Wenn es nun möglich ist, einen Anfall von Kopfweh oder von einem andern Leiden zu einem bestimmten Zweck tagelang hinauszuschieben, ist es dann ein ungereimter Gedanke, vorauszusetzen, solche Anfälle könnten auch auf immer hinausgeschoben werden?
Wie oft erlebt man es, dass junge Mädchen sofort „genesen“, wenn irgendetwas vorfällt, das ihnen wichtig ist oder sie erregt. Eine Einladung zu einem Ball oder einer Gesellschaft oder sonst einem Vergnügen wirkt wie ein Belebungsmittel; für diesmal sind sie vollständig geheilt und so gesund wie alle andern, bis das Vergnügen vorbei ist.
Allzu nachsichtige Mütter sind für diese geistige und körperliche Schwäche ihrer Töchter zu tadeln – denn dies ist nichts anderes. In vielen Häusern ist ein Sofa oder ein Langstuhl ein wahrer Fluch, denn sie sind eine Versuchung sich hinzulegen und jedem kleinsten Übelbefinden nachzugeben.
Sobald du dich von deinen Stimmungen und Einbildungen beherrschen lässt, öffnest du allen Feinden deines Glücks, deines Erfolgs und deiner Gesundheit Tür und Tor. Gib unter gar keinen Umständen Gedanken der Krankheit, der Trägheit Raum; ehe du dich’s versiehst, bist du sonst ihr Sklave.
Der beste Schutzwall, den du um dich errichten kannst, ist der feste Entschluss, Herr deiner selbst zu bleiben – dich von Launen, Stimmungen und Einbildungen irgendwelcher Art nicht beeinflussen zu lassen. Du wirst finden, wenn du Großes von dir selbst erwartest, immer die höchsten Anforderungen an dich selbst stellst und keine Entschuldigungen gelten lässt, die dein Körper vorbringen möchte, dass dann deine Gesundheit besser ist und du unendlich viel mehr fertig bringst, als wenn du deine Empfindungen Herr über dich sein lässt.
Vergiss nicht, dass deine angeborene innere Widerstandskraft dein Schutz nicht nur gegen geistige, sondern auch gegen körperliche Übel ist.
Sobald ein kämpfendes Heer sich selbst aufgibt, ist es auch geschlagen. Sobald dein Wille unterliegt, sobald du dir selbst sagst, dass dich der Feind ergreifen werde, so ist es schon so gut, als hättest du die Waffen weggeworfen und dich dem Feind ergeben.
Sei gut gegen dich selbst – nähre dein Gehirn
Treue gegen andere ist ein sehr schöner Zug, allein Treue gegen dich selbst ist eine ebenso wünschenswerte Eigenschaft. Es ist tatsächlich eine ebenso große Sünde, nicht gut gegen sich selbst, als nicht gut gegen andere zu sein. Es ist jedermanns heilige Pflicht, sich selbst körperlich und geistig im besten Zustand zu erhalten, sonst kann niemand die göttliche Sendung, die zu erfüllen er in die Welt gestellt ist, wirklich durchführen.
Es ist jedermanns heilige Pflicht, sich in einem Zustand zu erhalten, der ihm das Höchste, wozu er fähig ist, möglich macht. Es ist entschieden eine Sünde, sich in einem matten, herabgekommenen, erschöpften Zustand geraten zu lassen, so dass man seinem Lebensberuf oder sonst einer großen Anforderung, die das Leben an einen stellt, nicht gewachsen ist.
Es gibt viele Leute, die zwar gut gegen andere sind, aber nicht gut gegen sich selbst. Sie geben nicht acht auf ihre Gesundheit, ihren Körper, suchen nicht ihre Kraft zu erhalten und ihre Hilfsmittel zu sparen. Sie sind die Sklaven anderer und Tyrannen gegen sich selbst.
Wo wir nur hinsehen, erblicken wir Männer und Frauen mit glänzenden natürlichen Gaben, gescheiten Köpfen, die untergeordnete Arbeit tun, wegen herabgesetzter Lebenskraft und schlechter Gesundheit. Ihr erstklassiger Verstand bringt es nur zu einem halben Erfolg, weil er nicht gestützt wird durch eine gute Gesundheit, einen kräftigen Körper. Es ist nicht immer das beste Gehirn, sondern das bestgenährte Gehirn , das am meisten leistet.
Man muss ein Riese sein, um eine Riesenarbeit zu leisten. Einerlei wie gut dein Gehirn sein mag, wenn du nicht den Magen, die Lungen und die andern Organe des Körpers zu seinen Verbündeten machst und dein Gehirn nicht in jeder Weise unterstützt, wirst du niemals die Erfolge erzielen, die du erstrebst.
Was nützen alle Fähigkeiten, wenn du sie nicht zu brauchen vermagst, was nützen Kräfte, die gehemmt, geschwächt sind durch kleinliche, falsche Sparsamkeit. Was nützt dir ein guter Kopf, was nützt dir selbst Geist, wenn du körperlich schwach bist, wenn deine Lebenskraft entweder durch unsittlichen Lebenswandel oder durch Mangel an der nötigen Körperpflege so herabgesetzt ist, dass deine Tatkraft schon durch die kleinste Anstrengung erschöpft wird.
Lebenskraft ist so notwendig, hat so viel zu bedeuten für den Erfolg im Leben, dass jedermann sie für ein viel zu kostbares Gut achten sollte, als dass er es sich antasten ließe oder es vergeuden möchte.
Viele Menschen machen sich gar nicht klar, wie weitgehend ihr Fortkommen in der Welt von einem kräftigen Körper abhängig ist. Jede geistige Eigenschaft, jede einzelne Fähigkeit, jede Tätigkeit wird ganz wunderbar gekräftigt, die ganze Leistungsfähigkeit des Menschen überhaupt vervielfacht durch eine gute Gesundheit.
Alles, was die Körperkraft herabsetzt oder die Gesundheit schädigt, schwächt früher oder später auch den Geist und vermindert die Leistungsfähigkeit. Dass so viel Arbeit in der Welt schlecht getan wird, rührt zum großen Teil daher, weil sich die Leute nicht in einem Zustand erhalten, ihre Arbeit gut zu verrichten. Niemand kann das Beste leisten, dessen er fähig ist, wenn er sich nicht ganz auf der Höhe fühlt, und seine Lebensweise hat einen gewaltigen Einfluss auf seine Gesundheit und auf seine Arbeit.
Wie viele Studenten, die für gute Prüfungszeugnisse büffeln, lassen ihren Körper aushungern, während sie ihren Geist vollstopfen. Es ist oft ergreifend zu sehen, wie sie sich anstrengen und dabei alle körperlichen Übungen vernachlässigen, nur um mehr Zeit für ihr Studium zu haben. Sie gehen nicht genügend an die frische Luft. Sie haben wenig Genuss und Vergnügen von ihren Studentenjahren, und schlimmer noch, sie essen nicht genug, und was sie essen, ist oftmals nicht von der richtigen Beschaffenheit. Der Erfolg davon ist häufig ein körperlicher Zusammenbruch.
Ein Gehirn, das mit wenig oder gar keiner Abwechslung immer mit der gleichen Arbeit beschäftigt ist, entwickelt nicht die kräftige, natürliche Tätigkeit des Gehirns, dem häufig Abwechslung und Erholung zuteil wird. Der Mann, der immer in seiner Tretmühle bleibt, der wenig Spaß und Vergnügen in seinem Leben hat, wird meistens schon früh in seiner Laufbahn auf irgendein Nebengleis geschoben, schrumpft ein und vertrocknet aus Mangel an Abwechslung in seiner geistigen Nahrung. Nichts ist für körperliche und geistige Arbeit förderlicher als Abwechslung darin – als ein neuer Gesichtspunkt.
Die meisten unter uns führen Krieg mit sich selbst und sind ihre eigenen schlimmsten Feinde. Wir erwarten Großes von uns, aber wir versetzen uns nicht in einen Zustand, dieses Große auch zu erreichen. Wir sind entweder zu nachsichtig gegen unseren Körper oder nicht nachsichtig genug. Wir verzärteln oder vernachlässigen ihn, und es ist schwer zu sagen, welche von diesen beiden Behandlungsweisen sich am schlimmsten rächt. Wie wenige unter uns behandeln ihren Körper mit derselben weisen Sorgfalt und Überlegung, die sie einer teuren Maschine angedeihen lassen, die sich gut verzinsen soll.
Wenige Menschen nur unterstützen ihr Gehirn und nähren es mit allem, was es stark zu machen vermag, was reines Blut und einen kräftigen Körper schafft. Wie viele essen unregelmäßig oder essen zu viel oder zu wenig. Sie lassen sich wenig Zeit zum Schlafen, gönnen sich keine Erholung und gehen so gut wie nie an die frische Luft. Jedes Spiel im Haus und jeden Sport im Freien betrachten sie als Zeitverschwendung, und dann wundern sie sich, warum sie sich so wenig wohl fühlen, und warum es mit ihnen nicht rascher voran geht. Überall sehen wir Menschen, die zu früh alt geworden sind, weil sie zu viel gearbeitet und zu wenig gespielt haben. Die Einförmigkeit ist eine große Zerstörerin der Leistungsfähigkeit.
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