»Kannst du nicht einmal ernst bleiben?«, kam es vorwurfsvoll von Nancy.
Sie hatten den Baum, vor dem ihre Tochter immer noch stand, erreicht.
Susan deutete auf einen der Äste. »Seht doch nur, sieht sie nicht toll aus!« Das Mädchen zeigte auf etwas, das in dem Baum hing.
»Boh, was ist das denn für ein hässliches Ding«, stöhnte ihr Vater.
»Dad, sag das nicht!«, erschrak sich das Mädchen. »Sie mag das nämlich nicht.«
» Sie mag das nicht … Jetzt hör‘ aber auf, Susan«, sagte ihre Mutter streng. »Was soll das überhaupt sein?«
»Eine Hexe ist das, Mom. Eine wunderschöne Hexe«, schwärmte Susan.
»Eine Hexe?« Sofort wehrte sie ab. »Das Ding will ich aber nicht bei mir im Haus haben.«
»Och, bitte, Mom, Dad! Die würde gut in mein Zimmer ans Fenster passen«, bettelte das Mädchen. Susan biss sich auf die Lippe, und druckste herum. »Wisst ihr«, sagte sie, auf einmal flüsternd, »ich hab sie nicht zufällig gefunden. Sie hat mich gerufen.« Das Mädchen senkte den Blick. »Sie hat mir gesagt, dass sie mit mir nach Hause kommen will.«
»Wer hat dich gerufen? Und wer will mit dir nach Hause gehen?«, fragte ihr Vater, der es jetzt doch genau wissen wollte, nach.
Susan zeigte auf die Hexe. » Sie hat mich gerufen. Sie will mit mir mit. Zu uns nach Hause. Mit in mein Zimmer.«
Ihr Vater schüttelte entschieden den Kopf. »Auf gar keinen Fall!« Sein Blick streifte seine Frau. »Du hast gehört, was deine Mutter gesagt hat. Sie will das Ding nicht im Haus haben. Und was Ma sagt, wie du weißt, Tochter, ist Gesetz«, entschied ihr Vater bestimmt.
»Danke. Jetzt bin ich wieder die Böse«, brummte Nancy.
Nick zog seine Tochter vom Baum fort, doch immer wieder schaute sie über ihre Schulter, zu der Hexe hin.
»Würdest du jetzt bitte richtig laufen«, begann ihre Mutter, zu schimpfen. »Und lass endlich den Blick von dem scheußlichen Ding!«, befahl sie.
»Tschüss, Hexe«, sagte Susan traurig und warf nochmals einen Blick über ihre Schulter, um wenigsten noch einen letzten Blick auf die Hexe zu tun. Doch – die Hexe war weg. »Da, jetzt hat sie ein anderer mitgenommen. Wir hätten sie doch auch kaufen können«, jammerte die Kleine.
»Besser sie hängt bei anderen im Haus, als bei uns. Und jetzt will ich nichts mehr darüber hören.« Ihre Mutter warf ihr einen strengen Blick zu.
»Geht ja auch gar nicht mehr, wenn sie ohnehin verkauft ist«, maulte Susan, und ging gehorsam mit ihren Eltern weiter. Die Lust am Yard-sale war ihr vergangen.
Nach zwei Stunden, entschied Nick: »Für heute reicht es mir mit diesem Häuserflohmarkt. Doch keine Sorge, ich habe auch schon eine Idee, wie wir den Tag weiter verbringen.« Ein Schmunzeln legte sich um seine Mundwinkel, als er seine beiden Frauen mit einem spitzbübischen Blick streifte. »Wir gehen jetzt nach Hause. Dort kochen wir uns gemeinsam etwas Schönes.«
Nancy musste unwillkürlich lachen. »Als wenn du schon groß gekocht hättest.«
Nick zog die Braue hoch, während er sich ein Lachen verkniff. »Ich könnte heute damit anfangen, es zu lernen.«
»Oh ja, Dad. Wir beide grillen Burger!«, freute Susan sich. Für den Augenblick war die Hexe vergessen. Es nutzte ja auch nichts, weiter über sie nachzudenken, ein anderer hatte sich für sie entschieden. Vielleicht würde sie beim nächsten Yard-sale wieder die Möglichkeit haben, zu einer Hexe zu kommen, tröstete sie sich.
»Da hörst du es, Nan‘. Deine Tochter und ich, wir grillen heute Burger.«
»Weil du dafür ja auch soviel können musst, du armer Mann.«
»Sag das nicht! Ich muss immerhin aus dem Froster die Burger holen.« Nick grinste breit.
»Pass nur auf, dass du dich dabei nicht überanstrengst«, versuchte Nancy, in strengem Ton, zu sagen. »Und achte auf deine Finger. Wir wollen ja nicht, dass dir am Ende noch Frostbeulen wachsen.«
Nick betrachtete seine Hände. »Ich werde gut auf die beiden aufpassen«, konterte er lachend; und auch Susan fiel in das Lachen mit ein.
»Grandpa ist da!«, freute Susan sich, als sie den blauen Van ihres Opas, in der Einfahrt stehen sah. »Bestimmt hat er wieder eine neue Geschichte für mich.«
»Aber nicht wieder über Hexen, hoffe ich«, kam es ernst von Nick.
»Grandpa sagt, dass es sehr wohl Hexen gibt«, lachte Susan und rannte davon.
»Toll, der hat mir gerade noch gefehlt«, stöhnte Nancy. Der Gedanken an Hexen jagte ihr einen unangenehmen Schauer über den Rücken. »Und jetzt hast du es selbst gehört, woher sie ihre Spinnerei mit den Hexen hat.« Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. »Dein Vater redet ihr das ein! Überhaupt«, sie amtete hart aus, »warum tut er das nur immer wieder?«
Nick bemerkte nicht, dass sie erzitterte, bei dem Gedanken an Hexen.
»Was hast du nur gegen meinen Vater?«, kam es genervt von Nick. Er wusste zu gut, dass seine Frau seinen Vater sehr gut leiden konnte, weniger allerdings mochte sie, dass der Mann ihrer Tochter stets irgendwelche Schauermärchen erzählte. Sie machte den Mann auch dafür verantwortlich, dass Susan diese Marotte mit den Hexen hatte. Nick unterdrückte ein Stöhnen. Als wenn er etwas dafür konnte, was sein Vater an Geschichten an seine Tochter weitergab. Ihm war dieser Hexenkram auch nicht recht. Dennoch, man musste es auch nicht derart übertreiben, wie Nancy es tat.
Hexen, Nancy schüttelte sich, mit denen konnte sie sich schon seit Jahren nicht mehr anfreunden. Auch dann nicht, wenn es nur Phantastereien waren, die sich die Menschen über sie erzählten. Und sie hatte ihre Gründe dafür. Doch davon wusste eigentlich niemand.
Auch Grandpa Dan, Nicks Vater, war einer von denen, die es liebten, immer wieder aufs Neue, sich Geschichten über Hexen auszudenken – und Susan eine begeisterte Zuhörerin!
Eine Zuhörerin, magisch von Hexen und deren Geschichten angezogen, wie auch Nancy es einst gewesen war – vor vielen Jahren.
Susan rannte auf ihren Opa zu.
Dan fing sie auf und schwenkte sie in seinen Armen. »Hallo, Kleines. Hast du dich schon gut eingelebt?«, fragte er.
»Geht«, antwortete Susan. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie gar nicht hierher ziehen müssen. Aber ihr Vater war an die hiesige Schule versetzt worden, und so war ihnen nichts anderes übriggeblieben, als nach Coconut-bottle umzuziehen.
»Hi, Dad, schön, dich zu sehen«, begrüßte Nick seinen Vater.
»Hallo, Dan.« Nancy umarmte den Schwiegervater. »Aber nicht wieder irgendwelche Hexenmärchen für Susan«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Dan grinste. »Nancy, du kennst mich doch«, sagte er daraufhin lachend.
Nancys Blick wurde ernst. »Eben deshalb!«
»Komm rein, Dad! Susan und ich wollen uns heute im Burger-Grillen üben«, forderte Nick seinen Vater auf, mit ins Haus zu kommen.
»Burger?«, der ältere Mann schaute zu seiner Enkeltochter hin. »Da komme ich ja genau richtig.« Er schwenkte den Blick zu Nancy. »Hast du Kartoffeln im Haus? Und Quark?«
Die Frau nickte.
»Dann werde ich mich für die Folienkartoffeln und die Sauercreme zuständig fühlen.«
»Du willst …«, setzte Nancy an.
»Yes, I will«, lachte er. »Gib mir nur alles, was ich brauche, und den Rest mach ich. Du kannst ja unterdessen ein Bad nehmen, oder dir eine Soap im Fernsehen anschauen«, schlug er ihr vor.
»Okay. Nick, zeigst du deinem Vater, wo wir die Kartoffeln und den Quark haben? Wo die Gewürze stehen, weißt du ja auch. Danke«, rief sie lachend, und ging nach oben, um sich ein Badewasser einzulassen.
Dan zog Susan zu sich heran. »Kennst du schon den neusten Hexenklatsch?«, fragte er sie, und flüsterte dabei.
»Nein. Du?« Susan schaute ihn mit großen Augen erwartungsvoll an.
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