1 ...7 8 9 11 12 13 ...25 „Hey, werd mal locker, Kate. Vielleicht ‘nen Schluck Cola?“ Er blies ihr den Rauch seiner Kippe ins Gesicht. Ohne ihn anzusehen, nahm sie den Becher aus seiner Hand und trank. Zwei ziemlich große Schlucke. Es schmeckte scheußlich.
„Na siehst du, geht doch. Das mit heute Morgen tut mir übrigens leid. Wir wollten dir auf der Straße keine Angst einjagen.“
„Habt ihr auch nicht.“
„Was ich dir noch sagen wollte, du siehst echt heiß aus. Ich wette, am ganzen Strand bis runter nach Woods Hole gibt es kein Mädchen, das es mit dir aufnehmen kann.“
Ob Justus Sara so lange unter Druck setzen würde, bis sie ihm verriet, wo sie sich aufhielt?
Am Ende des Piers tauchten James und ein dritter Junge auf, dem Kriemhild bis dahin nicht begegnet war. Sie standen mit den Händen in den Taschen da und schauten sie an, als warteten sie auf etwas. „Hier, trink noch was, ich mag nicht mehr.“
Sie nahm ein paar Schlucke und schmiss den halbvollen Becher ins Meer, was sonst gar nicht ihre Art war. Jason reagierte ziemlich verärgert und pöbelte sie gleich an.
„Du willst mir doch nicht erzählen, dass du dich für Umweltschutz interessierst?“, antwortete Kriemhild. Urplötzlich machte sich Übelkeit in ihrem Magen breit. Sie hatte bereits zu viel Zeit mit ihm vergeudet. Von Martha’s Vineyard war auch nichts zu sehen. Es war zu diesig. Sie erreichten das Ende des Stegs. Die Sonne versank eben im Westen, es wurde windig und sie fröstelte.
Ein plötzlicher Schwindel ließ sie taumeln, als sie sich umdrehte, um zurückzugehen.
„Wo willst du denn hin?“ Jason hielt ihren Arm fest, während James und der andere näher kamen. Sie stießen ihre Schultern gegeneinander und lachten.
„Ich hatte gehofft, du kommst eine Runde mit mir schwimmen, Katie?“
Jason zog Kriemhild an sich. Seine Stimme hallte blechern in ihr nach. Ihr war übel.
„Lass mich los!“ Die Worte fielen lallend von ihren Lippen. „Mir geht es nicht besonders. Außerdem kann ich nicht schwimmen.“
Sie griff nach dem Holzgeländer, um nicht umzufallen. Was geschah mit ihr?
„Setz dich her zu mir. Du solltest dich ein wenig ausruhen.“
Jason zog sie hinab auf die Holzbohlen, während sie versuchte, mit aller Kraft stehen zu bleiben. Ihre Knie waren aus Gummi. Vor Kriemhilds Augen begann sich alles zu drehen.
Samuel
Wo sonst hätte er sich an dem Abend aufhalten sollen, um sie abzufangen, ohne dabei ihre Aufmerksamkeit zu erregen? Seinen Platz in den Dünen würde er jedenfalls vermissen. Irgendwann, in weiß Gott wie vielen Jahren. Er wusste, dass es falsch war dort zu sein, auch ohne Amys Drohungen. Samuel schwor sich, auf Abstand zu bleiben. Vielleicht stellte Kate sich ja nicht ganz so dumm an, wie er befürchtete, und blieb ihrerseits auf Abstand zu dem triebgestörten Jason. Aber wer wusste das schon?
Samuel verstand nicht, was die Mädchen an einem Typen wie Jay fanden. Doch es war nicht der richtige Zeitpunkt, um über die menschliche Psyche zu grübeln. Er würde sie ohnehin nie verstehen.
Dann sah er sie. Brooke wich keinen Zentimeter von ihrer Seite. Sie liefen über den Strand, Richtung Pier. Sein Herzschlag verriet ihm, dass es längst zu spät war. Sein Herzschlag und der Gedanke, wie es wäre, wenn er doch nicht zurückgehen würde. Das machte ihm Angst. Die schlimmste anzunehmende Katastrophe trat also ein. Er war dabei, sich in sie zu verlieben.
Seufzend schüttelte er den Kopf. Nein! Wenn der Abend vorbei war, würde er sie nie wiedersehen. Er durfte sie nie wiedersehen.
Samuel stand auf, nahm die Sandalen und schlug sich den Sand von den Klamotten. Während er den Mädchen unauffällig folgte, kniff er die Augen zusammen, um Kates Anblick in sich aufzunehmen. Kein Zweifel. So ein wunderschönes Geschöpf hatte er nie zuvor gesehen. Weder hier, noch dort unten. Und er hatte viele schöne Wesen gesehen.
Das wilde, rote Haar wurde von einem Strohhut mit breiter Krempe gebändigt. Der dunkelgrüne Bikini wirkte wie eine zweite Haut. Sie hatte Geschmack, soviel stand fest. Was den cremefarbenen Rock anging, den würde Jason ihr allein mit seinen Blicken vom Leib reißen. Sam wurde übel beim Gedanken daran. Wenn er sie nur warnen könnte! Stattdessen musste er auf ihren Menschenverstand hoffen, und darauf, dass sie sich selbst und ihn nicht in Gefahr brachte. Shit! Was tat er da eigentlich?
Je näher sie dem Pier kamen, desto lauter wurde die Musik. Samuel verzog das Gesicht vor Schmerz. Viel näher durfte er nicht herangehen, wenn er seinem Gehörsinn nicht schaden wollte. Doch darauf nahm die Rothaarige leider keine Rücksicht.
Sie trafen auf eine Gruppe Jugendlicher und es schien, als würden sie erst mal dort stehenbleiben. Sam hockte sich wieder in eine Düne und wartete. Wenn alles so blieb, war der Tag gerettet. Doch es blieb nicht so. Wenig später erschien der Sunnyboy und umgarnte seine Beute. Sein charmantes Lächeln war so verführerisch wie das Licht des Anglerfisches. Bis er zubiss.
Samuel bemerkte, dass Kate sich tatsächlich mit Jason von der Gruppe absetzte. Er hatte sie überschätzt. Langsam erhob er sich. Die aufsteigende Wut auf Jason verhalf ihm, den Schmerz in den Ohren zu ertragen. Er folgte ihnen unbemerkt. Auf dem Pier tummelten sich so viele Menschen, dass er gar nicht auffiel. Als er das Pult des DJs passierte, presste er sich die Fingerspitzen in die Ohren. Ihm wurde schwindelig. Nicht mehr viel und er hätte sich übergeben.
Leider verlor er dabei Jason und das Mädchen aus den Augen. Irgendwann lichtete sich das Chaos jedoch wieder. Je weiter er aufs Meer zuging, desto weniger Leute begegneten ihm. Es dauerte nicht lange, bis er sie wiedergefunden hatte. Jason gab Kate etwas von seinem Drink und Sam bemühte sich, das Gespräch zu belauschen. Sie erreichten das Ende des Stegs, wo der Sunnyboy Verstärkung bekam. Irgendwas stimmte nicht mit Kate. Sie schwankte und taumelte hin und her, während die Gruppe sie umzingelte.
Dieser Widerling! Sam ahnte, was dort abging. Seine Faust kribbelte beim Gedanken daran, sie in Jasons Gesicht zu parken.
„Lass mich los! Mir geht es nicht besonders. Außerdem kann ich nicht schwimmen.“
Ihre Stimme klang schwach, gebrechlich. Jason zog sie zu sich hinab auf den Boden. Samuel wartete gar nicht erst darauf, dass der Typ anfing, sie zu begrapschen. Er legte einen Schritt zu und kam gerade rechtzeitig, um mit anzusehen, wie Kate kopfüber unter dem Geländer des Piers hing. Jason packte sie unter den Armen und fing sie im letzten Moment auf, nachdem sie im Handgerangel weggerutscht war.
„ Sie sagte, sie kann nicht schwimmen !“, zischte Sam.
Jason schaute erschrocken auf.
„Jungs? Kann sich einer von euch dran erinnern, Sushi bestellt zu haben?“
Die anderen lachten, fletschten kampfeslustig die Zähne und verschränkten die Arme vor der Brust.
„ Ich jedenfalls nicht. Und jetzt verzieh dich, Sam.“
Kate hing noch immer benommen unter dem Geländer und faselte wirres Zeug.
„Hast du nicht gehört? Du sollst Leine ziehen, Beau! Sonst muss ich dieses hübsche Mädchen loslassen, um dir höchstpersönlich Beine zu machen!“
Samuel kochte vor Wut. Er machte einen Schritt auf Jason zu, doch die anderen versperrten ihm den Weg. Er brauchte nicht mehr als zwei heftige Schläge mit der Rechten, bis die Wachhunde rücklings fluchend auf die Bohlen knallten. Damit hatte Jason nicht gerechnet und Sam las aus seinen Gedanken, dass er kurz überlegte, wie er unversehrt aus der Sache rauskommen und seinem Rivalen gleichzeitig größtmöglichen Schmerz zufügen könnte. Eine Sekunde später zog er die Hand unter Kates Rücken weg, woraufhin sie vom Pier rutschte und mit einem Platschen in den Wellen versank.
Читать дальше