Ulrike Jonack - Am Anfang war der Irrtum

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Irrtümer können gravierende Folgen haben. In diesen drei Geschichten wird davon erzählt:
• Als die Siedler sich auf Warén niederließen, hatten sie mit allem gerechnet. Außer damit, dass jemand sie sabotieren würde.
• Es ist Krieg und die Militärs sind mehr als interessiert an Eferents Erfindung. Kann er ihnen ein Schnippchen schlagen?
• Das erste Galaxy-Ship der Menschen ist nur schwach bewaffnet. Zu dumm, dass es mitten in einen interstellaren Konflikt gerät.

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Ulrike Jonack

Am Anfang war der Irrtum

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Inhaltsverzeichnis

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Am Anfang war der Irrtum Am Anfang war der Irrtum von jon Drei Science-Fiction-Geschichten: • Sabotage • Der letzte Tag im Paradies • Am Anfang war der Irrtum

Sabotage

Der letzte Tag im Paradies

Am Anfang war der Irrtum

Nachwort

Impressum neobooks

Am Anfang war der Irrtum

von jon

Drei Science-Fiction-Geschichten:

• Sabotage

• Der letzte Tag im Paradies

• Am Anfang war der Irrtum

Sabotage

Dass sie einen Kriminalisten brauchen würden, hatte niemand vermutet. Als die Siedler auf dem Planeten ankamen, hatten sie mit allem gerechnet: Dass die Wassersuche im sandig-felsigen Boden schwer werden würde, dass die Bodenbereiter nur langsam für fruchtbare Gärten sorgen konnten, dass das mitgebrachte Zellmaterial rascher mutierte, als es für die Ausprägung einer halbwegs funktionierenden Biosphäre gut war. Sogar, dass sie sich einsam fühlen würden, hatten die Siedler in Betracht gezogen, obwohl das bei achtundfünfzig Personen eher unwahrscheinlich war. Sie hatten damit gerechnet, dass diese oder jene Pflanzen- oder Tierart ausstarb, dass wichtige Technik versagte und im Laufe der Zeit immer notdürftiger nur zusammengeflickt werden konnte. Selbst dass nicht alle hier geborenen Kinder überleben würden, war ihnen bewusst gewesen. Aber dass sie jetzt – sechs Jahre nach der Ankunft – einen Detektiv brauchen würden, sprengte all ihre Vorstellungskraft.

Das tat es immer noch, obwohl Lo’Ina schon seit drei Tagen ganz offiziell als Kriminalist ermittelte. Es hatte ein Scherz sein sollen, als er die Schaffung einer solchen Funktion im Ratskreis vorschlug. Angesichts der Probleme, die inzwischen bedrohliche Ausmaße annahmen, hatten sich die Ji’In jedoch geradezu auf diese Idee gestürzt: Endlich hatten sie jemanden, der – ohne sich dessen zu schämen – Misstrauen hegen durfte, ja es sogar von Berufs wegen musste. Damit war für sie dieses Problem erledigt. Und Lo’Ina wurde zum Exot, den man einerseits ob der Last, die er trug, verehrte, den man andererseits ob der seltsamen Dinge, die er nun tat, belächelte. Die Macht des Ka’a – Lo’Ina hatte buchstäblich über alles und jeden uneingeschränkte Befehlsgewalt – wog dieses Gefühl des Bizarr-Seins nicht auf.

Da war es wieder, dieses Gefühl. Ausgelöst von einem alltäglichen Anblick. Ein Mann stand an einer Erzbreche und hantierte an der Maschine. Lo’Ina versuchte, zu erkennen, was der Mann dort tat. Etwas am Mahlwerk war wohl nicht in Ordnung. Wiedermal. Erst gestern war ein Rad gebrochen, weil ein Fixierstift gefehlt hatte. Ein Fixierstift, der nirgends zu finden war, der also entweder ins Erz geraten oder vorsätzlich entfernt und mitgenommen worden war. Am Tag vorher war es an derselben Maschine am selben Treibrad eine Verschraubung, die – die Spuren des Werkzeugs bewiesen es – gelockert worden war. Ein Arbeiter hatte beim sich daraus ergebenden Unfall eine Hand verloren. Es war derselbe Arbeiter, der eine Woche zuvor bei der Explosion an der neuen Brunnenanlage beinahe erblindet wäre.

Kaum jemand in der Siedlung war noch ohne Blessuren. Einiges war eher banal. Blaue Flecke, weil ein bislang friedliches Krtkal gesenkten Hauptes durch den Garten gerast war und dabei nicht nur Pflanzen niedergetrampelt sondern auch den Gärtner umgerannt hatte. Oder die Schürfwunde von Semno’i, der seinem eigentlich zuverlässigen Waxtla auf ein rutschiges Geröllfeld gefolgt, darauf ausgeglitten und dann einen felsigen Abhang heruntergeschlittert war. Manches war auch schlimmer – abgetrennte Glieder, tiefe Fleischwunden, unerklärliche Vergiftungserscheinungen. Und auch die Zahl der Toten war um vieles höher, als bei Siedlungsprojekten wie diesem jemals bekannt geworden war. Die Siedler waren soweit, das Mutterschiff zu rufen und es um Rückkehr zu bitten. Und sie hätten es auch längst getan, wenn sie auch nur noch einen intakten Kommunikator gehabt hätte. Diese Geräte jedoch waren als erste ausgefallen, nach und nach, unaufhörlich. Aber das war lange her.

Der Mann stand noch immer am Erzbrecher. Obwohl er leicht vorgebeugt stand, als hantiere er an der Maschine, war er reglos. Lo’Ina konnte es wegen der Entfernung eher spüren als sehen, aber in den drei Tagen Detektivsein hatte der Ka’a diesen Sinn bereits so verfeinert, dass er sich sicher sein konnte, dass dort etwas nicht stimmte. Obwohl es unklug war, sich in den offensichtlichen Gefahrenbereich zu begeben, lief Lo’Ina zur Maschine. „Fort!“, rief er und: „Weg da!“ Und tatsächlich erwachte der Arbeiter aus seiner Starre, sah zu Lo’Ina, begriff sichtlich, sah zur Maschine, setzte zum Sprung an und …

… ein markerschütterndes Quietschen zerschnitt die Luft, etwas brach ohrenbetäubend, ein Abdeckblech löste sich vom Brecher und flog in knappem Bogen über den Arbeiter hinweg. Der ließ sich fallen, das Blech schlug sandspritzend kurz von Lo’Ina auf und schlitterte ihm entgegen. Ein Sprung darüber und alles war still.

Totenstill.

Lo’Ina bemerkte seine Gedanken wieder einsetzen, sie galten dem Arbeiter. Der erhob sich taumelnd, Lo’Ina war rasch bei ihm, um ihn zu stützen.

„Ka’a?“, murmelte der Arbeiter, Lo’Ina erkennend.

Der Detektiv nickte. Ihm fiel partout nicht ein, wie der Mann hieß.

„Was ist passiert?“, fragte der Arbeiter.

„Sag du es mir“, erwiderte Lo’Ina.

„Ich?“ Der Arbeiter rieb sich die Stirn. Dann drehte er sich zur Maschine um und betrachtete das aufgefetzte Gehäuse. „Ich habe es getan“, sagte er tonlos. Er blickte zu Lo’Ina. „Ich habe es getan“, wiederholte er. Dann ging ihm wohl auf, was er da sagte, und seine Augen weiteten sich schreckvoll.

Lo’Ina nickte. „Komm“, sagte er und nahm den Mann beim Arm. „Gehen wir.“

„Wohin?“

„Weg von hier. In die Ratsräume.“

Der Mann ging stumm mit ihm. Er setzte sich stumm auf den ihm zugewiesenen Platz und sah stumm zu, wie Lo’Ina in Papieren zu blättern begann. Er wirkte wie tot dabei, als wäre sein Denken und Fühlen erloschen. Vielleicht war es das auch.

Lo’Ina hatte gefunden, was er suchte: Im Dienstplan des Erzbrechers stand für diese Schicht Teno’Xitlan eingetragen. Das war dieser Mann, Lo’Ina erinnerte sich endlich. Er blätterte weiter. Rote Ringel um Einträge in den Schichtplänen und Notizen dazu. Alles Unfälle. Rote Ringel im Log der Medizinstation und rote Ringel im Garten-Log. Alles unerfreuliche Ergebnisse unglücklicher Zufälle. Und kein System darin.

Lo’Ina sah Teno’Xitlan an.

Teno’Xitlan sah Lo’Ina an.

Lo’Ina fragte: „Warum?“

Und Teno’Xitlan antwortete: „Ich weiß nicht.“ Dann schien er sich zu erinnern. Er sah an sich herab, griff in die Gürteltasche und holte etwas daraus hervor. Er legte es vor Lo’Ina auf den Tisch. Es war eine Schraube.

Lo’Ina blickte auf. Fragend.

„Ich habe es getan, nicht wahr?“, fragte Teno’Xitlan.

„Offensichtlich.“

„Warum?“, fragte Teno’Xitlan.

„Ich weiß es nicht. Nur du weißt es.“

„Ich?“

„Wer sonst?“

„Ich weiß nicht. Es war … Ich war nicht dabei, als ich es tat.“

Lo’Ina blieb die Frage im Hals stecken.

„Es ist dumm und unglaubwürdig, ich weiß, aber … Das ist es, woran ich mich erinnere. Ich wusste, dass es jemand tat, und ich wusste, dass er dafür meinen Körper benutzte, aber es war mir egal.“ Er sah Lo’Ina an. So, als hoffte er, dass der Ka’a ihm widersprach.

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