„Was brennt?“
„Nichts, keine Sorge, alles gut.“ Hätte ich statt blazing glowing sagen sollen? So früh morgens ist mein Englisch eben noch nicht spruchreif. „Was kann ich für Sie tun, Jens?“
„Haben Sie denn meine E-Mail nicht erhalten?“
„Doch, doch, aber ganz schlau bin ich nicht daraus geworden. Sie wollen an den Viktoriasee?“
„Ja. Und ich brauche einen guide , jemanden, der sich auskennt, übersetzen kann und vielleicht auch Tauchersachen auftreibt. Sie wissen doch, was ich vorhabe! Wär’ das nichts für Sie?“
Alles eine Frage des Preises, wie es meine geschäftstüchtige Tante ausdrücken würde. Weiß der Mann eigentlich, dass ich allein lebe? Dass ich ziemlich frei verfügbar bin? Nein, das kann er gar nicht wissen. So wäge ich meine Antwort sorgfältig ab. „Das kommt jetzt alles etwas plötzlich, Jens. Natürlich würde ich Ihnen gern behilflich sein, aber ...“
Das hatte ich vor Jahren schon einmal für Petermann getan. Damals war ich ihm tagelang quer durchs Land in den hintersten Winkel im Süden gefolgt, dann hatte er mich gebraucht und angestellt. Kurz darauf saßen wir beide im Knast. Da scheint mir meine Verhandlungsposition heute deutlich stärker. Immerhin fungiere ich seit meinem vierzigsten Geburtstag letztes Jahr als einer der ersten, einzigen und somit besten Privatdetektive Tansanias, sieht man mal von der Handvoll Sherlock Holmes ab, die sich in den ausländischen Security Firmen zum Schutz der wazungu und anderer Rohstoffjäger bei uns im Lande tummeln. Seither halte ich mich fit und gehe täglich mindestens einmal vor die Tür. Zur Werbung mit einem Körper wie Will Smith allerdings wird meine Figur nie taugen, die kommt eher nach Columbo.
„Gut, gut, ich verstehe, Hannes. Können wir uns darüber vielleicht heute Abend bei einem Bier unterhalten? Ich lade Sie ein!“
Das geht mir alles ein wenig schnell, aber was soll ich schon dagegen haben? So viele lukrative Aufträge lauern ja nun nicht hinter hiesigen Straßenecken. Ich bleibe also verbindlich. „Klingt nett. Wo werden Sie denn unterkommen, Jens?“
„Hab’ mich für zwei Nächte im Arusha Crown Hotel einquartiert, ist modern, nicht so teuer und liegt zentral.“
„Kenne ich, so ein Eckhaus direkt am Stadion, nicht wahr?“
„Ja. Auch für Sie ist hier ein Zimmer reserviert, Hannes. Heute Abend um acht an der Bar? Natürlich übernehme ich die Kosten ...“
Längst sitze ich senkrecht auf meinem Bett. „Okay, Jens, ich werd’s versuchen. Muss allerdings erst noch einiges umorganisieren. Wenn was dazwischen kommt, sag ich im Hotel Bescheid.“ Auf keine Frau oder Familie Rücksicht nehmen zum müssen, hat seine Vorteile. Nicht nur, weil man sich dann weniger streitet. Eine solche Einladung kann ich als Geschäftsmann ja gar nicht ablehnen. Aber das muss ich dem Deutschen nicht unbedingt auf die Nase binden.
Den Tagverbringe ich entspannt mit drei, vier extra süßen chai . Am Nachmittag leiste ich mir bei meinem Nachbarn Yussuf, der seinen kleinen Kiosk erst kürzlich mit einem Kühlschrank ausgestattet hat, ein wunderbar kaltes Kilimanjaro Lager . „Hast den ganzen Tag Strom gehabt, wie?“
Yussuf überlässt mir auch seinen „Guardian“, der mit der Schlagzeile aufmacht, ein mutmaßlicher Legionär der „berüchtigten Söldnerorganisation Executive Output“ sei im Nordwesten, in Bukoba kurz vor Uganda, festgenommen worden. Niemand wisse, aus welcher Richtung der Mann gekommen sei, er „schweige eisern“.
Executive Output macht man überall in Afrika für klandestine Sabotageaktionen, Guerillakriege hinter den Fronten, völkerrechtsfeindliche Agitation und Propaganda verantwortlich. Zwar habe Südafrika die Söldnerbande bereits 1998 verboten, aber spätestens seit dem zweiten Irak-Krieg weiß alle Welt, dass es Nachfolgeorganisationen in Florida und Prag gibt. Die örtliche Polizei in Bukoba warte nun auf das Eintreffen einer speziell ausgebildeten Verhörspezialistin vom Geheimdienst TISS, die den Grund für die Anwesenheit eines Executive-Output-Legionärs im friedliebenden Tansania herausbekommen soll. Schließlich sei es nicht hinnehmbar, dass Tansania zum Operationsgebiet dieser rassistischen Kriegstreiber werde, die einen fürchterlichen Ruf in allen Konflikten der Nachbarländer besitzen.
Hinter mir geht gerade die Sonne unter, die Gletscher des Kibo strahlen unter den Wolken im rötlichen Glanz, als ich auf dem Busbahnhof von Moshi ins daladala nach Arusha steige. Seit ausgerechnet am Ostersonntag eines dieser stets überquellend durch die Gegend rasenden Sammeltaxis bei Himo frontal mit einem Laster zusammenstieß und 17 seiner rund 30 Passagiere in den Tod, den Rest in lebenslange Qualen riss, ist bis zur Stadtgrenze stets ein Bulle mit an Bord. Er soll aufpassen, dass das Fahrzeug nicht überfüllt wird. 14 Sitze für 14 Personen plus fünf Stehplätze, mehr sei nun wirklich nicht mehr drin, predigt seit Wochen die lokale Presse.
Kurz hinterm Golfplatz steigt der Verkehrspolizist aus, keinen Kilometer weiter stoppt der Fahrer sein Gefährt erneut, um fünf zusätzliche Fahrgäste aufzunehmen. Niemand protestiert. Die Straße wurde erst vor einem Jahr frisch asphaltiert, so rasen wir fast ohne zu rumpeln gen Westen auf den Mount Meru zu. Draußen ist es mittlerweile fast dunkel. Ich habe es mir auf meinem Platz am Gang bequem gemacht und nicke immer mal wieder weg.
Pünktlich um viertel vor acht fährt das daladala auf den pulsierenden Busbahnhof von Arusha. Petermanns Crown Hotel liegt um die Ecke, ein auffälliger Neubau gegenüber des Stadions, wo ich zuletzt manche Niederlage des akut abstiegsbedrohten Arusha FC miterlebt habe – Erstligafußball, den es in Moshi nicht zu sehen gibt.
Schon in der Lobby sehe ich den langen Deutschen an der Bar. Ein wenig blasser und faltiger im Gesicht, aber eindeutig der mzungu , mit dem ich 2009 Schüttes Schatz gefunden habe. Der Deutsche macht einen untypisch gelösten Eindruck, als hätte er schon einige Bier intus. „Jens! Karibu, welcome back in Tanzania! Schön Sie wiederzusehen!“
„Hannes, das ist ja toll, dass das so spontan klappt! Freut mich, dass Sie es einrichten konnten. Hatten sie eine gute Fahrt?“ Lallen tut er nicht. Vielleicht gibt es ja auch unter wazungu Typen, die sich zwischenzeitlich mal einfach so entspannen?
„Ja, ja, schon okay, auch wenn die daladalas nicht sicherer werden. Bin öfter mal hier, Fußballgucken.“ Petermann folgt meinem Wink über die Straße und scheint erstmals zu realisieren, dass in der Arena nebenan trotz ihres verfallen wirkenden Zustands hochklassiger Sport betrieben werden könnte. Jetzt, im Dunkeln, treiben sich vor den Tribünen nur ein paar zugedröhnte Jugendliche herum. Der Deutsche ist jetzt aufgestanden, bestellt zwei Bier und schlendert vor mir her zu einem Tisch im hinteren Bereich des Foyers.
„Bin da dran lang gelaufen, heute Mittag ...“ Petermann erzählt, dass er bald nach dem Einchecken einen Spaziergang zur nahen Freiheitsfackel gemacht habe, dem Ehrenmal für unsere Unabhängigkeit. Danach sei er rüber ins Museum geschlendert, das der hier 1967 verabschiedeten, berühmten Arusha-Deklaration gewidmet ist und an die bahnbrechenden Ideen von mwalimu Julius Nyerere erinnert, dem Lehrer und Vater der Nation.
„Bei uns im Norden wird ihr Nyerere ja oft verunglimpft als Kommunist und Bankrotteur, dabei hat der doch ganz tolle Sachen gemacht. Seine Alphabetisierungs- und Dorfgründungspolitik war doch eigentlich ein Segen für ihr Land, oder?“
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