Er schaute Fußball und rief aufgeregt: „Ja, ja,…. schieß endlich, schieß, schieß doch ….Tor, Tor…………….ach nein,…nein.“
Spät abends verabschiedete sich Burkhard, „tschüss, Pia, wir wollen uns wieder in der Garage treffen, Du weißt doch, die Carrera-Bahn, es macht so viel Spaß.“
„Geh nur“, sagte sie abweisend.
Kaum war Burkhard aus dem Haus, rannte sie nach oben in das Arbeitszimmer und schaltete den Computer ein. Wo war Surprise-36, sie suchte alle Räume ab, er war nicht da.
Maximilian-42 schrieb sie an: „Du hast einen sehr schönen Nicknamen!“
„Danke, Du auch“, antwortete sie ihm.
„Siehst Du auch die Sterne am Nachthimmel?“
Nun, Maximilian klang nett, sie hatte nichts anderes vor, also antwortete sie ihm: „Warte.“
Sie rannte die Treppe runter, raus vor die Tür und schaute sich den Himmel an.
„Es ist wunderschön draußen, ein ganz klarer Himmel“, war dann etwas später ihre Antwort.
Maximilian-42 schickte ihr drei Smileys.
Sie suchte diese Gesichter in der Maske des Programms und schicke drei zurück.
Cool, fand sie, sie wurde immer besser. Wie viele verschiedene Smileys es doch gab.
„In solchen Nächten bin ich immer sehr einsam und wünsche mir eine Frau an meiner Seite.“
Sie schluckte, ihr Herz brannte, die Tastatur verschwamm vor ihren Augen, als sie antwortete: „Ich bin auch fürchterlich einsam, ich bin so alleine.“ Oh, wie schlecht ging es ihr.
„Ich würde jetzt gerne Deine Hände streicheln und Dich trösten. Schade, dass Du nicht hier bist“, Maximilians Antwort war so feinfühlig.
Sie atmete tief ein, ihre Hände zitterten, Maximilian löste irgendetwas in ihr aus, das sie noch nicht gefühlt hatte, als sie antwortete:
„Es ist schön, Dir zu antworten.“
Maximilian erzählte aus seinem Leben, er war Chemiker und arbeitete in einem Forschungszentrum in Hamburg, sie berichtete von Burkhard, von der Carrera-Bahn und von ihrem Haus. Die Gesprächsthemen wurden immer persönlicher und romantischer und mittlerweile war es fast wieder 4 Uhr morgens und sie war so müde. Aber sie wollte für keinen Preis der Welt den PC verlassen, was sollte sie auch im Bett, sie könnte sowieso nicht schlafen. Burkhard war immer noch unterwegs.
„Schau einmal nach draußen, es wird hell. Die Vögel fangen an zu zwitschern. Ich würde Dich jetzt gerne mal umarmen und küssen und dann Deinen Körper streicheln.“
Maximilian schrieb so wunderschöne Sätze.
Eine Gänsehaut durchlief spontan ihren Körper, sie spürte es fast, wie er sie umarmte und liebevoll küsste. Sie fühlte tatsächlich seine Hände, die sie streichelten. Es war wunderschön.
„Ich spüre Dich“, schrieb sie gerade und fühlte eine unbekannte Erregung.
In diesem Moment flog die Tür hinter ihr auf, Burkhard checkte die Situation mit einem Blick, hastete zum PC, las die letzten Sätze, noch bevor sie irgendeine Taste drücken konnte. Dann riss er wutentbrannt den Stecker aus der Wand. Der Bildschirm wurde augenblicklich schwarz.
Wütend schrie Burkhard sie an und schüttelte heftig an ihren Schultern, ihr Kopf wackelte hin und her. Seine Hände drückten sich so tief in ihr Fleisch, dass er ihr wehtat und dass sie bestimmt wieder davon blaue Flecken bekommen würde:
„Lass so einen Mist, was soll das? Ich spüre Dich?Was für blöde Sachen schreibst Du hier einem wildfremden Typen aus dem Internet? Du kennst den Kerl doch gar nicht!“
Sie riss sich aus seinen Fängen und rannte aus dem Zimmer, bevor die Situation noch weiter eskalierten konnte. Dann holte sie sich ihre Matratze und ihre Bettdecke aus dem gemeinsamen Schlafzimmer, zog beides über den Flur und schloss sich schnell im Abstellraum ein.
Am nächsten Morgen schlich sich Pia verängstigt die Treppe runter und setzte sich an den Esstisch. Und wartete auf ein Donnerwetter. Burkhard aber verhielt sich wie immer, sie atmete auf. Dann hörte sie, wie er in den Abstellraum ging und ihre Matratze zurück ins Schlafzimmer trug. Als sie sich unbeobachtet fühlte, holte sie die Matratze zurück. Sie wollte nicht bei ihm schlafen. Er hatte irgendwas in ihr kaputt gemacht.
Von da blieb Burkhard leider zuhause, er ging nicht mehr abends aus. Die Situation war ihm wohl zu heikel geworden. Sie wartete jede Nacht ab, bis er fest eingeschlafen war und sie sein gleichmäßiges Schnarchen hörte.
Dann schlich sie sich heimlich zum PC, ging online, aber weder Maximilian-42 oder Surprise-36 waren in den Chatrooms unterwegs. Mit einem Ohr horchte sie dabei immer ängstlich Richtung Schlafzimmer. Er sollte sie nicht noch einmal am Computer überraschen. Das könnte gefährlich werden.
Es öffnete sich ein Fenster auf ihrem Bildschirm und Füchschen schrieb: „Was hast Du an?“
Füchschen, Du bist immer online, dachte sie und schaute an sich runter und lachte leise, Nachthemd und Hausschuhe, aber das möchte Füchsen bestimmt nicht lesen, also schrieb sie, während sie ein kleines Teufelchen ritt:
„Ich trage nur rote High-Heels!“
Oh Mist, nicht auf flüstern gedrückt, alle Leute im Chatroom lasen mit, was sie schrieb. Na ja, mit hochrotem Kopf fand sie trotzdem, dass es ganz cool so zwischen den Krankengeschichten der anderen aussah und den Laden etwas aufmischte.
Auf einmal öffneten sich jede Menge Fenster und flüsterten sie an. Die schienen auf so etwas nur gewartet zu haben, schoss es ihr durch den Kopf, denen ist auch langweilig.
Star196X flüsterte, „Na alte Lady, mischt Du hier den Laden auf?“
Der Schreibstil kam ihr bekannt vor, kann das surprise-36 sein??
„Star196X, kenne ich Dich?“
„Na, klar, ich hab Dich schon jeden Tag mit immer anderen Nicknamen angeschrieben, aber Du warst bockig!“
„Wie heißt Du wirklich, Star196X?“
„Tim.“
„Hallo Tim, bitte mach solche Versteckspielchen nicht mehr mit mir, ich finde das blöde“
„Schade, ich hatte viel Spaß mit Dir!“
„Tim, hast Du meine SMS nicht erhalten?“
„Och doch, hast Dir echt Mühe gegeben, hab mich kaputt gelacht, waren gerade mal 4 Wörter.“
„Tim, ich brauche jemand, mit dem ich reden kann, können wir ab und zu miteinander chatten?“
„Na klar, für einsame Frauen habe ich immer Zeit. Wo ist denn heute Dein Mann?“
„Der liegt im Bett und schnarcht, der geht nicht mehr aus.“
„Ich hab jetzt wieder Feierabend, Du kannst ja mal Deine zweite SMS versuchen, vielleicht wird die etwas umfangreicher!“
„Nein, ich traue mich nicht, bin schon froh, dass Burkhard bis jetzt nichts gesagt hat. Die Telefonrechnung müsste schon längst da sein, und die SMS auffallen.“
„Na dann, mach es gut, ich bin nur unregelmäßig online, kannst aber immer mit mir reden, meine Handy-Nummer kennst Du ja.“
Weg war er, sie schaltete den PC aus, weil sich immer noch neue Fenster öffneten und sie auf ihre High Heels ansprachen.
Es war ja echt komisch, überlegte sie, dass Burkhard nichts zu ihrer SMS gesagt hatte. Wo lagen eigentlich die Telefonrechnungen? Burkhard war selbstständig, und da er die ganzen Rechnungen zahlte, die sein Geschäft betrafen, hatte sie ihm praktischerweise auch ihre Geldangelegenheiten und ihre Konten überlassen. Sie waren schließlich verheiratet und sie vertraute ihm blind.
Sie wartete ab, bis Burkhard am übernächsten Tag endlich einmal wieder außer Haus war, setzte sich an seinen Schreibtisch, kramte in den Unterlagen und fand einen Stapel unsortierter Rechnungen in der rechten untersten Schublade. Diesen Stapel blätterte sie durch und fand darin auch die letzte Telefonrechnung.
Was sie da las war unfassbar für sie. Das konnte nicht wahr sein! Sie glaubte ihren Augen nicht! Ihr Herz klopfte plötzlich bis zum Hals.
Da standen 544 SMS auf der Rechnung für März????
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