Nach dem Essen machten die beiden Schwestern noch einen Streifzug durch die Modegeschäfte vom Jungfernstieg bis zur Mönckebergstraße. „Weißt du was, Laura, ich bin richtig froh, wieder hier zu sein. Ein Jahr New York, das hat mir wirklich gereicht, alles ist dort zu hektisch, zu laut und zu unpersönlich. Hamburg ist ja nicht wirklich klein und still, aber hier bin ich sofort wieder zu Hause. Es stellte sich ganz schnell das gute Gefühl ein, man lebt nicht nur um zu arbeiten, sondern das Leben spielt die wichtigste Rolle. Zeit zum Genießen, die nahm ich mir in den USA nie, obwohl das natürlich auch an mir gelegen hat, an meinem ganz persönlichen Befinden dort drüben, naja – Schwamm drüber, jetzt geht’s auf zu neuen Ufern!“
Am späten Nachmittag krönten sie diesen schönen Tag mit dem Besuch eines traditionellen Hamburger Cafés mit eigener Rösterei und Backstube. „Oh ich liebe es hier! So etwas Schönes und Stilvolles gibt es heutzutage ja nur noch in Europa, vorwiegend in Deutschland und Österreich denke ich, ansonsten sind die Städte in aller Welt überschwemmt von den immer gleichen amerikanischen Kettencafés und Schnellrestaurants, schrecklich.“ Kim war begeistert von der klassischen Einrichtung des Cafés, das eine wahre Fundgrube wertvoller Handwerkstradition war, die Generationen überdauert hatte. Da konnte ihre Schwester nur zustimmen. „Hast du eigentlich schon Pläne gemacht, für das kommende Jahr, Kim?“ „Du, ich bin noch gar nicht so weit. Erst einmal möchte ich hier richtig ankommen, im Hotel will ich ja auch nicht ewig bleiben, also werde ich mich bald um eine Wohnung kümmern.“ „Willst du denn dauerhaft wieder hier in Hamburg wohnen?“ „Nee, wie ich mich kenne, eher nicht, denn irgendwann treibt es so eine wie mich doch wieder hinaus in die Welt, vielleicht auch deshalb, weil ich das Zurückkommen immer so sehr genieße.“ Sie lachte. „Außerdem werden die mich von der Agentur beknien, schnell wieder anzufangen und die Arbeit macht mir ja auch einen Riesenspaß, also was soll‘s. Ich werde für ein Jahr eine kleine Wohnung mieten, schaffe mir ein paar billige Möbel an und dann sehen wir weiter, meine Liebe.“
Als dann später am Abend das Telefon läutete, nahm Laura das Gespräch sofort an. „Hallo, ich bin‘s, die Sache ist schon erledigt. Nach unserer Kaffeestunde bin ich gleich persönlich in die Klinik von Frau Teske gegangen. Die hat sich richtig gefreut, mich wiederzusehen, dachte zuerst, ich komme auf einen Smalltalk. Also – ihr beide habt einen Termin an diesem Freitag um 16 Uhr, ich hoffe das passt?“ „Au weia, das geht ja hoppla hopp bei dir! Warte mal …“ Sie rief ihrem Mann zu, der in der Küche war: „Martin, Kim ist dran, wegen der Untersuchung, passt es auch bei dir jetzt Freitag um 4 Uhr Nachmittags?“ Er griff zu seinem Handy, schaute auf seine Termine, nickte dann und sagte dass es okay sei. „Gib sie mir auch noch mal, wenn du fertig bist.“ „Hast es ja gehört, Martin ist auch einverstanden, er will dich gleich noch mal sprechen. Oh Kim, ich bin richtig ein wenig aufgeregt und ein bisschen Angst habe ich auch.“ „Also die Frau Doktor wird dir gefallen, sie hat mir auch zugesichert, dass es immer eine Lösung gibt, für jedes Problem, hörst du! Also mach dir keine unnötigen Sorgen und gib mir mal deinen Mann. Kannst mich ja nach dem Termin mal anrufen, ich kümmere mich inzwischen um eine neue Bleibe, für heute mach‘s erst mal gut Kleines, wird schon schiefgehen!“
Wortlos reichte Laura das Telefon an Martin weiter. „Ja hallo, ich wollte dir eigentlich auch nur danken, dass das mit dem Termin so schnell geklappt hat. Prima dass du die Ärztin bereits aus New York kennst, aber ich habe da noch etwas, der Maximilian, der … nein ich muss anders anfangen. Ich habe dem Max von deinem Besuch bei uns erzählt und da hat er natürlich gleich gefragt, wo du wohnst, ich habe es ihm aber nicht gesagt, war das gut so?“
„Ach guck an, der Max, scheint also immer noch interessiert zu sein, der Gute. Martin, aber ehrlich gesagt, ich brauche noch etwas Zeit um richtig anzukommen, bis dahin bitte ich dich um Zurückhaltung Max gegenüber. Wenn ich genügend darüber nachgedacht habe, werde ich mich selber bei ihm melden, okay?“ „Gut, dann weiß ich Bescheid, aber wenn Laura und ich dir irgendwie behilflich sein sollen, bei der Wohnungssuche oder so, melde dich bitte, ja?“ „Ja danke, das ist ganz lieb, ganz bestimmt werde ich von eurem Angebot Gebrauch machen. Mal sehen, was die Makler so anzubieten haben. Ich wünsche euch aber erst einmal viel Glück und gute Ergebnisse für die Untersuchungen.“ Dann gab sie ihm noch die Adresse der Klinik in Altona durch und verabschiedete sich.
Es waren noch zwei Tage bis zu diesem schicksalhaften Freitag, an dem der Besuch der Ärztin stattfinden sollte. Zunächst schien Laura noch ganz ruhig zu sein, doch obwohl sie versuchte dagegen anzukämpfen, steigerte sich ihre Nervosität fast stündlich, je näher der Tag heranrückte. ‚Was ist, wenn es nur an mir liegt, dass wir keine Kinder bekommen können, wie kann ich mit dieser Nachricht leben, wie gehe ich damit um und wie wird Martin reagieren? An ihm wird es nicht liegen, ich bin es die Schwierigkeiten hat, schon immer gehabt hat. Und es war eigentlich auch ständig da, dieses dumme Gefühl, dass bei mir da drinnen irgendwas nicht stimmt. Das merkt man wahrscheinlich als Frau, ich jedenfalls habe es geahnt, von Anfang an. Meine Menstruation hatte sich erst sehr spät eingestellt, mit 15! Da hatten andere in der Klasse schon seit ein paar Jahren ihre Tage. Zu der Zeit begann es, dass ich mich nicht in Ordnung fühlte. Oh lieber Gott hilf mir, dass es doch noch einen Weg für uns gibt‘.
Als sie am Donnerstag völlig erschöpft von der Arbeit nach Hause kam, läutete das Telefon kaum dass sie die Wohnungstür aufgeschlossen hatte. „Ja hallo?“ „Guten Tag, mein Name ist Kirsten Maiwald, spreche ich mit Frau Laura Petri?“ „Ja, das bin ich.“ „Hier ist die Privatklinik von Frau Dr. Teske, Sie haben morgen einen Untersuchungstermin bei uns.“ Laura fiel plötzlich das Atmen schwer und sie antwortete tonlos: „Ja, morgen um 16 Uhr.“ „Frau Dr. Teske möchte jetzt kurz mit ihnen sprechen, geht das?“ „Ja natürlich.“ „Oh prima, ich stelle sie sofort durch und wir sehen uns dann morgen, Frau Petri.“
„Hallo Frau Petri, hier ist Cora Teske, wir sind ja für morgen verabredet, nicht wahr?“ Laura nahm eine warme, überaus freundliche Stimme wahr. „Ja – aber …“ „Sie wundern sich sicher, dass ich sie zu Hause anrufe, aber ich weiß, dass viele meiner Patientinnen vor ihren Untersuchungen oft sehr aufgeregt sind. Wenn es bei ihnen auch so sein sollte, möchte ich ihnen mit meinem Anruf gerne den Stress etwas nehmen.“ Laura war so überrascht, dass sie zunächst sprachlos war. „Sagen sie mir doch einfach mal, wie es ihnen heute geht, Frau Petri.“ „Ja – also, ich bin schon ziemlich aufgeregt, seit der Terminvereinbarung habe ich nur wenig geschlafen und bin wahrscheinlich dadurch etwas nervös geworden. Ich wäre froh, wenn ich es endlich hinter mir hätte.“
„Okay das alles ist völlig normal, es geht ja schließlich auch um etwas. Vor den Untersuchungen an sich brauchen sie keine Angst zu haben, Sonografie und Abstrich kennen sie ja, nehme ich an. Bei mir kommt zusätzlich ein neues bildgebendes Verfahren zum Einsatz, eine Art Ultraschalluntersuchung von innen. Auch davon werden sie kaum etwas merken, und alles geschieht hier bei uns in einer angenehmen Atmosphäre. Ich möchte ihnen auch versichern, dass wir bisher für alle Probleme, die sich herausgestellt hatten, immer eine akzeptable Lösung für unsere Patienten mit Kinderwunsch gefunden haben.“
Laura wunderte sich sehr, denn diese freundliche, sympathische Art, mit der die Ärztin zu sprechen vermochte, wirkte auf sie wie ein Beruhigungsmittel. „Meine Schwester Kim hat mir von ihrem Auftritt in New York erzählt und dass sie davon sehr beeindruckt war.“ „Ihre Schwester ist sehr nett und eine außergewöhnliche Frau, sie hatte mich ja neulich hier besucht und einen Termin für sie und ihren Mann vereinbart. Ich habe mich über das unverhoffte Wiedersehen übrigens sehr gefreut. Haben sie jetzt noch Fragen wegen morgen, oder wollen wir dann bei mir alles in Ruhe besprechen?“ „Ja, ich glaube, das machen wir morgen, dann ist auch Martin mit dabei und bestimmt spricht es sich besser, wenn wir persönlich bei ihnen sind.“ „Wunderbar, dann sehen wir uns zu der vereinbarten Zeit, und bitte machen sie sich bis dahin keine Sorgen, einverstanden?“ „Ja, ehrlich gesagt, mir geht es jetzt schon viel, viel besser, ich danke ihnen für ihren Anruf.“
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