirteten, was das Zeug hielt. Diana bemerkte, wie sich Pärchen bildeten. Auf einem Sofa verführten zwei maskierte Herren eine Dame, die eine venezianische Augenmaske trug. Ein weiterer Typ filmte die ganze Aktion. Hinter dem Wohnzimmer befand sich der berühmte Springbrunnen. Diana konnte sich noch sehr gut an seinen Inhalt erinnern: Fruchtbowle mit Zusätzen. Bei ihrem Besuch im letzten Jahr hatte sie einen Schluck davon getrunken, sich dann aber dazu entschlossen, doch besser beim Mineralwasser zu bleiben. Eines ihrer Prinzipien lautete : Immer schön nüchtern bleiben. Dann weißt du auch, was du tust. Damals hatte sich die Party prächtig entwickelt. Vor allem, als sie Guido kennenlernte, einen sehr angenehmen Zeitgenossen. Er war großzügig und zuvorkommend gewesen und sie hatte den Rest der Nacht mit ihm in einem Hotel verbracht. Viel von ihm hatte sie allerdings nicht in Erfahrung bringen können, nur das er verheiratet war. Danach hatten sie sich noch ein paar Mal getroffen, aber dann war die ganze Sache irgendwie eingeschlafen. Wie oftmals war es nur eine Bettgeschichte gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Seitdem hatte es kein Fest mehr in dieser Größenordnung gegeben. Doch die Mund zu Mund Propaganda funktionierte bestens und nun hatte sich wieder eine frivole Menge zusammengefunden, um eine ausschweifende Party zu feiern.
„Hoffentlich lerne ich wieder einen zahlungskräftigen Mann kennen, so wie diesen Guido im vergangenen Jahr“, dachte sie, während sie durch das Haus spazierte.
Der Gastgeber hatte überall Bildschirme aufgestellt, auf denen schmutzige Filme liefen, selbst draußen auf der Terrasse. Und selbstverständlich war auch der Fruchtbowlen-Springbrunnen wieder im Einsatz. Diana schaute sich um. Die meisten der Gäste standen bereits unter Alkoholeinfluss. Um eine gewisse Anonymität zu bewahren, trugen sie Masken. Dahinter konnte man sich so wunderschön verstecken, wenn man die Sau raus lassen wollte. Sie beobachtete das Verhalten der Party-Gäste. Manch einer befand sich bereits im fortgeschrittenen Stadium. Ein Kerl mit einer Piratenmaske starrte sie an. Diana ging schnell in ein anderes Zimmer, doch er schlich ihr nach und schnitt ihr den Weg ab. Er stand so dicht vor ihr, dass sie durch die Augenschlitze der Maske seine Augen sehen konnte. Sie waren hellblau und eiskalt.
Ihr fröstelte. Schnell drehte sie sich um und hielt Ausschau nach jemandem mit dem sie sich unterhalten konnte, aber es gab niemanden, der so charmant, witzig und großzügig wie Guido im vergangenen Jahr war. Der unbekannte Pirat grinste sie durch seine Maske an. „Dich krieg ich noch“, flüsterte er und Diana lief es eiskalt den Rücken hinunter.
Gegen 23.00 Uhr war Diana die einzige, die noch ohne fremde Hilfe aufrecht stehen konnte. Alle anderen hatten kräftig einen sitzen. Ein Mann mit einer Affenmaske lag tief schnarchend unter einem antiken Holztisch. Seine Hose war verschwunden, dafür hatte jemand sein bestes Stück rot angemalt. Die meisten der kostbaren Kleinmöbel waren auf Seite geschoben worden. Überall standen halbvolle Gläser und Becher mit Fruchtbowle herum. Reste von Gebäck und Lachsschnittchen schmückten sich mit Konfetti und Luftschlangen. In den Salatschüsseln schwamm alles Mögliche, nur kein Salat. Es sah aus wie flüssige Pizza. Diana suchte weiter nach einem geeigneten Kandidaten, aber es wollte sich keiner finden lassen. Entweder waren die Typen betrunken und vulgär, oder aber bereits mit einer anderen Dame zugange.
„ Tja, mit der Kohle wird es wohl heute nichts“ , dachte Diana und fand, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war, um sich unbeobachtet aus dem Haus zu schleichen. Sie erinnerte sich an die beiden schmalen Türen, die dicht nebeneinander lagen und von denen eine hinaus auf die Terrasse führte. Sie tat genau zwei Schritte in besagte Richtung, als sich von hinten ein gewaltiges Gewicht auf sie senkte. Hastig drehte sie sich um und stellte fest, dass ein übergewichtiger Bursche mit einem Löwenkopf versuchte, sich um ihren Rücken zu schlingen.
„Hi“, sagte er dazu und drückte sie fest an sich. „Isch bin de Leo.“
„Diana hatte alle Mühe ihn abzuschütteln. „Ich wollte gerade gehen, trinken Sie doch noch einen“, sagte sie, um ihn loszuwerden.
Leo rülpste. „Isch will nischs su drinken“, lallte er. „Nur ma so Hallo sagen. Du bisssu süß. D…das wollte ich dir nua sagen.“
„Vielen Dank“, erwiderte Diana, während sie weiterhin versuchte, den Löwen loszuwerden. Der war jetzt gerade dabei ihren Hals mit seinen Händen zu umklammern, was nicht gerade angenehm war. „Ich glaube, du brauchst dringend etwas frische Luft, Leo“, krächzte sie, in der Hoffnung, dass er verstand und dahin verschwand, woher er gekommen war. Tat er aber nicht, sondern klammerte sich noch fester an sie, während sie panisch versuchte, nach hinten auszubrechen. Durch den Mundschlitz sah sie seine labbernde Zunge, die sich leicht nach außen schob, während er sie rückwärts auf die Veranda drückte. Ein eng umschlungenes Paar stand in der hinteren Ecke, fest an das schmiedeeiserne Geländer gepresst. Eine Frau mit einer Vampirmaske kicherte und ließ ihre Hand im Hosenschlitz des Mannes verschwinden. Danach zog sie ihn mit sich in die Dunkelheit des anliegenden Gartens.
„Willst du dich nicht setzen?“, schlug Diana hoffnungsvoll vor.
„Nein“, sagte Leo und zog sie zu sich hinunter, mit einer Kraft, die ungefähr dem doppelten ihres Gewichts zu entsprechen schien.
„Isch will mit dir bumsen.“
„Äh nun…“, wollte sie gerade angesichts seiner geballten Unverschämtheit erwidern, da sackte er plötzlich in sich zusammen, und seine Arme rutschten von ihrem Hals. Der Alkohol hatte ihm den Rest verpasst. „Gott sei Dank !“
Sie versuchte erst gar nicht, ihn aufzufangen und vor einem Sturz zu bewahren. Erleichtert lehnte sie sich gegen das Geländer und atmete tief durch. Die Luft war klar und sauber, und es war immer noch warm hier draußen und allemal angenehmer, als in der gerammelt vollen Bude, mit dem Gestank nach Zigaretten, Schweiß und Alkohol. Das war es wirklich nicht, was sie gesucht hatte. Einen zahlungskräftigen Verehrer, warum nicht, aber bei den vielen Schnapsleichen da drinnen, konnte man noch nicht einmal eine vernünftige Unterhaltung führen. Außerdem hatte jemand diese riesigen Lautsprecher aufgestellt, aus denen laute Discobeats dröhnten und jegliche Konversation von vorne herein unmöglich machten. Und dafür habe ich mich extra in Schale geworfen , dachte sie , strich über ihren schwarzen Minirock und überlegte, was sie stattdessen noch unternehmen konnte.
Die hintere Tür knarrte und Diana drehte sich um. Zum Glück war es nicht Leo, der sich erholt hatte, sondern ein weiteres Pärchen, das bis auf die Masken kaum noch etwas an hatte und ebenfalls in Richtung der schützenden Dunkelheit des Gartens verschwand. Dianas Füße schmerzten bereits in den neuen High Heels mit den hohen Absätzen und so überließ sie Leo seinem süßen Schlaf mit den taufeuchten Träumen von Liebe und Sex und ging wieder ins Haus.
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