Als die Assistentin gegangen war, kam Martin sich auf einmal ziemlich blöd vor. Wie ein pubertierender Schuljunge, der sich heimlich einen runterholte. Nur war es jetzt noch schlimmer, denn hier in dieser Praxis wussten alle, was er gleich machen würde. ‚Aber egal‘, sagte er zu sich, ‚da musst du jetzt durch, Alter, außerdem ist das für die hier sowieso nur Routine.‘ Und dann schloss er seine Augen, um sich zu entspannen und sah urplötzlich, ohne dass er etwa bewusst an sie gedacht hätte, Kim vor sich, genauso wie sie damals ausgesehen hatte, als die beiden noch ein Paar waren. Die Leidenschaft dieser Zeit war ihm plötzlich wieder gegenwärtig und sehr hilfreich dabei, hier in diesem fremden sterilen Raum seine Aufgabe zu erfüllen.
„Oh, da sind sie ja schon, ist alles in Ordnung?“, das süße Lächeln der jungen dunkelhaarigen Schönheit machte ihn ein weiteres Mal verlegen. „Jetzt benötige ich nur noch etwas Blut von ihnen und dann sind sie schon erlöst. Kommen sie bitte einmal mit mir in das Labor hier nebenan.“ Er nickte kurz und folgte Julia. Nach der Blutentnahme ging er zurück in den ersten Warteraum, wo jetzt leise eine angenehme Instrumentalmusik spielte.
Unterdessen wurde Laura von der Ärztin in einem kleinen gemütlichen Büro zu weiteren Einzelheiten befragt. „Zu meinem eigenen Verstehen und um sie besser kennenzulernen, möchte ich ihnen gern noch einige Fragen stellen, ist das okay für Sie?“ Laura nickte und sah Frau Teske gespannt an. „Wenn sie sich eine Skala von 1 bis 10 vorstellen, wo würden sie den Wunsch nach einem Kind in etwa ansiedeln? Eins bedeutet eine niedrige und zehn eine hohe Priorität.“ „Ich würde sagen bei 8.“ „Nehmen wir einmal an, ihr Mann wäre biologisch nicht in der Lage ein Kind zu zeugen, wie groß wäre ihre Bereitschaft eine Fremdspende in Betracht zu ziehen?“ Laura war überrascht, denn über diese Frage hatte sie noch gar nicht nachgedacht. „Tja, schwer zu sagen, ich denke etwa bei 5, ja – so in der Mitte schwankend.“ „Nehmen wir den umgekehrten Fall an: Ihr Körper könnte keine befruchtungsfähigen Eizellen erzeugen, beziehungsweise sie wären nicht in der Lage einen Embryo auszutragen, wie hoch wäre ihre Bereitschaft über eine Leihmutterschaft nachzudenken?“ Laura schüttelte ihren Kopf und rief: „Aber das ist doch gar nicht erlaubt!“
„Sie haben Recht, in Deutschland ist es gemäß Embryonenschutzgesetz nicht gestattet, ein befruchtetes Ei von einer fremden Frau austragen zu lassen und gleichzeitig Rechte an einem so geborenen Kind zu erwerben. Von anderen juristischen Folgen einmal ganz abgesehen. Bei unseren Nachbarn in Belgien und Holland jedoch und in vielen anderen Ländern ist die sogenannte Fremdreproduktion allerdings erlaubt. Was meinen sie, käme das eventuell auch für sie in Betracht?“ Laura schien von der Frage leicht überfordert zu sein, denn sichtlich nervös überlegte sie eine ganze Weile, bevor ihre zögernde Antwort kam: „Also ich weiß nicht, es müsste schon etwas von mir oder Martin dabei sein denke ich, ansonsten würde ich es wahrscheinlich ablehnen.“ „Nun, Frau Petri, das ist bis jetzt ja nur reine Theorie. Ihre Antworten sollen mir auch nur helfen, ein klareres Bild von ihnen und ihren Wünschen zu bekommen. Wenn sie bereit sind, würde ich nun gerne mit der Untersuchung beginnen.“
Die Ärztin ging voran in ein sehr modern eingerichtetes Behandlungszimmer, das mit speziellen technischen Geräten ausgestattet war, die Laura bei ihrem Gynäkologen noch nie gesehen hatte. Frau Teske erklärte ihr, wie sie nun vorgehen werde. „Dieses Instrument hier trägt an seiner Spitze eine Kamera, damit werde ich ihre Gebärmutter und die Eileiter untersuchen und mir somit einen genauen Einblick von den Gegebenheiten in ihrem Inneren verschaffen. Gleichzeitig entnehme ich einige Proben und abschließend wird das andere Gerät dort drüben in einem Bogen einmal ganz langsam um ihren Oberkörper herumkreisen und Bildmaterial von der Lage aller Organe in ihrer Bauchhöhle erzeugen. Nach einer Blutabnahme durch meine Mitarbeiterin wären sie dann für heute fertig. Sobald die Auswertung der Ergebnisse vorliegt, also spätestens übermorgen, werden sie von mir umfassend informiert.“
„Aber übermorgen ist Sonntag!“ „Ich weiß, ich weiß, meine Liebe, aber wir arbeiten hier meist an sieben Tagen in der Woche, wenn nicht gerade Ostern, Pfingsten oder Weihnachten ist.“ Die Ärztin lächelte stolz. „Ich denke, die Schnelligkeit, die wir dadurch zu leisten in der Lage sind, kommt unserer Klientel sehr entgegen.“ Die kühle Freundlichkeit von Frau Teske, die auf eine ganz sonderbare Art gleichzeitig Kompetenz und Vertrauen ausstrahlte, ließen Laura ganz ruhig werden und sie gab sich allen Untersuchungen in einer überraschenden Gelassenheit hin.
Gut gestimmt öffnete Laura danach die Tür zum Wartezimmer und winkte Martin fröhlich heraus. „So, fertig, bei dir auch alles okay?“ „Ja, alles gut soweit.“ „Na dann komm, wir erhalten schon übermorgen Bescheid, ist das nicht toll?“ Martin nickte und dann verabschiedeten sich beide von den freundlichen Assistentinnen und verließen das Haus. „Wollen wir gleich hier in Altona etwas essen oder lieber heimfahren?“ „Ach weißt du Laura, ich glaube wir machen es uns zu Hause gemütlich, wir haben doch alles da und den Wein, den ich gerne trinke, bekomme ich hier doch sowieso nicht.“ Seine Frau war einverstanden und so fuhren sie auf direktem Weg zu sich nach Hause.
Bei der Vorbereitung des Abendessens fragte Laura hintergründig: „Na – wie war es so bei dir?“ „Das kannst du dir ja wohl in etwa vorstellen, oder?“ „Eigentlich schon, ich hoffe nur, du brauchtest von der hübschen Dunkelhaarigen keine Hilfestellung, oder?“ Sie drohte ihm lächelnd mit ihrem Zeigefinger. „Also wenn du wissen möchtest, ob sie mir zur Hand gegangen ist, nein – ist sie nicht, mein Schatz.“ Beide mussten lachen, es war zwischen ihnen übrigens eine seit langem bewährte Methode, peinliches einfach wegzulachen. „Aber erzähl du doch mal.“ Martin blickte Laura gespannt an.
Sie erzählte ihm von den weitergehenden Fragen der Ärztin und dem Verlauf der Untersuchungen. „War das irgendwie unangenehm?“ „Nein, überhaupt nicht, ich war auch gar nicht mehr aufgeregt. Die Frau Teske hat eine irgendwie beruhigende Art – obwohl – ich weiß nicht, ob ich mit ihr so richtig warm werden könnte? Bei aller Kompetenz und Empathie, die sie einen fühlen lässt, geht irgendwie ein gewisses Distanzbedürfnis von ihr aus, aber so richtig kann ich es gar nicht erklären.“ „Eigentlich hatte ich erwartet, dass sie sich auch von mir verabschieden würde, nachdem wir fertig waren, aber da hat sie sich ja nicht mehr blicken lassen.“ „Ach Martin, das ist doch nicht so wichtig, wahrscheinlich hat sie gleich mit den Laboruntersuchungen und der Auswertung der Aufnahmen begonnen.“
„Ziemlich aufregend finde ich, dass wir schon am Sonntag über alles Bescheid wissen sollen. Ich bin mir noch gar nicht darüber im Klaren, wie wir dann damit umgehen werden.“ „Laura, wir haben zunächst einmal abzuwarten, was sie überhaupt sagen wird und dann sehen wir weiter.“ „Ich wundere mich nur, dass sie heute schon nach meiner Meinung über eine Leihmutterschaft gefragt hatte, obwohl es in Deutschland für Ärzte unter Strafe gestellt ist, dabei mitzuwirken oder sogar zu vermitteln.“ Martin wurde plötzlich warm, denn an der Art, wie informiert sie darüber sprach merkte er, dass selbst dieses Thema für Laura kein Tabu mehr war. „Sie wollte damit bestimmt nur andeuten, dass es immer Wege gibt, unfreiwillig kinderlosen Paaren zu helfen. Ob das auch für uns in Betracht kommt, werden wir beizeiten gründlich überlegen, wenn es tatsächlich der einzige Ausweg sein sollte.“
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