Wissenschaftlich bewiesen: Mobbing ist gesundheitsschädlich
Autoritäre, launische Vorgesetzte sind ein Risiko für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Schwedische und britische Studien haben ergeben, dass Angestellte, die einem Vorgesetzten unterstellt sind, der sie nicht wertschätzt, mit einer um 30 % höheren Wahrscheinlichkeit an Herzkrankheiten leiden. (vgl. Daniel Goleman, Soziale Intelligenz, München 2006, Seite 338 f.)
Mitarbeiter, die Beleidigungen von Seiten ihres Vorgesetzten erfahren und diese schweigend hinnehmen, ohne sich zu wehren, haben einen erhöhten Blutdruck, der über lange Zeit zu gesundheitlichen Schäden führen kann.
Viele Mobbing-Opfer empfinden ein starkes Gefühl von Hilflosigkeit. All ihre Versuche, die Situation zu entschärfen und die Mobber zu beschwichtigen, misslingen. Auch betriebsinterne Vermittlungsversuche führen häufig nicht zu einer dauerhaften Beendigung des Mobbings. Die Hilflosigkeit, die Mobbing-Opfer in dieser Lage empfinden, ist der Nährboden für Depressionen und Stress. Und das ist nicht allein bei uns Menschen so! Bei Tierversuchen wurden Hunde einzeln in Boxen untergebracht, über deren Boden ihnen schmerzhafte Stromschläge versetzt wurden. Zunächst suchten die Hunde panisch nach einem Ausweg – natürlich ohne Erfolg. Schließlich kapitulierten sie, legten sich nieder und verfielen in Teilnahmslosigkeit.
Ein ähnliches Experiment wurde mit Ratten durchgeführt: Zwei Ratten wurden in einzelne Käfige gesetzt; auch hier wurden durch den Boden Stromschläge geleitet. Die Stromschläge trafen beide Käfige zur gleichen Zeit, zwischen jedem Schlag gab es eine Pause. In nur einem der beiden Käfige befand sich ein Knopf, der, wenn man ihn drückte, den nächsten Stromschlag in beiden Käfigen aussetzte. Die Ratte im Käfig ohne Knopf hatte keine Möglichkeit, die missliche Lage zu ändern, und war völlig darauf angewiesen, dass die andere Ratte rechtzeitig den Knopf drückte. Bei beiden Tieren wurden die Stresshormone im Blut gemessen, und es stellte sich heraus, dass die Ratte, die nichts beitragen konnte zur Hemmung der Stromschläge, einen bedeutend höheren Stresspegel hatte! (vgl. Online-Artikel „Lebensgefährte Stress“ der „Zeit“, http://www.zeit.de/zeit-wissen/2014/03/umgang-mit-stress/seite-3, Stand: 03.10.2016)
Wenn schon unsere Mitgeschöpfe unter der Situation der Hilflosigkeit leiden, dann ist es nur verständlich, dass wir Menschen (die doch von sich behaupten, ein noch viel reicheres Gefühlsleben zu haben!) ebenso darunter leiden.
Mobbing-Opfern ergeht es wie den Tieren aus den obigen Beispielen. Die Situation ist übermächtig, und die Versuche, sich zu retten, sind ergebnislos, oder ziehen sogar noch schlimmere Folgen nach sich, wie zum Beispiel Vergeltungsmaßnahmen der Mobber, Vorwürfe des Inhalts: „Du spinnst doch!“, und so weiter. Der Fantasie der Mobber sind keine Grenzen gesetzt.
Die Tiere dieser Versuche haben uns bewiesen: Es liegt in unserer Natur, sich in schlimmen Situationen schlecht zu fühlen. Stress und alle damit verbundenen Folgen sind nicht die Schuld des Opfers, weil es nicht ruhig und gelassen bleibt, sondern es sind normale Reaktionen eines Lebewesens! Das Mobbing-Opfer braucht sich nicht zu schämen, wenn es sich psychisch ausgelaugt und krank fühlt – jedem anderen erginge es genauso. Wer das leugnet, dem ging es selber noch nie schlecht – und dessen Ratschläge taugen leider nichts. Schämen sollten sich nur die Mobber, die jemand anderem das Leben schwer machen.
Mobbing-Mythos 1: Mobbing-Opfer sind einfach zu empfindlich.
Wer möchte schon gerne als Sensibelchen gelten, als Softie oder Weichling? Der moderne Mensch muss taff sein, durchsetzungsfähig, nicht auf den Mund gefallen, und ein Fell muss er haben, dick wie das eines Büffels. Wer heutzutage als empfindlich gilt, hat schon verloren.
Genau das wird Mobbing-Opfern von Mobbern, Vorgesetzten, und häufig auch von Freunden und Familie eingeredet. Ihre Schlussfolgerung ist immer dieselbe: Wer sich gemobbt fühlt, liegt falsch, es gibt keinen Grund sich zu beklagen, man ist nur zu empfindlich. Das Mobbing wird kleingeredet auf das Niveau netter Neckereien unter Kollegen, und ein normaler, das heißt „richtiger“ Mensch, würde sich daran nicht stören. Die Empfindlichen sehen angeblich Angriffe, wo gar keine sind, und verdächtigen die unschuldigen Anderen des Mobbings.
Das Empfindlichkeitsargument gibt es in zwei Varianten. „Du wirst gemobbt, weil du so empfindlich bist“ und „Du wirst doch gar nicht gemobbt, du bist nur so empfindlich!“ Im ersten Fall wird die unglückliche Lage des Opfers immerhin anerkannt (und dann wird ihm die Vollschuld an dieser Lage zugeschrieben). Im zweiten Fall wird dem Opfer nicht einmal zugestanden, Opfer von den Gemeinheiten anderer zu sein. Man nimmt ihm das Recht, sich über seine Situation zu beklagen, indem man ihm die Fähigkeit abspricht, seine Situation richtig zu erkennen. Und wer kein Recht hat zu klagen, braucht weder Hilfe vom Vorgesetzten, noch braucht er sich zu wehren. Zwischen den Zeilen schwelt der Vorwurf, dass im Kopf des Opfers „einiges falsch läuft“.
Mit dieser Argumentation sind die Täter von aller Schuld freigesprochen und dürfen weitermachen, denn sie mobben nicht wirklich, sondern nur laut subjektiver und deshalb falscher Auffassung des Opfers.
Dieser Mobbing-Mythos ist Gold für die Mobber und Gift für die Opfer. Außerdem ist er absolut falsch.
Schon das Nachdenken über die eigene Empfindlichkeit beweist, dass man dazu fähig ist, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen. Nicht jeder erlangt im Laufe seines Lebens diese geistige Reife. Wer über die eigene Empfindlichkeit nachdenkt, ist bereit, die Schuld auch bei sich zu suchen. Das ist ein großartiger Charakterzug, der sich da offenbart: Nur wer bereit ist, eigene Fehler einzugestehen, kann sich verbessern. Im Grunde ist es stets nutzbringend, sich mit der eigenen Weltsicht zu befassen. Aber wer Opfer von Mobbing ist und noch davon ausgeht, dass er viel zu sensibel ist, beweist nur eines: Dass er viel einstecken kann.
Aggressivere Gemüter gehen schon bei Kleinigkeiten auf Konfrontationskurs; so mancher Vorgesetzte quittiert die Existenz von Untergebenen in Kombination mit Arbeit in Kombination mit Montagmorgen mit einem Wutanfall, und so manche taffe Personen mit Durchsetzungsfähigkeit sind, wenn man ein anderes Wort verwenden möchte, einfach nur frech.
Außerdem ist Mobbing ein Prozess, der sich langsam entwickelt. Der Beginn von Mobbing ist häufig nicht genau festzustellen, nicht einmal aus der Rückschau. Die Situation schaukelt sich langsam hoch. Am Anfang sind es oft nur Kleinigkeiten: Das (künftige) Mobbing-Opfer wird nicht mehr so freundlich begrüßt wie die anderen, ihm werden mehrmals die unbeliebtesten Arbeiten zugewiesen, und es darf die Brückentage nicht freimachen. Das Mobbing-Opfer fühlt sich an den Rand gedrängt, aber es zweifelt an seiner Wahrnehmung. Die Mobbing-Handlungen bleiben oft lange Zeit vage. Plötzlich verstummen alle Gespräche, wenn das Mobbing-Opfer den Raum betritt. Zufall oder Plan? Das Mobbing-Opfer glaubt, es war nur Zufall. Das Mobbing-Opfer nimmt sich all die Ratschläge zu Herzen, die man in Mobbing-Ratgebern findet: Ignorieren, sich nicht kränken lassen, das Gespräch mit dem Mobber suchen.
Das Mobbing-Opfer hält lieber den Mund und steckt die nächste Beleidigung ein, denn es ist sich nicht sicher, ob die Beleidigung nicht doch nur ein Scherz war. Und bevor es jemanden fälschlicherweise des Mobbings bezichtigt, steckt es lieber weiter ein. Ein anderer wäre längst schon an die Decke gegangen, hätte sich beim Chef, beim Betriebsrat und beim Bundespräsidenten beschwert. Die „Empfindlichen“ sind zäh, grübeln über ihr eingebildetes Fehlverhalten nach und müssen sich von allen Seiten anhören, dass sie viel zu sensibel sind.
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