Dieses Zimmer ist langweilig und trist. Es geht mir langsam auf die Nerven. Jetzt ist Schluss damit! Genug. Ein paar Handgriffe, etwas Farbe, Wandschmuck und ich werde mich wieder richtig wohlfühlen. Meine kreativen Ideen kannten keine Grenzen, nun sollten Taten folgen. An einem Montag im Dezember bat ich Majid nach dem Frühstück, mich in die Stadt zu begleiten. Es fehlten mir ein paar Kleinigkeiten, um unser Schlafzimmer umzudekorieren. Nach kurzem Zögern stimmte er zu, aber ich sah ihm an, dass er eigentlich keine Lust dazu hatte.
Wir fuhren in die Innenstadt, stiegen in der Omar Al Mokhtar Straße aus und gingen in das exklusivste Einrichtungshaus Ammans. Nicht, dass ich darauf bestanden hätte, Majid wollte es so. Etwas weniger Exklusives käme für ihn nicht infrage. Wahrscheinlich wollte mein Mann Eindruck bei mir schinden, denn sonst war sein Familienhaus nicht in jedem Detail exklusiv und geschmackvoll eingerichtet. Ich suchte in aller Ruhe kleine Teppiche, Kerzen, Dekoartikel, Bilder, Messinglampen und Kuschelkissen aus. Majid bezahlte, rasch packten wir die erstandenen Sachen ein und fuhren zurück.
Im Haus tranken wir etwas Zitronenlimonade und Majid verabschiedete sich, nachdem er mir geholfen hatte, alles ins Schlafzimmer zu tragen. Er musste in seinen Laden. Energisch und voller Tatendrang verteilte ich die neuen Kissen auf dem Bett, breitete die neuen Teppiche auf dem Boden aus und hing die Bilder an die Wand. Die alten hässlichen Lampen verbannte ich in die Abstellkammer, die beiden neuen kunstvoll verzierten Leuchten aus antikem Messing platzierte ich auf unseren Nachttischschränkchen. Das Licht wirkte einladend und behaglich. Auf Zimmerpflanzen verzichtete ich. Ich hatte neulich in einem Buch über Pflanzen gelesen, dass sie Allergien auslösen konnten. Dafür stellte ich noch ein paar Bücher auf die Schränkchen, Teelichter und ein paar Schneekugeln aus meiner Sammlung. Auch wenn sie hier etwas deplatziert wirkten, konnte ich mich nicht von ihnen trennen. Zum Schluss tröpfelte ich ein wenig Rosenöl auf die frisch gepflückten Rosenblüten und verteilte sie auf unserem Bett. Mit einem zufriedenen Lächeln inspizierte ich unsere neue Liebeshöhle. Gut sah es aus! Endlich so, dass ich mich hier wohlfühlen konnte. So trug der Raum meine persönliche Note. Ich wartete gespannt auf Majids Rückkehr. Natürlich wollte ich wissen, was er dazu sagen würde.
Ich wurde nicht enttäuscht, es gefiel ihm offensichtlich. Er nickte wohlwollend und zog mich aufs Bett. »Ich will dich. Jetzt.« Seine Finger betasteten hastig meine Brüste und gruben sich tief in mein Fleisch. Der Duft des Rosenöls stieg langsam in meine Nase. In dieser Nacht gingen wir noch lange unseren erotischen Träumen nach.
Kapitel 5
Amman, Januar - Juni 2023
In den ersten Tagen nach unserer Ankunft in Jordanien versuchte ich, mich so schnell wie möglich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Alles war neu, fremd, aufregend, exotisch. Die Familie bemühte sich, mir zu zeigen, dass sie mich in ihre Kreise aufnehmen möchten. So schien es zumindest, und ich hatte mich bemüht, sie so zu akzeptieren, wie sie waren. Auch wenn mir manches im täglichen Zusammenleben sehr fremdartig erschien. Gewöhnungsbedürftig fand ich das Einnehmen der Mahlzeiten auf dem Boden. Wir aßen für gewöhnlich in dem kleineren Wohnzimmer. Auf dem Teppich wurden große Laken ausgebreitet und die Mahlzeiten in großen Schüsseln darauf platziert. Gegessen wurde mit der Hand. Natürlich nur mit der rechten Hand, das wusste ich schon von Majid, die linke Hand galt als unrein und durfte niemals zum Essen benutzt werden. Meistens war beim Essen die ganze Familie anwesend. Verwandte kamen häufig vorbei, brachten Kinder mit. Die liefen während der Mahlzeiten umher mit den fetttriefenden Fleischstücken in der Hand. Die Fetttropfen zierten ihren Weg bis nach draußen. Niemand störte sich daran, obwohl die Kleinen ihre Hände sogar an dem Polster der Sitzecke abzuwischen pflegten. Sie schrien so laut, dass eine normale Unterhaltung kaum möglich war. Auch dann wurden sie von den Erwachsenen nicht ermahnt.
Majid saß zwischen seinen männlichen Verwandten, warf mir hin und wieder einen flüchtigen Blick zu und lächelte verstohlen. Wenn mal keine männliche Verwandtschaft anwesend war, saß er stets neben seiner Mutter, die ihm liebevolle und bewundernde Blicke zuwarf.
In die Gespräche der Familie wurde ich nur selten mit einbezogen, meistens wurde ich gefragt, wie mein Leben vor Majid ausgesehen hat. Als Übersetzerin diente Alia. Sie war gerade fünfzehn geworden, sprach ganz gut Englisch und war die Netteste in der Familie. Sie ging noch zur Schule, hatte aber bereits einen offiziellen Verlobten. Mehr wusste ich nicht. Die Familie redete nicht gerne darüber.
Natürlich schilderte ich wahrheitsgemäß mein Leben in Deutschland. Zu verbergen hatte ich doch nichts. Ich verschwieg lediglich meine Beziehung zu Stephan. Dass wir zusammen wie Frau und Mann gelebt hatten, hätten sie nicht verstanden. Majid wusste, dass es ihn gab. Es schien ihm nichts auszumachen. Das dachte ich damals zumindest. Meine Schwiegermutter warf mir den ersten, hasserfüllten Blick zu, als ich der Familie von meiner schönen Wohnung berichtet hatte. Schnell blickte sie beiseite, aber ich bemerkte es trotzdem und in meinem Kopf begann es zu rattern. War es so schlimm, dass ich als eine erwachsene und selbstständige Frau allein gelebt habe? Ich bin doch keine von den leichten Mädchen, oder was denken die hier von mir! Irgendwie fand ich die Situation plötzlich seltsam. Als ob ich mich vor ihnen rechtfertigen müsste.
Mein erster guter Eindruck wich nach und nach einer gewissen Unsicherheit. Wie gewöhne ich mich an das alles hier? Kann ich mich anpassen? Dass nicht alles gleich easy sein würde, hatte ich schon gedacht. Aber nun war es viel komplizierter, als mir lieb war. Alles, was ich tat, war irgendwie falsch. Nur Alia kam manchmal vorbei, unterhielt sich mit mir und ich hatte den Eindruck, dass sie mich wirklich mochte. Es freute mich sehr, ich hatte hier sonst niemanden zum Reden. Wir waren uns von Anfang an seltsam vertraut. Meine Schwägerin war wunderschön mit strahlend großen, tiefbraunen Augen. Sie war klein, hatte aber eine makellose Figur. Sie machte die Männer wahrscheinlich ganz wuschig, wenn sie unterwegs war. Natürlich durfte sie das Haus niemals ohne Begleitung verlassen. Zur Schule wurde sie von Majids Chauffeur gebracht und gegen sechzehn Uhr wieder abgeholt. Sie musste sich züchtig kleiden, aber im Haus konnte ich ihre unschuldige Schönheit bewundern. Ich wäre gerne so wunderschön wie Alia. Ich bewunderte ihre Unbekümmertheit, ihre tolle Figur und ihre Jugend. Sie hatte alles noch vor sich, das ganze Leben. Während ich in einer Ehe steckte, die immer mehr einem Gefängnis ähnelte.
In meiner Naivität dachte ich, dass, wenn ich schnell arabisch lernte, sich die Herzen der Familie für mich öffnen würden. Aber dem war nicht so. Sie redeten fast gar nicht mit mir und kümmerten sich nicht um mich. Ich merkte schnell, sie wollten mich nicht kennenlernen. Ich hatte nie eine Chance bekommen. Nach ein paar Wochen konnte ich ein klein wenig von dem Gesprochenen verstehen, nach zwei Monaten sprach ich ein paar Brocken arabisch, wenn auch mit Akzent. Leider hat das die Einstellung der Familie mir gegenüber nicht verändert. Sie blieb am liebsten unter sich. Meine Bemühungen, mich zu integrieren, eine von ihnen zu werden, blieben erfolglos. Wie sehr wünschte ich mir, es wäre anders.
Tagsüber saß ich meistens allein im Garten und las meine E-Books oder wenn es in der alles vernichtenden Mittagshitze nicht möglich war, verzog ich mich in unser Schlafzimmer, wo die stets eingeschaltete Klimaanlage für eine angenehme Temperatur sorgte. Majid war fast den ganzen Tag unterwegs, erst arbeitete er in seinem Geschäft und später traf er sich mit seinen Freunden, wo sie in einem Café literweise Kaffee tranken und Shisha rauchten, eine arabische Realität.
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