
Die wohl von Luther selbst geschaffene und 1539 veröffentlichte Melodie beginnt in allen vier Zeilen mit einem Achtelauftakt. Dieser wurde im Barock zum Viertelauftakt ausgeglichen; außerdem wurde der fünfte Ton der letzten Zeile (Textwort „und“) um eine große Sekund erhöht und damit der letzten Zeile von „Ein feste Burg ist unser Gott“ angeglichen, erstmals bei Johann Jeep 1629.
Der Text wurde 1555 noch durch eine weitere, vorangestellte Strophe aus der Feder von Valentin Triller, Pfarrer von Panthenau, ergänzt.
Es kam ein Engel hell und klar
von Gott aufs Feld zur Hirtenschar;
der war gar sehr von Herzen froh
und sprach zu ihnen fröhlich so:
Valentin Triller (1555)
Der Text des Liedes stellt einen Teil der Weihnachtsgeschichte (Lk 2,8–18) in der Form eines Krippenspiels mit verteilten Rollen frei dar. Die ersten fünf Strophen richtet der Verkündigungsengel an die Hirten und damit pars pro toto an alle Gläubigen. Die weiteren Strophen bestehen aus der Aufforderung, mit den Hirten zur Krippe zu gehen und dem neugeborenen Heiland in der Tradition des Kindelwiegen zu huldigen.
1. Vom Himmel hoch, da komm ich her.
Ich bring’ euch gute neue Mär,
Der guten Mär bring ich so viel,
Davon ich sing’n und sagen will.
2. Euch ist ein Kindlein heut’ geborn
Von einer Jungfrau auserkorn,
Ein Kindelein, so zart und fein,
Das soll eu’r Freud und Wonne sein.
3. Es ist der Herr Christ, unser Gott,
Der will euch führ’n aus aller Not,
Er will eu’r Heiland selber sein,
Von allen Sünden machen rein.
4. Er bringt euch alle Seligkeit,
Die Gott der Vater hat bereit,
Dass ihr mit uns im Himmelreich
Sollt leben nun und ewiglich.
5. So merket nun das Zeichen recht:
Die Krippe, Windelein so schlecht,
Da findet ihr das Kind gelegt,
Das alle Welt erhält und trägt.
6. Des lasst uns alle fröhlich sein
Und mit den Hirten geh’n hinein,
Zu sehn, was Gott uns hat beschert,
Mit seinem lieben Sohn verehrt.
7. Merk auf, mein Herz, und sieh dorthin!
Was liegt dort in dem Krippelein?
Wes ist das schöne Kindelein?
Es ist das liebe Jesulein.
8. Sei mir willkommen, edler Gast!
Den Sünder nicht verschmähet hast
Und kommst ins Elend her zu mir,
Wie soll ich immer danken dir?
9. Ach, Herr, du Schöpfer aller Ding,
Wie bist du worden so gering,
Dass du da liegst auf dürrem Gras,
Davon ein Rind und Esel aß!
10. Und wär’ die Welt vielmal so weit,
Von Edelstein und Gold bereit’,
So wär sie doch dir viel zu klein,
Zu sein ein enges Wiegelein.
11. Der Sammet und die Seide dein,
Das ist grob Heu und Windelein,
Darauf du König groß und reich
Herprangst, als wär’s dein Himmelreich.
12. Das hat also gefallen dir,
Die Wahrheit anzuzeigen mir:
Wie aller Welt Macht, Ehr und Gut
Vor dir nichts gilt, nichts hilft noch tut.
13. Ach, mein herzliebes Jesulein,
Mach dir ein rein, sanft Bettelein,
Zu ruhen in meins Herzens Schrein,
Dass ich nimmer vergesse dein.
14. Davon ich allzeit fröhlich sei,
Zu springen, singen immer frei
Das rechte Susaninne (Wiegenlied) schon,
Mit Herzenslust den süßen Ton.
15. Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron,
Der uns schenkt seinen ein’gen Sohn.
Des freuen sich der Engel Schar
Und singen uns solch neues Jahr.
Johann Sebastian Bach verwendete die Melodie für drei Choräle in seinem Weihnachtsoratorium: „Ach, mein herzliebes Jesulein, Schaut hin, dort liegt im finstern Stall, wir singen dir in deinem Heer“. Die Choralmelodie dient auch als Grundlage für J. S. Bachs Canonische Veränderungen über Vom Himmel hoch. Dieses 1748 im Druck herausgegebene Orgelwerk ist ein typischer Vertreter von Bachs kontrapunktischem Spätstil.
Diese Melodiegestalt liegt u. a. den Bearbeitungen von Bach und Mendelssohn zugrunde und blieb in der Weihnachtsmusik bis heute vorherrschend.
Das Evangelische Kirchengesangbuch von 1950 kehrte jedoch zur Melodiefassung von 1539 zurück (Nr. 16), ebenso das Gotteslob (1975) (Nr. 138) und das Evangelische Gesangbuch von 1993 (Nr. 24).
Auf Luthers Melodie dichtete Christian Fürchtegott Gellert vor 1755 das Kirchenlied „Dies ist der Tag, den Gott gemacht“.
Vom Himmel kam der Engel Schar
Vom Himmel kam der Engel Schar
St.Georg in Taisten. Fresko Leonhard von Brixen (1459):
Verkündigung - Engelschar
Foto: Wolfgang Sauber
https://de.wikipedia.org/wiki/Vom_Himmel_kam_der_Engel_Schar#/media/File:Taisten-St._Georg_12.jpg
„Vom Himmel kam der Engel Schar“ ist ein von Martin Luther im Jahr 1543 veröffentlichtes Weihnachtslied. Das Lied folgte bereits in der Erstpublikation auf das Lied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ unter dem Titel: „Ein ander Christlied – im vorigen Thon“. Beide Lieder entfalten die Verkündigung an die Hirten (Lukas 2,8-14). Das erste in Form eines Kinderliedes gestaltete Lied ließ auf die in wörtlicher Rede formulierte Weihnachtsbotschaft des Verkündigungsengels in der ersten Person („ich bring euch gute neue Mär“) (Lukas 2,9-12) das jubelnde Echo der Adressaten folgen. Dem folgt nun in diesem Lied die Beschreibung des sich der Verkündigung anschließenden Auftritts der „Engel Schar“ (Lukas 2,13): Dabei geht die narrative Einleitung (Str. 1 Z. 1-3) dem als wörtliche Rede gestalteten Engelsjubel voraus. Nach der prägnanten Botschaft von dem verheißenen Kind und Heiland in Bethlehem (Str. 1-2) ergeht der Aufruf zum Jubel an die Hörer aufgrund der Menschwerdung Gottes in „Fleisch und Blut“ (Str. 3) und als „Gotts Geschlecht“ (Str. 6), die über „Sünd und Tod, Teufel und Höll“ (Str. 4) und Anfechtung (Str. 5) triumphieren lässt.
1) Vom Himmel kam der Engel Schar,
erschien den hirten offenbar;
sie sagten ihn': „Ein Kindlein zart,
das liegt dort in der Krippen hart.
2) zu Bethlehem, in Davids Stadt“,
wie Micha das verkündet hat,
es ist der Herre Jesus Christ,
der euer aller Heiland ist.
3) Des sollt ihr alle fröhlich sein,
dass Gott mit euch ist worden ein.
Er ist geborn eu’r Fleisch und Blut,
eu’r Bruder ist das ewig Gut.
4) Was kann euch tun die Sünd und Tod?
Ihr habt mit euch den wahren Gott;
lasst zürnen Teufel und die Höll,
Gottes Sohn ist worden eu’r Gesell
5) Er will und kann euch lassen nicht,
setzt ihr auf ihn eu’r Zuversicht;
es mögen euch viel fechten an:
dem sei Trotz, der’s nicht lassen kann.
6) Zuletzt müsst ihr doch haben recht,
ihr seid nun worden Gotts Geschlecht.
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