Sie sah zu Base. „Genügt das als Erklärung?“, fragte sie lächelnd.
Base zögerte.
„Was?“
„Nichts. – Simon drei also.“
„Ja.“
„Lebenssphäre?“
Brauer nickte.
„Na dann …“
„… auf ein Neues!“, vollendete Brauer. Sie kontrollierte kurz die programmierten Kursdaten und korrigiert sie um wenige Grad, so dass das Schiff näher an den neu entdeckten Planeten herankommen würde. Nahe genug, damit die Schwerkraft von Simon drei die Emanuel in eine Umlaufbahn im hohen Orbit zwang.
„Du kannst jetzt den Autopiloten einschalten, Willy“, informierte sie den Ersten Offizier.
„Okay! – Ich habe jetzt die Sonde wieder.“
„Gut. Kommst du mit ’ner halben Stunde für den Check hin?“
„Sicher. In dieser Zeit kann ich sogar noch ’n Nickerchen machen.“
„Ich gebe dir gleich die neuen Kursdaten …“
Im Hintergrund schmatzte leise die Tür. Brauer warf einen Blick auf Stanislav Tich. Sie stellte fest, dass sie den Planetologen schon erwartet hatte.
Tich kam nach vorn und schaute ihr über die Schulter. „Wann meldet sich die Sonde wieder?“, fragte er.
„Schon da“, antwortete Base und schaltete das Sondenbild auf den Hauptschirm.
Brauer sah auf. Die Außenkameras der Sonde schwenkten herum, sie präsentierten das Panorama einer Wüstenlandschaft. Brauer unterdrückte ein Gähnen und konzentrierte sich auf die Kursberechnung.
Wenige Minuten später projizierte sie das Ergebnis auf Base’ Pult und streckte sich. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück, registrierte, dass Tich im Copilotensessel Platz genommen hatte und offenbar Daten auf dem Pult verfolgte. Eigentlich war das nicht regelgerecht, der Planetologe hätte an das Sensorpult gehen müssen, aber Brauer beließ es dabei. Sie betrachtete den großen Bildschirm an der Stirnseite der Zentrale. Base war offensichtlich gerade dabei, die Sonde umzusetzen: Sie glitt in geringer Höhe über den sandigen Untergrund hinweg.
„Irgendwas Interessantes gefunden?“, erkundigte sich Brauer.
Base schüttelte den Kopf. „Überhaupt nichts. Der Planet ist so aufregend wie ein Glas Wasser bei Regen.“
Brauer lächelte matt. Sie sah zu Tich hinüber. „Bei dir?“
„Auch wenn der Vergleich bei Jon geklaut ist: Er ist zutreffend.“
Base verzog das Gesicht. „Geklaut – was für ein hartes Wort! Sagen wir lieber, ich habe mir den Vergleich geliehen.“
„Wie auch immer“, seufzte Tich. „Simon dr… vier ist absolut langweilig. Also der beste Platz für eine Basis.“
Brauer drehte sich zum Schmatzen der Tür um. ,Ich muss Joseph unbedingt wegen der Dichtung ansprechen‘, dachte sie. ,Das klingt ja richtig …‘ Ihr fiel kein treffendes Wort ein.
Yali, die die Zentrale betreten hat, empfand offenbar ähnlich, denn sie warf der Tür einen vorwurfsvollen Blick zu. Dann ging sie in aller Seelenruhe zu Brauer und fragt: „Was is’n das für ein neuer Planet?“
„Interessieren dich die Bahnparameter oder die mutmaßliche Masse und Größe?“
„Weder noch, um ehrlich zu sein. Ich bin Chemiker, kein Planetologe.“
„Dann wirst du wohl oder übel noch ein Weilchen in deiner Neugier schmoren müssen, Schwesterlein.“
„Was heißt ein Weilchen?“
Brauer schaute fragend zu Base.
„Ich bin in zehn Minuten hier fertig“, antwortete er.
„Zehn Minuten nur?“ Brauer hob die Augenbrauen. „Was ist mit den Tiefenanalysen?“
„Die vorletzte habe ich gerade fertig.“
„Mhm. Na gut. Also!“ Sie blickte auf ihr Steuerpult. „Wenn William die Sonde in zehn Minuten von Simon vier hochholt, kann sie in einer reichlichen halben Stunde die ersten Bilder von Simon drei liefern und, wenn nichts dazwischen kommt, in anderthalb Stunden in eine Orbitbahn einschwenken.“ Sie schaute zu Yali auf. „Genügt die Auskunft?“
Sie nickte großzügig.
„Na da bin ich ja beruhigt! Nichts ist so schlimm wie eine unzufriedene Besatzung.“
„Dann lass von den Technikern mal die Türdichtungen reparieren“, entgegnete Yali. „Neuerdings gibt sogar die Tür in der Messe so obszöne Geräusche von sich. Ich meine, wenn dich das bei der Arbeit nicht stört … Beim Essen stört es mich ganz erheblich.“
Brauer sah Base verstohlen in sich hinein schmunzeln. Tich gab vor, stark mit den Sondendaten beschäftigt zu sein. Noch ehe Brauer etwas erwidern konnte, ging die Tür erneut, und die beiden Ärzte betraten die Steuerzentrale. Frantisek Skoda drehte sich missbilligend nach dem Schmatzen um. „Das wird ja immer schlimmer“, brummte er.
Inéz Cartena sah ihn verwirrt an.
„Ich meine dieses Geräusch“, erklärte Skoda. „Die Tür zur Krankenstation klingt auch schon so. So …“ Er suchte nach einem passenden Begriff.
„So obszön?“, bot Brauer an. Sie versuchte, dabei möglichst ernst zu bleiben.
„Obszön. Das ist genau das richtige Wort!“
„Ich werde mit Joseph reden“, versprach Brauer lächelnd.
„Mr. Romp hat momentan keine Zeit für derartige Banalitäten“, entgegnete Yali ein wenig spitz. „Als ich ihn heute früh deswegen fragte, hat er gesagt, dass er jede Minute braucht, um die E2 zu reparieren.“
Brauer runzelte die Stirn. Sie hatte nicht gewusst, dass der Schaden an der Sonde so groß war. Als die E2 von Simon sechs zurückkehrte, schienen nur ihre Hitzeschilde etwas überstrapaziert zu sein. Brauer nahm sich vor, so bald wie möglich mit dem Chefingenieur über die zweite Sonde zu sprechen.
„Er braucht doch sicher nicht das ganze Technikerteam dazu“, sagte Tich. „Was ist mit Jan zum Beispiel?“
„Jan Meister? Ich kann ihn ja mal fragen“, schlug Yali vor.
„Ja, tu das!“, bat Brauer. Sie warf einen Blick auf den Bildschirm, nahm ein paar Schaltungen auf ihrem Pult vor und gähnte verstohlen angesichts der Angaben, die die E1 von der inneren Struktur des gelben Planeten lieferte.
„Ich komme aber nicht wegen der Türen“, hörte sie Skoda sagen und schaut zu ihm.
„Sondern?“, fragte sie.
„Seit die E1 zum ersten Mal gestartet ist, hast du kaum noch geschlafen.“
„Es ist nett, dass du dir Sorgen machst, aber ich fühle mich topfit.“
„Das heißt nicht, dass du auch topfit bist. Und außerdem ist es nicht nett von mir, auf deine Gesundheit zu achten, sondern meine Aufgabe.“
„Franta! Ich kann jetzt hier nicht weg. In einer halben Stunde kriegen wir die ersten Bilder von Simon drei.“
„Dann hast du ja eine halbe Stunde Zeit, dich hinzulegen.“
„Das lohnt sich doch gar nicht“, entgegnete Brauer mürrisch. Sie sah zu Cartena. Die Ärztin hatte mitbekommen, dass Brauer heute Morgen in der Krankenstation gewesen war, um sich einen Tranquillizer zu holen. Und tatsächlich: In Inéz’ großen samtgrauen Augen stand Sorge. Brauer wich ihr aus. Sie wusste ja, dass sie mit derartigen Medikamenten sehr vorsichtig sein musste. „Okay!“, lenkte sie also ein und drückt die Inter-Komm-Taste. „Ricardo?“
„Ich bin im Hangar“, tönte die Stimme des Piloten aus dem Lautsprecher. „Was gibt’s?“
Brauer schaltete alle Kanäle bis auf die Verbindung in den Hangar aus. „Kannst du für die nächste Stunde den Copilotenplatz übernehmen?“
„Na klar doch! Ich wollte sowieso gerade hochkommen. Ist die E1 schon mit dem Gelben fertig?“
„Fast“, antwortete Base. „Ich beende eben die letzte Tiefenanalyse.“
„Fein. Also ich bin sofort da. Ende!“
Brauer schloss die Verbindung und stand auf. Kurz vor der Tür drehte sie sich noch einmal zu den Ärzten um und hob den Zeigefinger. „Aber wirklich nur eine halbe Stunde! Wehe ihr weckt mich dann nicht! Und wenn es irgendwas besonderes gibt …“
„Ja!“, unterbrach sie Cartena. „Dann rufen wir dich.“
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