Edda Blesgen - Träume, die im Meer versinken

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Jürgen, nur noch drei Jahre von der Pensionierung entfernt, hat das Arbeiten satt und fühlt sich von seiner Familie überfordert. Eines Tages verlässt er ohne Abschied Ehefrau und Tochter und reist nach Italien. Dort gibt er sich zunächst dem süßen Nichtstun hin, finanziert durch wechselnde Gespielinnen, denen er Gefühle vorgaukelt, die nicht vorhanden sind. Rückblicke zeigen immer wieder Einblicke in seine Kindheit und machen deutlich, dass Jürgen aus dieser Zeit einen brisanten Konflikt auszutragen hat. Psychisch angeschlagen wird er schließlich Auslöser einer Tragödie, die außer ihm eine weitere Person ins Verderben zieht.

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Edda Blesgen

Träume, die im Meer versinken

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Inhaltsverzeichnis Titel Edda Blesgen Träume die im Meer versinken Dieses - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Edda Blesgen Träume, die im Meer versinken Dieses ebook wurde erstellt bei

Prolog Prolog Der Wind hatte sich gelegt. Am Nachmittag des ersten Weihnachtstages drückte ein bleigrauer Himmel auf die silbergrau glänzende Fläche der vollkommen glatten See. Ein Mann beugte sich über die leblose Gestalt, die – von den Wellen angespült – am Rivierastrand lag. „Oh nein“, stöhnte er. „nicht schon wieder ein Toter. Eine Leiche täglich reicht mir bei weitem.“ „Das ist der Mörder, den die Polizei sucht. Ertrunken? Nein, bei dem Wetter geht doch niemand schwimmen. Der Bösewicht hat sich selbst gerichtet. Die Schuld trieb ihn dazu, seinem Leben freiwillig ein Ende zu setzen“, zeterte Waltraud, seine Frau. „Noch ist gar nichts bewiesen – weder Mord, noch Selbstmord.“ Der Mann griff zum Handy, nannte seinen Namen und erklärte auf Italienisch: „Ich habe abermals eine Leiche gefunden“, um dann sarkastisch hinzufügen: „Allmählich mache ich mich verdächtig, fürchte ich.“ „Kein Tod durch Ertrinken; wahrscheinlich Herzinfarkt“, stellte der zusammen mit der Polizei eingetroffene Arzt eine halbe Stunde später fest. „Es handelt sich um diesen Verbrecher, nach dem Sie fahnden“, kreischte Waltraud. „Schade, jetzt entgeht er seiner gerechten Strafe für den Mord an meiner Freundin Dolores.“ „Komm, lass dir nicht den Urlaub verderben.“ Ihr Mann führte sie beiseite. Der Hund, der mit hängenden Ohren und feuchtem Blick neben dem Toten ausgeharrt hatte, folgte ihnen.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Impressum neobooks

Prolog

Der Wind hatte sich gelegt. Am Nachmittag des ersten Weihnachtstages drückte ein bleigrauer Himmel auf die silbergrau glänzende Fläche der vollkommen glatten See.

Ein Mann beugte sich über die leblose Gestalt, die – von den Wellen angespült – am Rivierastrand lag. „Oh nein“, stöhnte er. „nicht schon wieder ein Toter. Eine Leiche täglich reicht mir bei weitem.“

„Das ist der Mörder, den die Polizei sucht. Ertrunken? Nein, bei dem Wetter geht doch niemand schwimmen. Der Bösewicht hat sich selbst gerichtet. Die Schuld trieb ihn dazu, seinem Leben freiwillig ein Ende zu setzen“, zeterte Waltraud, seine Frau.

„Noch ist gar nichts bewiesen – weder Mord, noch Selbstmord.“ Der Mann griff zum Handy, nannte seinen Namen und erklärte auf Italienisch: „Ich habe abermals eine Leiche gefunden“, um dann sarkastisch hinzufügen: „Allmählich mache ich mich verdächtig, fürchte ich.“

„Kein Tod durch Ertrinken; wahrscheinlich Herzinfarkt“, stellte der zusammen mit der Polizei eingetroffene Arzt eine halbe Stunde später fest.

„Es handelt sich um diesen Verbrecher, nach dem Sie fahnden“, kreischte Waltraud. „Schade, jetzt entgeht er seiner gerechten Strafe für den Mord an meiner Freundin Dolores.“

„Komm, lass dir nicht den Urlaub verderben.“ Ihr Mann führte sie beiseite. Der Hund, der mit hängenden Ohren und feuchtem Blick neben dem Toten ausgeharrt hatte, folgte ihnen.

Kapitel 1

O welche Lust, in freier Luft den Atem leicht zu heben“, sang Jürgen lauthals. „O Freiheit, o Freiheit“, schmetterte er noch lauter. Von wem war das noch mal? Elisa, seine Ex, war Opernfan; er hatte sich nie dafür begeistern können, oftmals Grimassen geschnitten, wenn sie hingebungsvoll ihrer klassischen Musik lauschte. Elisa hingegen verließ fluchtartig das Zimmer, sobald er eine Kassette mit Liedern von Mireille Mathieu abspielte. Erst als er heimlich mit Dora zusammen war und merkte, sie schwärmte ebenfalls für Opern, wollte er die junge Frau mit seinem Wissen beeindrucken, fing an hinzuhören, Fragen zu stellen: „Von wem ist das?“, und die ahnungslose Elisa wunderte sich über sein plötzliches Interesse.

„O Freiheit...“ – Bestimmt stammte das wieder mal vom ollen Beethoven. Richtig, jetzt fiel es ihm ein. Fidelio, Beethovens einzige Oper. Einmal hatte Elisa ihn zu einem Theaterbesuch überreden können. Weder an die Musik noch an die Handlung konnte er sich erinnern, nur noch an die grässliche Langeweile. Ein weiteres Mal war er mit Dora, seiner zweiten Frau, im Theater gewesen. Ihre ausschweifenden Erklärungen – vorher und in der Pause – nervten, wenn er auch, scheinbar aufmerksam, freundlich lächelnd zuhörte. Im letzten Akt war er sogar eingeschlafen. Keine Frau würde ihn je wieder in eine Oper schleppen; nie wieder würde ihm irgendwer irgendetwas aufzwingen. Er war unterwegs in die absolute Freiheit, Autobahn Richtung Süden, den Kajak auf dem Autodach, Zelt, Luftmatratze, Kühlbox, Spirituskocher im Kofferraum, seine Tasche mit Badehose, Tauchermaske und Schnorchel, eine weitere mit Freizeitkleidung, Unterwäsche. Mehr brauchte er nicht. Einige Zwanzig-Euro-Scheine befanden sich in seinem extra großen Brustbeutel. Pass, Wagenpapiere und seine Ersparnisse waren unter der Reserveradabdeckung im Kofferraum versteckt. Er hatte vor seiner Abfahrt ein Konto, welches das von seiner Firma an ihn gezahlte Schwarzgeld enthielt, und von dem seine Frau nichts ahnte, aufgelöst.

Ein Stau im Tunnel. Zum Glück saß Elisa nicht neben ihm, sonst würde sie wieder husten, dann keuchend nach Luft japsen, in panischer Aufregung nach ihrem Asthmapümpchen suchen. Er hatte sie jedes Mal deswegen abgrundtief verachtet. Seiner Meinung nach alles Anstellerei, Krankheiten, in die sie sich hineinsteigerte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, darum summte er unbeeindruckt vor sich hin, was Elisa, wie er wusste, fürchterlich aufregte, obwohl sie kein Wort dazu äußerte. Nur wenn es zu einem Streit zwischen ihnen kam, dann wärmte sie alte Geschichten auf, machte ihm Vorwürfe über angebliches Fehlverhalten, das mitunter schon Wochen oder sogar Monate zurücklag, warf ihm Gleichgültigkeit, Gefühlskälte vor. „Ich könnte neben dir ersticken, du bleibst ungerührt“, hatte sie schon öfters geäußert. Er fand es lästig, sich mit der redegewandten Elisa auseinander zu setzen, weil er stets den Kürzeren zog. Also verließ er jedes Mal wortlos das Zimmer, was sie erst recht in Wut versetzte. Sie riss die Tür auf, die er gerade hinter sich geschlossen hatte, schimpfte, wurde, weil von ihm keine Antwort kam, immer lauter, warf die Tür schließlich knallend ins Schloss. Dann ließ sie eine Beethoven-Schallplatte oder CD laufen, um sich zu beruhigen, wie sie später behauptete, aber hauptsächlich um ihn zu ärgern, wie er glaubte.

Jürgen hatte immer wieder gesagt: Wenn ich erst einmal Rentner bin, fahre ich ein ganzes Jahr lang in den Süden, nehme meinen Kajak mit, bleibe dort, wo es mir gefällt, lebe in den Tag hinein, bis es mich weiterzieht. Elisa hätte ihn gewähren lassen. Bei Dora, seiner zweiten Frau, die, als er sie sechsundfünfzigjährig kennen lernte, nur halb so alt war, kam das nicht in Frage. Obwohl nie zugegeben, nicht einmal vor sich selbst, stand er seit der Hochzeit vor fünf Jahren unter dem Pantoffel seiner jungen Frau. Damit war jetzt glücklicherweise Schluss. Aus Gesundheitsgründen vorzeitig aus dem Dienst auszuscheiden war ihm nicht gelungen. Das kam davon, wenn man sich fit hielt; dafür wurde man bestraft.

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