1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 „Die Mehrheitsverhältnisse?“
„Wäre morgen Wahl, dürftest Du mich Diodarchor nennen. Allein, es ist die Rede von einem Kompromiss, die widerstreitenden Parteien zu einen. Der Quart Hashter hat Jasperas von Galveka ins Spiel gebracht.“
„Jasperas? Besser als Dorn, aber wer wäre das nicht? Dennoch, das darf nicht geschehen. Alles beim Alten belassen würde der Meister der Khakumons, auf Ausgleich und die alten Wege ist er bedacht.“
„Manche meiner Verbündeten könnten ihn favorisieren. Ich gelte als allzu begierig auf Veränderungen, die jedem Clan Einschnitte in seine Privilegien bringen würden. Der Quart Hashter verzeiht mir nicht, dass er mir bei der Wahl des Lordcenturions unterlegen war. Deshalb würde er noch lange nicht zu Dorn überlaufen, wahnsinnig ist er nicht, doch Jasperas ist seine Idee, und er wird andere Clansherren überzeugen. Eine flinke Zunge hat er.“
„Er ist Quart Hashter, Eierdiebe allesamt.“
Degron spielte auf Quart Hashtas Wappentier, den Gasgyptosaurier – Eierdieb auf Terkonnisch – an. Turon nickte nur knapp, als hätte der Schwertbruder geäußert, alle Frauen sehnten sich heimlich nach Sklaverei – wovon nahezu jeder Terkonnier überzeugt war.
„Ich muss sehen, ob ich den Galveker überzeugen kann, zu verzichten. Er liebt sein Reittiere und Stallungen mehr als die Politik. Wer will es ihm verdenken. Ein Gelage, gutes Eejhl, ein saftiges Kriegerschnitzel, schöne Lumas, ein Ausritt unter den Sternen – ich werde etwas plaudern von der Last der Verantwortung, den Schwierigkeiten des Reiches, der Mühsal der Politik. Vielleicht überlegt er es sich dann noch einmal.“
„Ich laufe Gefahr, Dich tödlich zu beleidigen, doch Du bist verschlagen wie ein Weib.“
„In meinem Metier ist das leider ein Kompliment, bester Degron, und als solches nehme ich es, wenngleich ich Dich lieber mit dem Gladion bezwungen hätte. Der offene Kampf erfreut des Streiters Herz, nicht die Intrigen der Machtkämpfe. Doch es muss getan werden. Ich habe die Lage geprüft, die Optionen gewogen, und meinen Entschluss gefällt. Ich nehme die Herausforderung an.“
„Für Terkonnia.“
„Für Terkonnia. Darauf noch ein Eejihl. Luma!“
Zentral-Ki-Tan-Feng, 2.Juli 2.325, 11.Stunde
Die Gen-Katong – Mutter der Schwerter und damit höchste Priesterin des Tempels der vollendeten Kriegskunst – saß im Schneidersitz in der kleinen, schlichten Kammer.
Shia-Ling Zen schloß leise die Tür und verneigte sich tief. Sie trug nur die kurze schwarze Amsha-Tunika und Amshahosen, ihre Füsse waren bloß, das lange schwarze Haar zum strengen Knoten gefasst.
„Setz Dich, Tochter des Schwertes.“
Die junge Schülerin gehorchte.
Schweigen breitete sich aus. Ungeduld war eine Sünde, eine Schwäche. Shia-Ling wusste das. Es war IHRE Schwäche, und das wiederum wusste die Gen-Katong.
Die junge Ki-Tan-Feng bezähmte sich, rief sich ihre Übungen ins Gedächtnis, suchte ihr Ki, den Kern ihrer Seele, von den Großnasen des Westens Aura genannt.
Gedämpft durch die dicken Mauern des Klosters drang schwach Schwerterklirren in die Kammer. Über 100 Schülerinnen beherbergte das Kloster, zumeist adlige Töchter, die hier den Umgang mit Katong und den waffenlosen Kampf erlernen sollten, und vor allem, Diziplin und Geduld. Eins sein mit dem Ki, genügsam, wartend, wie der Raptor auf die Beute.
Schwer fiel das heutzutage den jungen Hochgeborenen, aufgewachsen in üppigem Überfluß, früh von dekadenten Vergnügungen gesättigt, immer auf der Jagd nach neuem Spaß und neuer Aufregung.
Hierin wenigstens unterschied sich Shia-Ling von den Anderen. Ihre Mutter schätzte die alten Wege, und mied den Sündenpfuhl Poi-Xang, die Hauptstadt, Sitz der Enshi-Shilu, wie das Fuwupp-Mupp den Kochtopf einer Garküche. Gleiches galt für ihre Töchter, ob sie wollten oder nicht. Aufgewachsen war Shia-Ling in der ruhigen, bescheidenen Atmosphäre des abgelegenen Landhauses ihrer Familie, doch ihr Temperament und ihr Tatendrang hatten sich schlicht Anderem zugewandt. Kein Baum, den sie nicht erklettert, kein Weg, den sie nicht erkundet, kein Khakumon auf dem Gut, dass sie nicht geritten hätte. Xoiki-Sha, Wildfang, hatte ihre Mutter sie immer gerufen. Bücher, die alte Rechenkunst, die Gesetzeswerke, all dies hatte den kleinen Xoiki-Sha stets mit Abscheu erfüllt. Und so, obschon nur dritte Tochter des Hauses, war SIE es gewesen, die zur Raxu, einer Kriegerin, herangebildet werden sollte, die das schwarze Leder, die hohen Overkneestiefel der bewaffneten Macht der Enshi-Shilu tragen sollte.
Die meisten jungen Frauen hier betrachteten den zweijährigen Aufenthalt als lästige Formalität, überflüssig, wo sie doch bald schon wichtige Posten in der Armee des Reiches innehaben würden. Dort dann gab es andere, niedere Frauen, die das Katong und die Schwertlanze, dass KatongFarshi, tragen und einsetzen würden, sei es gegen aufständisches Pack oder die äußeren Feinde der Enshi-Shilu. Dem anstrengenden und quälenden Doppeljahr im Kloster folgte stets die Lehre an der Hohen Kriegsakademie zu Poi-Xang. Befehlen und führen wollten die jungen Damen, wie es ihrem Stand angemessen war, und andere in den Kampf schicken, statt ihre kostbare Haut dem Stahl feindlicher Waffen oder den Steinen und Harken hungriger, abgerissener Bäuerinnen auszusetzen.
Shia-Ling dagegen erfüllte die Aussicht, von einem Büro aus Truppen zu kommandieren, mit Entsetzen. Kämpfen wollte sie, Ehre und Ruhm erringen, wie sie es als Kind, am Ufer des kleinen Flusses nahe des mütterlichen Guts im Gras liegend, sich ein ums andere Mal erträumt hatte. Wie sie es mit den Gesindemädchen und Hoi, dem Sklavenjungen aus den Ställen, immer wieder durchgespielt hatte. Finstere phallokratische Großnasen hatten sie mit ihren Holzwaffen, mächtigen Zauberschwertern, niedergerungen, unzählige Raptoren, Jagdspinnen und Deinochyrs erschlagen, die Enshi-Shilu aus den Händen finsterer Schwarzmagas befreit, und nicht zuletzt die verschlagenen, gemeinen Mayutas bezwungen, die wieder einmal übers Meer kamen, um KiTanFeng zu unterwerfen. Mit Hoi hatte sie, älter geworden, auch andere Abenteuer erlebt, Abenteuer, die verboten waren. Nicht, dass Shia-Ling nicht alt genug gewesen wäre. Doch mit einer Geschlechtsschwester hätte sie die Liebe entdecken sollen, nicht mit einem Männchen. Allein der Fortpflanzung war der intime Kontakt mit dem Manne vorbehalten, da, wie sonst auch, war die Familie den alten Wegen verhaftet.
Hier im Kloster, im Gespräch mit den anderen, in Poi-Xang oder anderen großen Städten aufgewachsenen Mädchen, lernte sie, dass diese ihr hier Einiges voraus hatten.
Und dennoch blieb ein dunkles Geheimnis. Die anderen vergnügten sich ebenso mit Männchen, ja, aber es war Spaß, Lust, nicht mehr. Shia Ling jedoch, sie hatte etwas Tieferes empfunden für Hoi, den Stalljungen. Tief verborgen in ihr waren diese Gefühle, bedeuteten sie doch, das Shia-Ling krank war, schwer krank. Heterosexualität war in KiTanFeng gefürchtet wie die Blaue Keuche.
„Spüre Dein Ki, Tochter, anstatt die Pfade der Erinnerung entlang zu wandeln.“
„Ja, Gen.“
„Deine Zeit im Kloster neigt sich dem Ende. Du hast gut gelernt. Lange schon blieb mir die Freude einer Schülerin mit Eifer und Talent versagt.“
Shia-Ling sah überrascht auf, senkte jedoch sogleich wieder den Blick. Ein Lob aus dem Munde der Gen-Katong, davon hatte frau am Ort noch nie gehört.
„Du sprichst fenlorisch?“
„Ja, Gen.“
„Du wirst nach Fenlora gehen, in die Hauptstadt der großnasigen Frauen, Targomua. Dort wohnt eine Frau, eine Großnase, der ich verbunden bin. Du wirst ihr einen Brief überbringen. Warte, bis Du Antwort von ihr zu mir zurück mitnehmen kannst.“
„Ja, Gen.“
„Geh nun, und bereite Dich vor, Du wirst morgen früh aufbrechen. Geld für die Spiegelreisen und den Aufenthalt in der Fremde sowie den Brief wirst Du bei Aufbruch erhalten.“
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