Am Abend erzählte sie Martin von ihrem Gespräch mit der Ärztin und auch er staunte über den überraschenden Anruf. „Aber in diesem Fall sind wir ja auch Privatpatienten, Laura, da gibt es schon mal die eine oder andere Annehmlichkeit.“ Abermals blieben beide, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen an diesem Abend sehr entspannt und starteten morgens nach einem erholsamen Schlaf gutgelaunt in den neuen Tag. Als Martin um 15 Uhr nach Hause kam, wartete Laura schon frisch geduscht und wohlriechend auf ihn. Natürlich war sie wieder etwas aufgeregt aber gleichzeitig auch zuversichtlich. Martin sprang auch noch schnell unter die Dusche und dann machten sie sich auf den Weg zur Klinik.
Die Fachklinik am Elbeufer
befand sich in einem alten, rot verklinkerten denkmalgeschützten Lager- und Handelshaus aus dem 19. Jahrhundert mit herrlichem Blick auf die Elbe. Ein eher unscheinbares, hölzernes Schild wies auf die Privatklinik hin und die beiden waren sehr gespannt, was sie hinter den alten Mauern erwarten würde. Sie meldeten sich über die Sprechanlage an und es öffnete sich wie von selbst eine schwere Eichentür. In dem unerwartet hellen, hohen Raum dahinter befand sich ein modern geschwungener Tresen ganz aus mintfarbigen Glas. Von dort kam eine außergewöhnlich hübsche, dunkelhaarige junge Frau in einem weißen Hosenanzug lächelnd auf die Besucher zu. Während sie Laura ihre Hand entgegenstreckte sagte sie: „Hallo Frau Petri, guten Tag, ich freue mich, sie kennenzulernen, ich bin Kirsten Maiwald, wir hatten gestern miteinander telefoniert.“ Nachdem sie auch Martin begrüßt hatte, führte sie das Paar zu einem geräumigen Aufzug. „In der 2. Etage befinden sich die Praxisräume, Frau Dr. Teske erwartet sie dort.“ Leise summend setzte sich der Lift in Bewegung und am Ziel öffnete sich geräuschlos die Tür.
Eine weitere junge Frau, auch sie war dunkelhaarig und ganz in weiß gekleidet, erhob sich von einem Computerarbeitsplatz. „Guten Tag, Herr und Frau Petri, herzlich willkommen bei uns! Bitte kommen sie mit mir, Frau Dr. Teske wird sich gleich um sie kümmern.“ Sie führte die beiden in ein helles Zimmer mit drei bequemen Ledersesseln, die um einen runden Glastisch gruppiert waren. „Haben sie einen Wunsch, darf ich ihnen vielleicht etwas zu trinken bringen?“ Martin bestellte sich ein Mineralwasser und Laura wollte nichts. Als die Dunkelhaarige das Getränk gebracht hatte, stand Martin mit dem Glas in der Hand auf und ging zu der bodentiefen Fensterfront. „Super Aussicht hier, man schaut direkt auf den Schiffsverkehr, toll. Die haben scheinbar dieses ganze Gebäude entkernt und innen neu aufgebaut, eine Megaarbeit muss das gewesen sein!“
Es war Punkt vier Uhr, als es anklopfte, sich gleich darauf die Tür öffnete und eine schlanke, sehr sportlich wirkende Frau eintrat. Ihre zurückgekämmten, blonden Haare wurden in einem kurzen Pferdeschwanz zusammengehalten. „Guten Tag, Herr und Frau Petri, ich bin Cora Teske, ich freue mich, sie kennenzulernen.“ Sie gab beiden die Hand und bedeutete ihnen, dass sie sich wieder setzen sollen. „Lassen sie uns doch einmal gemeinsam darüber sprechen, weshalb sie hier sind, erzählen sie einfach mal so drauf los, was sie in Bezug ihres Kinderwunsches so bewegt. Wenn einer von ihnen allerdings das Bedürfnis haben sollte, mit mir allein zu reden, sagen sie es bitte. Ich weiß aus Erfahrung, dass manche Paare sich scheuen, spezielle Einzelheiten in der Gegenwart ihres Partners preiszugeben und dabei kommt es gar nicht darauf an, wie lange sich ein Paar schon kennt oder verheiratet ist. Für eine erfolgreiche Arbeit meinerseits ist es aber außerordentlich wichtig, dass wir alle einen vertrauensvollen Umgang miteinander pflegen, geht das für sie in Ordnung?“
Laura warf einen ermunternden Blick auf Martin, dementsprechend schaute auch die Ärztin aufmerksam auf ihn, aber mit einer kurzen Handbewegung spielte er den Ball zurück und bedeutete seiner Frau damit, dass sie anfangen solle zu erzählen. Zögernd begann Laura zu berichten, dass sie seit etwa einem Jahr immer stärker daran denken musste, wie schön es wäre, ein Kind zu haben. „War das ein Gefühl, das bei ihnen so mir nichts dir nichts von innen herauskam oder verstärkte es sich durch äußere Einflüsse?“ Laura überlegte kurz bevor sie sagte: „Eigentlich war es beides, heute kann ich jedoch gar nicht mehr genau sagen, was zuerst da war, der Wunsch oder das Beispiel von meinen Freundinnen, die alle nach und nach schwanger wurden, keine Ahnung.“
„Zu Beginn ihrer Ehe, war der Kinderwunsch damals von Anfang an schon bei ihnen im Hinterkopf?“ „Wir sind jetzt fast fünf Jahre verheiratet, also ich glaube, vor unserer Ehe und in den ersten zwei, drei Jahren war er noch nicht so ausgeprägt.“ „Und wie war das bei ihnen, Herr Petri?“ „Damals war es auch meiner Meinung nach nicht so, wir haben beide viel gearbeitet, jeder für sich hat eine kleine Karriere gemacht und eigentlich kaum an Nachwuchs gedacht.“ „Und heute, wie ist das bei ihnen selbst so, was hat sich im Laufe der Zeit geändert?“ Frau Teske blickte Martin interessiert an. „Ich verrate jetzt meiner Frau kein Geheimnis, wenn ich sage, dass mein Glück nicht unbedingt von einem Kind abhängt.“ Laura blickte ernst auf den Boden als ihr Mann das sagte. „Gut, dann ist es vermutlich so, dass sie, liebe Frau Petri, die Offensive ergriffen hatten, nicht mehr zu verhüten und es darauf ankommen ließen, schwanger zu werden, war das so?“ Laura stimmte zu: „Ja, aber mit dem Einverständnis von Martin.“ „Okay – das alleine blieb aber ohne den erhofften Erfolg und sie beide möchten nun herausfinden warum.“ Sie nickten.
Die Ärztin lächelte beide offen an und sagte: „Und das werden wir, machen sie sich keine Sorgen. Gestern am Telefon hatte ich ihnen, Laura, bereits kurz beschrieben, wie wir heute vorgehen werden, haben sie dazu noch Fragen?“ Laura schüttelte den Kopf, während ihr Herz begann, heftiger zu schlagen. „Bei ihnen, Martin, ist es so, dass wir zunächst nur ihre Samenflüssigkeit untersuchen werden. Was glauben sie, kommen wir auf dem normalen Weg zu einer Probe? Das würde ihnen nämlich ersparen, dass wir uns mit einer etwas unangenehmen Punktion direkt aus ihren Hoden bedienen müssten.“ Martin wurde rot. „Auf normalem Wege heißt also durch Masturbation, oder?“ „Ja genau, aber nur wenn sie kein Problem damit haben. Ich weiß, dass es für manche Männer unmöglich ist, es hier in der Praxis zu tun, aber je frischer das Sekret ist, desto genauer sind unsere Untersuchungsergebnisse.“ „Wird schon gehen“, murmelte Martin mit gesenktem Kopf. „Gut dann lassen sie uns beginnen. Laura, sie kommen bitte mit mir; Martin, sie werden gleich von meiner Assistentin Julia abgeholt.“
Die beiden Frauen verschwanden in einen Nebenraum und kurz darauf öffnete sich die Eingangstür und die junge Frau, die sie vorhin hier hineingeführt hatte, bat Martin ihr zu folgen. Er war immer noch ziemlich rot im Gesicht, als die Assistentin ihn in ein kleines Zimmer führte, das sehr dezent beleuchtet war. „Bitte entspannen sie sich und nehmen sie sich alle Zeit, die sie brauchen, die Untersuchungen bei ihrer Frau werden ja auch etwas dauern. Bevor sie beginnen, ziehen sie sich bitte dieses Paar Latexhandschuhe an. Falls sie eine Anregung brauchen sollten, was in dieser Umgebung nur allzu verständlich wäre, drücken sie auf dieser Fernbedienung eine der Tasten von 1 bis 9, dann erscheinen da vorn auf dem Bildschirm Fotos oder kurze Filme. Wir haben wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.“ Julia’s schelmisches Lächeln begleitete ihre Erklärungen und die Übergabe eines kleinen weißen Kunststoffbechers an ihren Patienten. „Stellen sie den danach einfach dort drüben in die Durchreiche. Haben sie noch Fragen oder kommen sie zurecht? Ich könnte ihnen auch Kaffee oder eine Cola bringen.“ „Nein, nein es ist alles gut so, vielen Dank.“
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