Teil I
… „Die Männer haben Vollmacht und Verantwortung gegenüber den Frauen, weil Gott die einen vor den anderen bevorzugt hat und weil sie von ihrem Vermögen (für die Frauen) ausgeben. Die rechtschaffenen Frauen sind demütig ergeben und bewahren das, was geheim gehalten werden soll, da Gott es geheim hält. Ermahnt diejenigen, von denen ihr Widerspenstigkeit befürchtet, und entfernt euch von ihnen in den Schlafgemächern und schlagt sie. Wenn sie euch gehorchen, dann wendet nichts Weiteres gegen sie an. Gott ist erhaben und groß.“… 4,34 Sure 2
… „Und sprich zu den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham bewahren, ihren Schmuck nicht offen zeigen mit Ausnahme dessen, was sonst sichtbar ist. Sie sollen ihren Schleier auf den Kleiderausschnitt schlagen und ihren Schmuck nicht offen zeigen, es sei denn ihren Ehegatten, ihren Vätern, den Vätern ihrer Ehegatten, ihren Söhnen, den Söhnen ihrer Ehegatten, ihren Brüdern, den Söhnen ihrer Brüder und den Söhnen ihrer Schwestern, ihren Frauen, denen, die ihre rechte Hand besitzt, den männlichen Gefolgsleuten, die keinen Trieb mehr haben, den Kindern, die die Blöße der Frauen nicht beachten. Sie sollen ihre Füße nicht aneinanderschlagen, damit man gewahr wird, was für einen Schmuck sie verborgen tragen. Bekehrt euch allesamt zu Gott, ihr Gläubigen, auf dass es euch wohl ergehe.“… 24.31 Sure 1
… „Und wenn ihr fürchtet, dass (irgendwelche) Frauen sich auflehnen, dann ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie!”… Sure 4:34
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es in jedem Land, in allen Kulturen und Religionen, gute und schlechte Menschen gibt. Dieses Buch richtet sich nicht gegen den Islam, wohl aber gegen Männer aller Kulturen und jeder Herkunft, die Frauen unterdrücken, misshandeln, sie als ihr Eigentum und ihre Körper als Gebrauchsgegenstand betrachten.
»Sei still, du verdammte Schlampe!«, schrie er und seine Mundwinkel verzogen sich zu einer höllischen Grimasse. Ich senkte meinen Blick, um ihn nicht noch mehr zu provozieren. »Wenn du noch ein einziges Mal widersprichst, werde ich dich totschlagen. Ich meine das verdammt ernst und das weißt du.« In seiner Stimme lag wieder diese Bestimmtheit und Eiseskälte, die ich so sehr fürchtete. Nichts erinnerte mehr an meinen zärtlichen, fürsorglichen Ehemann und Geliebten, der er früher einmal war.
Die Trockenheit in meinem Mund wurde unerträglich und mein Herz drohte, meinen Brustkorb zu sprengen. Ich seufzte leise. Er sprang auf, kam zu mir, schlug mit seiner Faust hart gegen meine linke Schläfe und traf auch die Augenbraue. Das Blut schoss mir in die Augen. Dann drehte er sich um, ließ mich einfach auf dem Boden liegen und schloss die Tür von außen ab. Ich hatte schrecklichen Durst, ich fühlte einen unangenehmen Druck auf meiner Blase und ich hatte seit mindestens zwanzig Stunden nichts mehr zu essen bekommen, aber niemand konnte mich aus meiner Zwangslage befreien. Er ist gegangen und vor morgen Mittag kommt er wohl nicht mehr zurück. Auf dem Boden kriechend fand ich den Weg zu meiner desolaten Matratze, kauerte mich hierauf zusammen. Von draußen hörte ich Kinderstimmen, Kinder spielten sorglos in der Sonne. Irgendwann verfiel ich in einen kurzen, unruhigen Schlaf.
Kapitel 1
Flug Nr. LH692, Amman - Frankfurt, November 2025
Manchmal denke ich, dass alles im Leben vorbestimmt ist. Ja, ich bin davon überzeugt. Aus tiefstem Herzen glaube ich daran. Wir können vieles beeinflussen, aber manche Ereignisse lassen uns staunen und nicht immer kann man sich darauf vorbereiten, was uns im Leben begegnet. Rückblickend kann ich behaupten, dass ich durch die hier beschriebenen Erlebnisse ein anderer Mensch geworden bin, selbstbewusst und stark. Dafür bin ich sehr dankbar.
Meine Geschichte ist schön und morbide zugleich, tragisch, romantisch, wild, beschämend, traurig – unglaublich! Jetzt, auf dem Weg nach Hause denke ich mit tiefer Wehmut zurück, aber es war nicht immer so. Vor meinen mit Tränen gefüllten Augen laufen kaleidoskopähnlich bunte Bilder ab. Bilder der glücklichen Vergangenheit, einer romantischen, wilden Liebe über zwei Kulturen, zwei Kontinente hinweg. Wir beide waren damals jung und rastlos, so kam es mir jedenfalls vor. Die Welt hatte uns offen gestanden, vor allem für mich, für die große Träumerin aus dem kühlen Deutschland, die dem Zauber des Orients nicht widerstehen konnte.
Als ich das erste Mal den Boden des Flugzeugs betrat, um mein Traumland kennenzulernen, fühlte ich mich beinahe, wie sich Kolumbus bei seiner Jungfernfahrt gefühlt haben musste. Dieses Empfinden war so unbeschreiblich, dass ich es für immer in meinem Gedächtnis bewahren möchte. Meine Erwartungen waren groß, zu groß vielleicht, und es ist schade, dass ich dieses wunderschöne Land und ihre Bürger nicht aus einer anderen, schöneren Perspektive kennenlernen durfte. Der Orient hatte sich mir von seiner dunkelsten Seite gezeigt.
Vielleicht, mit genug Abstand, irgendwann in der fernen Zukunft, werde ich die Orte der schrecklichen Geschehnisse wieder aufsuchen, mich mit meiner dramatischen Vergangenheit auseinandersetzen, Land und Leute von einer anderen Seite kennenlernen.
Ich denke an meine Familie, an Deutschland und freue mich unendlich auf mein altes neues Leben in Offenbach, das ich damals so voreilig und überstürzt weggeworfen habe.
Dankbar, dass ich den Weg zurück antreten durfte und voller Vorfreude sah ich aus dem Fenster der Lufthansa-Maschine in die indigoblaue Nacht. Gedankenverloren starrte ich in die Tiefe und versuchte, mich abzulenken. Der Flug, obschon nur Mittelstrecke, kam mir endlos vor.
»Etwas zu trinken, Madame?« Die Stimme einer freundlichen Flugbegleiterin riss mich aus meinem Tagtraum. Ich nickte und zeigte auf die Wasserflasche auf ihrem Getränketrolley. Das kühle Wasser erfrischte mich. Ich versuchte, mich etwas zu sammeln, sah mich um. Mein attraktiver Sitznachbar schlief tief in seinem Sitz versunken, sein Kopf ruhte auf einem aufblasbaren Kissen und ich beobachtete, wie sich sein Brustkorb im Rhythmus seines Atems lautlos hob und senkte. Es war mitten in der Nacht, die meisten Mitreisenden schliefen, das schummrige Licht ließ mich nicht so weit sehen. Ich war wohl die Einzige, die wach war. Noch eineinhalb Stunden Flug, dann würde ich endlich in Frankfurt landen, dort wo damals alles so märchenhaft angefangen hatte. Seufzend löste ich mich von meinen Gedanken. Die monotone, angenehm temperierte Musik, die über einen Kopfhörer aus meiner Smartbrille strömte, machte mich schläfrig. Gähnend lehnte ich mich zurück, schloss die Augen und fiel in einen leichten, friedlosen Schlaf.
Als ich Majid vor drei Jahren kennengelernt hatte, war ich eine gesunde, ziemlich attraktive und ein wenig schüchterne Frau in den besten Jahren. Ich wurde gerade dreiunddreißig, ich fühlte mich bereit für eine neue Liebe. Ich lebte allein in meiner kleinen Zweizimmerwohnung, bescheiden, aber gemütlich und geschmackvoll eingerichtet. Reichtümer hatte ich keine, aber das war sowieso nicht mein Ziel. Ich fühlte mich wohl so. Nur am Wochenende und an den Feiertagen fehlte mir eine Person, mit der ich etwas unternehmen, an die ich mich lehnen, mit der ich zusammen einen schönen Abend verbringen konnte. Ansonsten aber war ich mit meinem Leben im Reinen. Viele Hobbys hatte ich nicht, aber die bereiteten mir viel Spaß. Ich sammelte mit Begeisterung Schneekugeln. Ja, ich muss zugeben, es klingt vielleicht kindisch, aber Schneekugeln fand ich seit meiner Kindheit faszinierend. Inzwischen umfasste meine Sammlung über hundert, von klein und günstig bis groß und teuer. Sie standen überall in meiner Wohnung verteilt. Hatte ich wieder einmal meine melancholische Phase, schüttelte ich sie und bekam sofort gute Laune.
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