Zink und Brenner sehen dem langsam davonfahrenden Fahrzeug der Gerichtsmedizin nach.
„Ich habe ein flaues Gefühl im Magen“, sagt Brenner zu Zink. „Denkst du das gleiche wie ich?“
„Entweder ist der Mörder völlig ausgerastet und in einen Blutrausch gefallen oder es ist die Tat eines Psychopaten. Eine andere Erklärung fällt mir zurzeit nicht ein.“
Langsam gehen sie zu ihrem Wagen. „Dann klappern wir mal die umliegenden Häuser ab, vielleicht haben wir Glück und jemand hat etwas gesehen.“
„Das wäre zu schön um wahr zu sein.“ Leichter Zweifel ist aus Brenners Stimme herauszuhören. „Wahrscheinlich können wir tagelang hier in der Gegend herumlatschen und sind dann immer noch so klug wie jetzt.“
„Positiv denken, Lothar, positiv denken“, antwortet Zink und klopft Brenner dabei auf die Schulter.
Die Ansammlung der Schaulustigen löst sich, nachdem der Tote abtransportiert wurde, langsam auf. Nur einige Reporter und ein Fernsehteam des lokalen Senders stehen noch an der Absperrung. Zink bleibt einige Schritte vor ihnen stehen und blickt suchend in die Runde.
„Falls du dein Nesthäkchen suchst, Mister Holmes, der ist vor einigen Minuten in dem Haus da drüben verschwunden.“ Julius Rode, ein alter Bekannter von Zink und Reporter beim größten Lokalblatt der Stadt, drängelt sich an seinen wartenden Kollegen vorbei. Er deutet mit dem Daumen über die Schulter nach hinten. „Hallo Heinz, Tag Herr Kommissar“, grüßt er die Beamten.
„Julius, alter Schwede, welches Vögelein hat dir ins Ohr gezwitschert, dass hier was los ist?“
„Wird nicht verraten, alter Freund. Erzähl uns, was ist passiert?“
Zink will näher an die Journalisten herantreten, doch Brenner hält ihn kurz am Ärmel fest.
„Ich mache mich auf die Socken und hör mich auf der Westseite des Parks um. Wann treffen wir uns wieder?“
„Na sagen wir“, Zink sieht auf seine Armbanduhr, „in zwei Stunden. Hier beim Wagen.“
Brenner nickt. „Bis später.“
„Meine Damen, meine Herren“, richtet Zink das Wort an die Reporter. „Ich sage ihnen in zwei Sätzen, was wir bis jetzt wissen: Unbekannte, völlig unbekleidete, männliche Person, mit mehreren Messerstichen ermordet. Motiv und Täter
unbekannt. Das war ´s.“
„Ziemlich spärlich. Können sie uns nicht mehr sagen?“, ruft ein nassforscher junger Volontär, der sich seine Sporen erst noch verdienen muss. „Wer hat den Mann getötet?“
„Junger Freund, wenn ich das jetzt schon wüsste, wäre ich nicht Kriminalbeamter, sondern Hellseher geworden.“ Zink lächelt den jungen Mann freundlich an.
Die anderen Reporter grinsen. Sie kennen den Hauptkommissar schon länger. Alle Reporter haben ein gutes Verhältnis zu ihm. Sie respektieren sich gegenseitig, keiner versucht den anderen hinters Licht zu führen. Die Journalisten wissen natürlich, dass Zink ihnen nicht immer sofort jede Kleinigkeit auf die Nase bindet. Sie akzeptieren das, ohne ihn mit bohrenden Fragen auf die Nerven zu fallen. Sie wissen aus Erfahrung, dass er sie auf dem Laufenden hält. Außerdem hat der eine oder andere von ihnen schon am eigenen Leib zu spüren bekommen, dass Zink trotz seiner augenscheinlich gutmütigen Art, auch ein äußerst ungemütlicher Geselle sein kann.
Die Ohren des jungen Volontärs beginnen zu glühen und er schaut verlegen zu Boden.
„Also Herrschaften, es ist früh am Tag. Ich schlage vor, sie lassen mich jetzt vom Haken. Ich muss mit meiner Arbeit beginnen“, sagt Zink schmunzelnd.
Die Presseleute wenden sich zum Gehen. Er macht sich auf den Weg, um wie seine Kollegen Brenner und Dengler die Ermittlungen aufzunehmen.
Zwei Stunden später findet sich Brenner wieder bei ihrem Wagen ein. Zink erwartet ihn bereits. „Wie sieht es aus, Lothar, konntest du etwas in Erfahrung bringen?“
„Nichts! Der sprichwörtliche Schuss in den Ofen, Heinz. Niemand der Bewohner in den umliegenden Häusern hat was gesehen oder gehört. Wie war ´s bei dir?“
„Genau das gleiche. Niemand ging bei dem Sauwetter vergangene Nacht auf die Straße.“
„Wo bleibt eigentlich unser angehender Polizeipräsident? Wird Zeit, dass er
auftaucht, er hat den Wagenschlüssel bei sich. Ich habe nämlich Kohldampf“, murrt Brenner.
„Da haben wir ihn schon.“ Zink deutet mit dem Zeigefinger in die Richtung aus der Dengler getrottet kommt.
„Na, wie ist ´s gelaufen?“, fragt Brenner, als Dengler bei ihnen eingetroffen ist.
„Nicht schlecht, Herr Kommissar“, antwortet Dengler gut gelaunt. „Anfangs, nach den ersten erfolglosen Gesprächen, dachte ich es wird eine Pleite. Aber dann, beim achten oder neunten Anlauf hatte ich Glück.“
Erstaunt sehen sich Zink und Brenner an. „Erzählen sie“, fordert der Hauptkommissar Dengler auf.
„Na ja, da war eine Frau, etwa siebzig Jahre alt. Ich erinnere sie an ihren Enkel hat sie gesagt. Sie bat mich in ihre Wohnung, in der es wundervoll nach Essen duftete -.“
„Dengler, kommen sie zum Wesentlichen“, unterbricht Brenner ungeduldig. Er spürt wie sein Magen knurrt.
„Ich bin ja dabei, Herr Kommissar. Also, sie bat mich in ihre Wohnung, in der es -.“
„... wundervoll nach Essen duftete“, führt Brenner den Satz zu Ende. „Das wissen wir bereits und was haben sie dann gemacht?“
„Ich habe sie gefragt ob ihr in der letzten Nacht etwas aufgefallen ist.“ Dengler macht eine kurze Pause.
„Und weiter? Na los, spannen sie uns nicht auf die Folter!“, fordert Zink ihn auf weiter zu berichten.
„Ihr ist nichts aufgefallen -.“
„Dengler!“ Brenner wird zornig. „Ich drehe ihnen gleich den Hals um!“
„... aber ihrem Mann“, sagt Dengler schnell.
„Aber Ihrem Mann?“, wiederholen Zink und Brenner gleichzeitig.
„Ja. Er musste mit dem Hund nochmals raus. Da ist ihm ein komischer Typ begegnet, mitten im Park. Ihr Mann hat den Kerl noch gegrüßt, aber der lief wie hypnotisiert an ihm vorbei, schien ihn gar nicht zu bemerken. Frau März – so heißt die Dame – sagt, ihr Mann erzählte, dass es ihm richtig unheimlich wurde. Also hat er sich schleunigst auf den Rückweg gemacht. Als er auf diesem Weg den Park verließ, sah er den Unheimlichen noch einmal.“
„Wo?“
„Der Schilderung von Frau März nach etwa dort drüben, Herr Hauptkommissar.“ Dengler deutet auf eine Stelle, die ungefähr zwanzig Meter neben dem Fundort der Leiche liegt. „Der Kerl lief durch die Blumenbeete zur Straße, stieg in einen Wagen und fuhr weg.“
„Kann dieser März den Mann beschreiben?“
„Nur ganz vage, sagt seine Frau. Aber er konnte sich das Kennzeichen des Wagens merken, mit dem der Mann weggefahren ist. März hat es sofort auf einen Zettel geschrieben, als er nach Hause kam.“
„Sehr gut, Dengler“, lobt Zink, „haben sie den Zettel?“
„Nein, leider nicht, Chef.“
„Verdammt, Dengler! Warum nicht?“, mischt sich Brenner missgelaunt in das Gespräch ein.
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