Wie auch schon im Vorwort des ersten Bandes möchte ich Sie nun erneut darum bitten, diese Texte nicht einfach nur unreflektiert entgegenzunehmen oder sie gar ungeprüft zu verwerfen. Lassen Sie sie auf sich einwirken, um Ihre eigenen Werte zu definieren – diejenigen, die für Sie selbst Gültigkeit haben sollen. Dann ist der höchste Zweck auch dieses Buches wieder erreicht.
Michael Gauss
DIE WIRKLICHKEIT
Die Wirklichkeit ist wie eine Knetmasse des Geistes:
Sie ist immer nur das, was wir mit unserem Bewusstsein aus ihr formen, um danach hineinzutreten und es erleben zu können.
Wenn die Wirklichkeit wirklich nur die eine wäre, wie kommt es dann, dass zwei Menschen den gleichen Streit vollkommen anders erleben können? Einmal als Desaster und einmal als konstruktiven Austausch?
Man ist immer nur das, wovon man überzeugt ist, dass man es wäre.
Und trotzdem kann man über sich denken, was immer man will, und es spielt überhaupt keine Rolle.
Denn zwischen bloßem Denken und der tiefen Überzeugung steht die Kraft, die einen Menschen erschafft.
Um das Konzept der alternativen Wirklichkeiten deutlicher zu machen verweise ich gerne darauf, dass alleine schon jeder Mensch durch seine persönlichen Wahrnehmungen eine eigene Wirklichkeit repräsentiert.
Wenn unsere Wirklichkeit auf unseren Interpretationen beruht, dann bräuchten wir nur unsere Interpretationen zu verändern, um auch unsere Wirklichkeit zu verändern.
Bei der Erforschung des Gehirns wurde entdeckt, dass durch das bloße Betrachten bestimmter Bilder die gleichen Gehirnregionen aktiv werden, als ob man sich tatsächlich in der abgebildeten Situation befinden würde.
Ferner hat man herausgefunden, dass das Unterbewusstsein nicht zwischen echten Wahrnehmungen aus der realen Umgebung und rein mentalen Eindrücken, wie etwa aus einem Kinofilm oder gar der eigenen Fantasie unterscheidet. Es reagiert auf diese Eindrücke genau so, als ob sie wirklich wären.
Warum also gehen wir davon aus, dass unser tägliches Leben die eine, objektive Realität darstellt? Warum denken wir, die uns umgebende Wirklichkeit wäre realer, als zum Beispiel ein Traum während wir schlafen?
Es ist das Ergebnis einer lebenslangen Konditionierung, in der wir gelernt haben, was die von allen Menschen wahrgenommene Realität ist. Und zugleich wurde uns vermittelt, dass unsere eigene, individuelle Wahrnehmung der Wirklichkeit nicht allgemeingültig ist, deshalb nicht relevant sei und somit zu vernachlässigen wäre.
Diesen Prozess wieder umzukehren – zu lernen, dass wir Darsteller in unserem eigenen Schauspiel sind; dass die uns umgebende Realität einer beeindruckend real erscheinenden Filmprojektion gleichkommt; dass alles, was wir wahrnehmen, erleben und empfinden ein Auswurf unseres eigenen Bewusstseins ist – dies wirklich wahrnehmen zu können stellt wohl den größtmöglichen Schritt in der gegenwärtigen Phase menschlicher Entwicklung dar.
Danach erübrigt sich die Notwendigkeit, Mensch zu sein und man ist im freien Spiel mit der menschlichen Existenz angekommen – wenn man es dann noch spielen will und sich nicht anderen Daseinsformen in anderen Realitäten zuwenden möchte.
Wir sind körperlich und mental so intensiv mit der lokalen Wirklichkeit des Planeten Erde verbunden, dass man uns getrost als „Erdlinge“ bezeichnen darf.
Auch nach dem Ende unserer Besuche auf dieser Welt werden wir diesen einzigartigen Erfahrungsschatz weiterhin in uns tragen.
Das Erdling-Sein wird für immer ein kostbarer Teil von uns bleiben, der uns dabei geholfen hat darüber zu lernen, was existent zu sein in dieser Schöpfung alles meinen kann.
FRAUEN
Gereiftes Frausein zeigt sich oft darin, dass es um Gefühle der Männer weiß, von denen die selbst nichts wissen wollen.
Frauen können so tief fühlen, wie es kaum ein Mann kann. Ihre Welt ist die Welt spontaner Empfindungen.
Diese Welt ist häufig um so vieles größer, als die strukturierte Verstandeswelt der Männer, dass die männliche Verständnisfähigkeit oft ganz hilflos ist, weil sie den als Sprunghaftigkeit missverstandenen Reichtum dieser Welt nicht in sich selbst finden kann.
Aber die Wucht ihrer Gefühle kann auch so verzehrend werden, dass es manchmal nur ein Mann ist, der sie mit seinem strukturierten Denken wieder zu stabilisieren vermag.
Wenn Frauen sich für die Rationalität im Sinne einer vorwiegend durch den Verstand geregelten Wahrnehmung entscheiden – häufig, um in der männlich dominierten Welt einen besseren Stand zu haben – dann können sie dabei noch beflissener werden, als selbst viele männliche Rationalisten es sind.
Das ist auch gar nicht überraschend, denn dann haben sie sich gegen das Feinsinnige in ihrer Natur entschieden.
In der heutigen Zeit werden männliche Karrierewege immer mehr für Frauen geöffnet.
Obwohl es wie eine Einladung zu mehr Gleichberechtigung aussieht, können viele Frauen die dafür erforderlichen Wesensarten nicht für sich einnehmen, weil die von Männern entworfene Karrierehierarchie häufig so maskulin autoritär strukturiert ist.
Wirklich voranbringen kann Frauen nur, wenn sie Wege dafür finden, ihre eigene, weibliche Art aufzugreifen und schrittweise möglichst echt in unsere Karrierewege mit einzubringen.
Und genau davon würde unsere Gesellschaft in hohem Maße profitieren.
Ich kenne eine überaus attraktive Frau mit hellem, dichtem Haar bis zum Gürtel hinab, die eine so gute Automechanikerin ist, dass sie einst die Verantwortung für die technische Wartung der Automobilsammlung eines Multimillionärs trug – selbst und mit eigenen Händen.
Ich kenne eine besonders aparte Frau, die mit einer Präzisions-Tischkreissäge so hantiert, wie mit einer Kaffeemaschine – als das normalste der Welt. Sie macht es nicht beruflich, sondern als Heimwerkerin für das Anwesen, das sie mit ihrer Familie bewohnt.
Ich kenne eine bezaubernde junge Frau, die Energietechnik studiert, weil es inhaltlich für sie Sinn macht und weil ein technischer Beruf eine besonders reizvolle Herausforderung für sie ist. Ihre Familie hat keinen technischen Hintergrund, der sie dazu bewogen hätte.
Es sind nicht Feministinnen, die Grenzen sprengen. Sie bestätigen sie eher. Es sind Frauen wie diese, die machen, was sie tun und gut darin sind, weil sie Spaß daran haben und weil sie keinen Gedanken daran verschwenden, ob es sich um eine „Männerdomäne“ handelt.
Es gibt eine weibliche Weisheit, die in Frauen entsteht, die zu sich selbst gefunden haben. Sie entsteht aus dem Sein als Frau und seinen inneren Gegebenheiten.
Solche Frauen bezeichnen es nicht als Weisheit, weil es für sie selbstverständlich und offensichtlich ist.
Ich als Mann aber bezeichne es sehr wohl als Weisheit, weil ich es nicht in mir selbst finden und es deshalb nur von Frauen lernen kann.
In dieser Welt wachsender Herausforderungen können wir es uns als Menschheit nicht erlauben, bei der Suche nach Lösungswegen auf das ausgeprägte Einfühlungsvermögen von Frauen zu verzichten.
In der Philosophie repräsentiert das Weibliche das Prinzip der Hingabe, ohne die die männliche Aktivität oberflächlich bleibt und keine Nachhaltigkeit erzielen kann.
Aber in der Schöpfung sehe ich es als das Seelenvolle, ohne das das Männliche an der Oberfläche kleben bleibt und seine Aktivitäten gegen sich selbst richtet, weil es die Tiefe nicht mehr finden kann.
MÄNNER
Man hat sich als Mann solange nicht selbst verstanden, solange man nicht die Art der Frauen versteht, mit dem Patriarchat zurechtzukommen.
Viele Männer sind dazu erzogen in die Welt hinauszuziehen und dabei zu sagen, „So, da draußen! Jetzt komm’ ich!“
Die einen kommen damit durch und die anderen holen sich eine blutige Nase.
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