„Also, dann erzählt doch mal, wann und wo ihr heiraten wollt. Ich muss das wirklich nur in meinen Kopf kriegen, alles in Ordnung.“ Hanna setzte ihr Apotheker-Lächeln auf und sah ihrer Freundin in die Augen.
„Wir wollen am 14. August standesamtlich und am 15. August kirchlich heiraten.“ Jannik nahm die Hand seiner Verlobten und führte sie an seine Lippen. Dabei sah er sie so zärtlich an, dass Hannas Bedenken einfach verflogen. Der Mann liebte Helena wirklich.
„Das heißt, ihr habt das Aufgebot schon bestellt“, stellte Monika fest.
„Ja. Haben wir. Wir wissen auch schon, in welcher Kirche wir heiraten wollen, wie der Gottesdienst in etwa laufen soll und wo wir dann anschließend feiern wollen.“ Helena fixierte immer noch Hannas Gesicht. „Ich bin griechisch-orthodox und Jan ist evangelisch. Also wird es einen ökumenischen Gottesdienst geben, der beiden Religionen zu Gute kommt.“
„Wow.“ Tobias lehnte sich zurück und grinste. „Das ist doch sehr modern und großartig.“
„Wir wollen, dass du, Hanna, und du, Tobias, unsere Trauzeugen seid.“ Jannik sah die beiden fragend an. Bittend.
Hanna klappte die Kinnlade herunter und sie vergaß zu atmen. „Oh.“ Es war ein überraschtes Quieken, das ihren Mund verließ.
„Es wird mir eine Ehre sein, Jan.“ Tobias strahlte seinen Freund an. >Damit ehrst du mich, mein Freund. Du ahnst nicht, wie sehr du mich damit ehrst!<
Jan lächelte seinen Freund milde an. >Von allen meinen Freunden bist du mir der, der einem Bruder am nächsten kommt, Tobi. Wenn du mein Trauzeuge wirst, ehrst du damit mich!<
Tobias nickte, musste sich räuspern.
Hanna stand auf, ging um den Tisch herum und umarmte ihre Freundin. Helena schloss erleichtert ihre Arme um Hanna und musste sich zusammenreißen, um nicht plötzlich loszuheulen.
Was fatal gewesen wäre, da sie blutige Tränen nicht hätte erklären können.
„Natürlich will ich deine Trauzeugin sein, Lena! Scheiße, ist das schön!“ Hannas Stimme klang gedämpft, da sie an Helenas Schulter sprach. Dann schniefte sie ein wenig. „Verdammt, ich bin undicht!“
„Ich hatte schon Angst, du würdest ablehnen oder wütend sein oder irgendetwas in der Art!“ Helena drückte Hanna leicht von sich, um ihrer Freundin ins Gesicht sehen zu können.
„Ich bin nur sauer, weil ich von eurer ganzen Entwicklung nichts mitbekommen habe!“, gestand Hanna. Dann beugte sie sich an Helenas Ohr. „Ich möchte aber demnächst alles von dir hören. Jede schmutzige Einzelheit!“
Helena kicherte. „Abgemacht, Nana.“
„Wir könnten einen Abstecher zu der Kirche und dem Gasthof machen, wo wir feiern wollen.“ Jans Ohren hatten durchaus mitbekommen, was Hanna und Helena miteinander geflüstert hatten. Bei der Vorstellung, dass die Frauen sich über ihn und den intimen Einzelheiten zwischen sich und Helena unterhalten würden, wurde er unruhig.
„Jetzt gleich?“, fragte Tobi.
„Warum nicht! Du hast doch immer einen Kindersitz im Auto, oder?“
Tobias nickte. Als Leiter einer Tanzschule hatte er auch Kindergruppen unter seine Fittiche. Es kam gelegentlich vor, dass er Kinder zu Veranstaltungen mitnahm oder auch mal nach Hause fuhr. Deshalb hatte er immer eine Sitzschale für Kinder in seinem Golf zu liegen.
„Das ist ´ne tolle Idee!“, sagte Helena und grinste Hanna und Monika an. „Ihr habt doch in den nächsten zwei Stunden nichts weiter vor, oder?“
Hanna schüttelte den Kopf, grinste plötzlich. „Und das ganze ist natürlich total spontan.“ Ihre Stimme tropfte wieder vor Sarkasmus.
Helena kicherte. „Du kennst mich eben doch zu gut, Süße!“
Die Kirche war relativ klein, aber üppig dekoriert und wirkte sehr einladend. Überall waren die koptischen Kreuze zu sehen, die Ikonostase mit Heiligen und Fresken mit Themen aus dem Neuen Testament schmückten die Wände und Decken. Gold glänzte in allen Nischen und auf den Insignien, die am Altar und den Säulen angebracht waren. Hier und da war das Symbol der griechisch-orthodoxen Kirche zu sehen: ein zweiköpfiger Adler, über dessen Haupt eine Krone schwebte. In der einen Kralle hielt er ein Schwert, in der anderen einen Reichsapfel, das ganze schwarz auf gelb.
„Wir haben vor zwei Wochen schon alles mit dem Patriarchen klargemacht“, raunte Helena Hanna zu. Sie standen vor dem Kolymvithra, dem traditionellen Taufgefäß. Das Gefäß war ein dickwandiger Kupferkessel. Der Täufling wird mit gesegnetem Olivenöl und Myrrhe komplett eingerieben und dann in das Gefäß getaucht. Dabei nennt der Nonós oder die Noná, also der Pate oder die Patin den Namen des Kindes. Dieser Name ist dann bindend.
„Zwei Wochen vor der Hochzeit setzen wir uns dann mit dem Patriarchen und dem evangelischen Pfarrer zusammen und besprechen die Einzelheiten. Es wäre gut, wenn du und Tobi dann auch dabei sein könntet.“
Hanna nickte. „Kein Problem. Aber du weißt, dass man in Deutschland eigentlich keine Trauzeugen mehr benötigt, oder?“
Helena grinste etwas. „Weiß ich, aber ich bin doch ziemlich traditionell. Und Jan auch. Wir sind der Meinung, wenn wir schon heiraten, und das nur ein einziges Mal im Leben, dann richtig. Mit allem drum und dran!“
Hanna verstand ihre Freundin. Sie beobachtete, wie Tobias Kerner Lyssa umher führte und ihr die Fresken an den Wänden geduldig erklärte.
„Kann es sein, dass ich mich in Tobias getäuscht habe?“, fragte sie unvermittelt.
Überrascht sah Helena ihre Freundin an. „Natürlich! Tobi ist wirklich ein guter Freund und sehr nett. Du trägst ihm doch nicht wirklich die Sache in der Diskothek nach, oder?“
Hanna verzog ihr Gesicht. „Ein wenig.“
„Als ich … krank wurde, hat Tobi viel für mich getan. Wie auch viele andere, die du noch kennen lernen wirst.“
Beschämt sah Hanna ihrer Freundin in die Augen. „Als ich hörte, was mit Onkel Dim passiert war, wollte ich dich besuchen, dich trösten. Aber Táwo sagte nur, dass dein Gesundheitszustand es nicht zulassen würde, mich oder irgendjemand anderen zu sehen. Es tut mir Leid, dass Dimítrios durch einen Autounfall gestorben ist.“
Helenas Augen blitzten kurz auf, ihre Miene verhärtete sich. „Ist schon in Ordnung, Hanna. Das Leben geht weiter, auch ohne Onkel Dim.“
Hanna runzelte die Stirn. „Aber du hast ihm immer sehr nahe gestanden.“
Helena schloss die Augen, die Wangenmuskeln zuckten unrhythmisch. „Hanna, ich würde dir sehr gern alles erzählen, aber ich kann nicht. Glaube mir, ich bin über den Tod meines Onkels hinweg. Und ich möchte nicht mehr an ihn denken, in Ordnung?“
Hanna war beinahe schockiert. Sie nahm sich vor, Helena irgendwann einmal deswegen zur Rede zu stellen, aber sie spürte, dass jetzt ein ungünstiger Moment war. Also schwieg sie.
Monika betrachtete den jungen Mann, mit dem sie sich angeregt unterhielt, unverhohlen. Jannik Cerný gefiel ihr, nicht unbedingt als Mann nach ihrem Geschmack, sondern als Bräutigam von Helena. Schließlich kannte sie Helena Kapodistrias seit deren Kindheit. Oft hatte das griechischstämmige Mädchen mit Hanna zusammen in ihrer Küche zu Mittag gegessen, Hausaufgaben gemacht, gespielt und gelacht.
„Und Sie sind wirklich auf einer Burg aufgewachsen?“
Jannik nickte. „Mein Cousin Adolar hat jetzt den Grafentitel, aber das ist okay. Ich habe mir hier in Berlin eine neue Heimat geschaffen. Wenn ich will, kann ich jederzeit auf die Burg. Helena und ich werden dort unsere Flitterwochen verbringen.“
„Das ist ziemlich romantisch, Herr Cerný.“
Jan wurde doch tatsächlich leicht rot. „Danke. Aber es würde mich freuen, wenn Sie mich Jan oder Jannik nennen würden.“
„Dann bestehe ich auf Monika.“ Sie rieb ihm sanft über den Oberarm in einer sehr mütterlichen Geste.
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