S.C. Keidner
Dämonenstern
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Inhaltsverzeichnis
Titel S.C. Keidner Dämonenstern Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
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Epilog
Quellen
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Impressum neobooks
Er war an die Oberfläche gegangen, stand im Torbogen des verfallenen Tempels, in dessen weitläufigen Katakomben er und seine Kämpfer Zuflucht gefunden hatten.
Die Lavalandschaft erstreckte sich bis zum Horizont, einstmals glühende Flüsse, die während der großen Feuer die Stadt der Alten, nahe der der Tempel lag, verschlungen hatten. Mauertrümmer und verfallene Dächer, die Überreste einer Zitadelle und eines Glockenturms ragten in der Ferne aus dem anthrazitfarbenen Gestein.
An den Wänden des ehemaligen Andachtssaals hinter ihm erahnte man noch die Malereien, die die Seelenwanderung durch die sechzehn Sphären beschrieben. Die hohe Decke wurde von mächtigen Marmorsäulen getragen und Vulkanasche kroch durch die leeren Höhlen der zerborstenen Fenster.
Trotz der Zeit, die seit den großen Feuern vergangen war, hatte die Natur die Gegend kaum zurückerobert. Dürre Büsche wuchsen im Geröll ein paar Schritte von ihm entfernt. Flammenechsen, durch sein Erscheinen aufgeschreckt, huschten unter Steine. Graue Staubwolken verschleierten den Himmel, die drei Monde waren kaum zu erkennen. Ein scharfer Wind, Vorbote des nächtlichen Orkans, zerrte an seinem Umhang, der ihn wie ein silbernes Segel umflatterte.
Der Hohe Rat war misstrauisch geworden. Sie hatten die Manipulationen bei der Entwicklung der Portaltechnologie auf Gaia bemerkt und die Portale zu den Sphären per Dekret geschlossen. Aber das war jetzt gleich.
Ein verächtliches Lächeln umspielte seine Lippen. Das Dekret war zu spät gekommen. Seine Gelehrten hatten den Gaianern innerhalb weniger Sonnenumrundungen eine Technologieentwicklung ermöglicht, die ansonsten Generationen gebraucht hätte. Damit würde er Nyx wieder die Herrschaft über die Sphären zu verschaffen, wie damals unter König Davdrut, der diesen Triumph nicht mehr erleben durfte.
Seine mumifizierte Leiche bahrten sie in jeder Zuflucht auf, eine Erinnerung an das Opfer, das der König während des Bürgerkriegs mit seinem Leben gebracht hatte. Sobald sie ihren Sieg errungen hatten, würde er in einem prachtvollen Grab in Sakallas Totenstadt bestattet werden.
Doch bevor es so weit war, mussten sie den Hohen Rat vernichten. Dazu bedurfte es mehr als der Attentate, mit denen sie seit dem Ende des Kriegs Angst verbreiteten.
Er hatte die Figuren in Position gebracht. Dass es die letzte Möglichkeit war, ein geradezu verzweifelter Akt, um doch noch zu siegen, das musste er sich mit einem bitteren Geschmack im Mund eingestehen. Den erbärmlichen Rest seiner Kämpfer, des stolzen Heers der Davdrut, hatte man in diese trostlose Region tief im Süden Rydinias vertrieben. Sie waren Vogelfreie. Die Schwadronen jagten sie ohne Gnade. Einen militärischen Sieg konnte es nur mithilfe der Gaianertechnologie geben.
Sein Plan war verwegen. Schlug er fehl, war der Kampf endgültig verloren.
Lief es wie vorhergesehen, würden sie die Ordnung, die unter König Davdrut geherrscht hatte, wiederherstellen.
Die Zeit, die er damals auf Gaia verbracht hatte, war ihm noch so präsent, als sei es gestern gewesen, auch wenn seitdem über sechshundert Sonnenumrundungen vergangen waren. Er hatte sich zum König eines wilden Landes in den Bergen gemacht und seine gaianischen Untertanen Gehorsam gelehrt. Sie nannten ihn den Sohn des Teufels und brachten ihm den Respekt entgegen, der ihm gebührte.
Denn Nyxaner waren die Herren der Sphären, ganz gleich, was die verfluchten Mystiker faselten. Aber die Mystiker und die, die ihnen nahestanden, hatten den Bürgerkrieg gewonnen. Ihre giftigen Ideen von der Seelenwanderung durch die Sphären führten zum Verbot der Reisen. Nur Gelehrte durften die Sphären erforschen, ohne in das Leben dort einzugreifen, eine Scheinheiligkeit sondergleichen. Selbst das hatten sie jetzt unterbunden.
Der Krieg war zwar lange verloren, aber der Kampf noch nicht aufgegeben. Der Hohe Rat war ahnungslos, hieß es doch, die Davdrut seien keine Gefahr mehr.
Er schnaubte abfällig. Die Gaianer würden ihm helfen, dafür hatte er gesorgt. Jetzt musste er warten, bis Morrigu ihm die Ausführung des Plans bestätigte. Aber dann hätte er gesiegt. Endgültig.
In Gedanken versunken starrte er noch eine ganze Weile auf die Lavalandschaft, bevor er sich umdrehte und durch den Saal in die Finsternis der Katakomben zurückkehrte.
Die Mondfähre, ein weißer Punkt, bewegte sich in gerader Linie über den nächtlichen Himmel, an dessen östlichem Horizont sich das erste zarte Rosa des Tages zeigte. Sie brachte Arbeiter und Materialien für den Bau des Observatoriums im Peary-Krater auf den Erdtrabanten.
Einmal im Monat, immer zu dieser Zeit, überquerte die Fähre Europa, aber es war das erste Mal seit langem, dass Lissa sie beobachtete. Als der Punkt gegen die Helligkeit des neuen Tags nicht mehr zu sehen war, seufzte sie, wandte sich vom Fenster ab. Das Licht des HDU, des Holographic Display Units, blinkte, forderte sie auf, die Nachricht abzuspielen.
Aus der Küche hörte sie die Stimmen von Anni und der künstlichen Intelligenz, die sie einfallslos James getauft hatten, aus dem zweiten Schlafzimmer drangen Fetzen von Carls Heavy Metal Musik.
Sie blendete die Geräusche aus. Auf dem HDU wartete seit einer halben Stunde eine Nachricht der Global Space Agency. Mehrmals hatte sie den Sprachbefehl zum Abrufen der Nachricht geben wollen und war immer in letzter Sekunde zurückgeschreckt. Der Forschungsartikel, den sie über Nacht Korrektur gelesen hatte, lag vergessen auf dem Schreibtisch.
Wochenlang hatte sie die Antwort der GSA herbeigesehnt und jetzt war ihr vor Nervosität übel. Hatten sie sie ausgewählt? Oder bedeutete die Nachricht das Aus für ihre Träume? Musste sie sich einen neuen Job suchen?
Das Licht am HDU blinkte ungeduldig. Die Antwort auf diese zermürbenden Fragen war einen Sprachbefehl entfernt. Was würde sie machen, falls ihr ein lautes Nein beim Abspielen entgegenschallen würde?
Lissa hatte keine Ahnung.
„Reiß dich zusammen“, murmelte sie schließlich. Zögern brachte nichts. Die Nachricht würde sie so oder so erreichen. Sie stählte sich, nahm einen tiefen Atemzug und sagte: „Nachricht abspielen.“
Die Luft über dem HDU flimmerte. Macs lächelndes Gesicht erschien. „Hallo, Lissa! Ich habe gute Neuigkeiten. Mission EPU-001 ist genehmigt und du wirst zum Expeditionsteam gehören. Das ich leiten werde. Die offizielle Bestätigung kommt per E-mail, aber ich wollte dir schon mal Bescheid geben. Wir starten am 3. September. Neben dir wird übrigens-“
Es dauerte zehn Sekunden, dann verstand Lissa. Sie hatte die Mission! Sie hatten sie ausgewählt!
„YES!“ Sie tat einen Luftsprung, der den HDU gefährlich ins Wanken brachte. Die Abbildung von Macs Gesicht schwankte wie ein Baum im Wind. „Anni!“ Sie rannte in den Flur und zur Küche, eine Strecke, für die man exakt vier Schritte brauchte.
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