Gregor hasste die Vorstellung, vor Sondra zu Kreuze zu kriechen, aber ihm blieb einfach keine Wahl.
Langsam fuhr er die offene Auffahrt hoch und parkte das Auto ein wenig abseits von der Haustür. Es war ein ungewöhnlich kalter und nasser Septemberabend. Gregor hasste dieses Wetter und wollte lieber auf Ibiza in der Sonne liegen.
>Südafrika wäre auch mal toll<, dachte er.
Gregor nahm noch rasch das Mundspray aus dem Handschuhfach und versuchte damit, seinen Alkoholgeruch zu überdecken.
Er klingelte, wusste, dass sie da war.
Das Licht im Flur ging an. „Wer ist da?“, hörte Gregor Sondras Stimme fragen.
„Ich bin es, Gregor. Bitte Sondra, ich muss mal mit dir reden. Ich werde auch ganz artig sein!“
>Artig? Was ist denn das jetzt, du Hornochse<, dachte er. Irgendwie sind ihm diese Worte einfach raus gepurzelt, bevor er nachdachte.
Aber offensichtlich verfehlten sie ihre Wirkung nicht.
Sondra öffnete die Tür. „Du kannst artig sein? Na dann, versuchen wir´s mal.“
Sie führte ihn ins Wohnzimmer. Gregor war schon seit Jahren nicht mehr hier gewesen und war umso erstaunter, wie stilvoll es eingerichtet war.
„Wow! Ich muss schon sagen, ihr beide habt es euch hier richtig schön gemacht.“
„Danke. Aber du bist doch nicht hier, um mir Komplimente zu machen oder Smalltalk zu halten?“
>Ich unterschätze sie jedes Mal<, dachte Gregor.
„Nein.“ Gregor holte tief Luft, wagte es aber nicht, Sondra in die Augen zu sehen. Sein Blick blieb auf ihrem T-Shirt hängen.
Besser gesagt, an ihrem Ausschnitt.
>Ich wusste ja gar nicht, dass sie so ´ne tolle Figur hat<, dachte er.
„Ich warte“, sagte Sondra.
Gregor fühlte sich zwar ertappt, versuchte aber wieder seine ´Prince-Charming`-Masche.
„Sondra, Liebes. Ich weiß, dass wir nie besonders nett zu deinem Vater und zu dir waren. Ich war auch ein totaler Idiot und habe viele Fehler gemacht. Aber ich habe mich geändert. Ich weiß jetzt, dass der Patriarch ein kaltherziger Mistkerl ist. Es tut mir wirklich leid. Alles, was ich dir jemals angetan habe.“
Sondra sah Gregor an. Sie wusste genau, worauf er hinaus wollte, dachte aber, dass sie ihn aussprechen lassen sollte.
Gregor wusste, dass er jetzt sein Anliegen vorbringen musste, oder sie würde ihn rausschmeißen.
„Sondra, ich bitte dich, nein, ich flehe dich an! Ich schulde einem Buchmacher eine Menge Geld und ich habe schon in der ganzen Familie gebettelt. Selbst dem Patriarchen bin ich schon zu Kreuze gekrochen, aber der hat mich kalt abserviert. Bitte, Sondra!“
Soviel Ehrlichkeit hatte sie so schnell nicht von ihrem Cousin erwartet. „Wie viel?“, fragte sie ruhig.
„Etwa 300.000 Euro.“
Leise pfiff Sondra durch die Zähne. Gregor war erstaunt, dass sie das konnte.
„Was bietest du mir als Gegenleistung?“
Auf diese Frage war er nicht vorbereitet.
„Ich kann die meinen Z4 als Sicherheit geben oder ich kann dir das Geld wiedergeben, wenn der Patriarch tot ist und ich meinen Anteil bekommen habe.“
Sondras grüne Augen funkelten leicht.
„Nein. Ich will keine Rückversicherung finanzieller Art. Ich mache dir einen Vorschlag. Nimm ihn an und du bist alle deine Schulden los. Lass es sein, und dein Buchmacher kann seine Jungs auf dich hetzen.“
Gregors Mund wurde trocken und er spürte, wie die Hitze in ihm aufstieg. „Was verlangst du?“
Sondra nahm einen Schluck von ihrem Tee. „Als erstes meldest du dich in einer Suchtklinik für Alkohol- und Spielerprobleme an. Dann gehst du zur Polizei und stellst dich wegen dem Unfall mit Fahrerflucht, den du vor zwei Jahren begangen hast. Ich werde dir dafür sogar noch einen guten Anwalt besorgen und bezahlen, wenn du es möchtest. Du musst für das, was du getan hast Verantwortung übernehmen. Dann helfe ich dir.“
Gregor vergaß zu atmen. „Woher weißt du von dem Unfall?“
Seine Stimme war fast gebrochen. Sondra beobachtete ihn und dachte bei sich, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, Gregor eingelassen zu haben.
„Hör mal. Wir machen alle mal Fehler. Steh zu deinem und du kannst ganz neu von vorn anfangen.“
Mit dem plötzlichen Überfall hatte Sondra nicht gerechnet. Gregors Hand schloss sich um Sondras Hals, er warf sie zu Boden und kniete fast auf ihrer Brust.
„Du sagst mir jetzt, woher du das weißt!“, brüllte er.
Sie röchelte. „Lass mich los. Bist du irre?“, quetschte sie hervor. Sie schlug nach ihm, aber Gregor schlug mit der Faust zurück und traf ihre Wange. Er ließ ihren Hals los, packte ihre Arme und verdrehte sie so, dass sie unter ihrem Rücken waren. Sondra merkte erst jetzt, dass sie von der Couch auf den Boden gerutscht waren.
„Du blödes Flittchen! Ich mach dich fertig!“
Sondra spuckte ihn an, das einzige, was sie im Moment tun konnte. Wieder schlug Gregor zu, diesmal mit dem Handrücken. Sondra schmeckte Blut auf ihrer Lippe und wurde wütend.
„Du sollst mich loslassen, Gregor!“, brüllte sie.
Dann tat Gregor etwas, womit sie gar nicht gerechnet hatte. Hart presste er seinen Mund auf ihren, so dass die Zähne aneinander knirschten. Seine freie Hand zerrte an ihrem T-Shirt bis es riss.
>Das kann doch nicht wahr sein! Er will mich vergewaltigen!<, dachte sie erschrocken.
„Wenn sie dich finden, werden die denken, dass ein Einbrecher im Haus war. Ich werde alles so aussehen lassen“, keuchte Gregor.
Er versuchte mit seiner freien Hand seine Hose zu öffnen und ließ dadurch eine kleine Lücke zwischen seinen Beinen. Sondras Knie schnellte mit aller Kraft, die sie hatte hoch und traf seinen Unterleib.
Gregor jaulte auf und sein Griff lockerte sich. Das reichte Sondra. Sie befreite ihre Arme aus der rückwärtigen Stellung und stieß ihn von sich. Schnell sprang sie auf und wollte aus dem Zimmer rennen, aber Gregor warf sich ihr japsend in den Weg. Ohne nachzudenken nahm sie die Holzfigur mit afrikanischem Motiv von dem Sideboard und schlug damit zu.
Sie traf Gregor am Kopf und er fiel um wie ein nasser Sack.
Keuchend stand Sondra da, mit der zerbrochenen Holzfigur. Schnell ließ sie sie fallen, rannte zu den Vorhängen und riss die Schnüre und Kordeln runter.
Gregor stöhnte, war aber zu benommen, um sich zu wehren, als Sondra ihn fesselte.
Als er wie ein Postpaket verschnürt am Boden lag, widerstand Sondra dem Verlangen, nach ihm zu treten. Zitternd ging sie zum Telefon. Sie war gerade dabei, die Handynummer von Andreas Laurenz einzutippen, als sie innehielt.
>Das bringt ihn vermutlich in Schwierigkeiten<, dachte sie.
Sie rief bei Holger Kolbrink an und berichtete kurz.
„Du rufst sofort die Polizei an, machst dich nicht sauber oder so. Die Spuren an dir müssen so bleiben. Ich bin unterwegs zu dir.“
Sondra tat das, was Holger ihr geraten hatte. Sie legte sich lediglich eine Decke um die Schultern, weil sie auf einmal entsetzlich fror.
Zehn Minuten später war der erste Streifenwagen da, wenig später ein zweiter und die Spurensicherung. Dann kam noch ein ranghoher Polizist dazu und endlich tauchte Holger Kolbrink auf.
Alles um Sondra herum passierte wie in einem Film. Der ranghöchste Beamte stellte Fragen, Sondra antwortete wahrheitsgemäß. Die Spurensicherung nahm Fingerabdrücke, machte Fotos vom Wohnzimmer und von Sondra, insbesondere ihre Verletzungen und Blutergüsse.
Dann wurden diverse Gegenstände wie die kleine Holzfigur und auch Sondras Kleidung sichergestellt. Eine Beamtin war mit Sondra in ihr Schlafzimmer gegangen und tütete die Kleidung ein.
Danach wusch sich Sondra erstmal, zog sich saubere Kleidung an und packte einen kleinen Rucksack. Sie wollte heute Nacht nicht hier bleiben. Bestimmt konnte sie bei Holger und Renate Kolbrink übernachten.
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