Gideon stellte sich gespielt interessiert vor Quinns Schwert und ließ seine Hand darüber gleiten, als würde er es bewundern. Die Krieger waren zwar weiter weg, sollten jedoch nicht mitbekommen, was die beiden besprachen.
„Nichts. Was meinst du?“
„Stellst du dich absichtlich dumm, Quinn? Ich kenne dich gut genug. Ebenso wie Emma. Und ich mag es gar nicht, sie so unzufrieden zu sehen, dass weißt du. Also, sie kommt hierher und redet mit dir über so etwas, was nicht ohne Grund der Fall ist. Außerdem habe ich bereits bemerkt, wie du ihr aus dem Weg gehst, wie du sie ansiehst, Dämon.“ flüsterte Gideon vielsagend.
„Was willst du da genau gesehen haben, Gideon?“ knurrte Quinn ertappt.
Gideon atmete tief durch umrundete den schmalen Tisch, als wolle er das Schwert von der anderen Seite begutachten.
„Ihr seid beide ungebunden, Quinn. Und komm mir nicht damit, dass sie viel zu jung sei. Das geht mir am Arsch vorbei! Ich will, dass sie einen Gefährten hat, auf den wir uns alle verlassen können. Der für sie alles riskiert. Wenn du dieser Dämon sein willst, musst du dich zu erkennen geben.“
Quinn stockte der Atem und sein Gesicht wurde fahl, was er dadurch verbergen wollte, in dem er sie schlichtweg umdrehte.
„Wieso weißt du soetwas immer?“ hauchte Quinn leise.
„Weil ich dafür ein Händchen habe! Du liebst diesen Engel, seit dem sie geboren wurde. Und ich habe schnell festgestellt, dass dies über das Verhältnis von Kind zu Pate hinausgeht. Ich habe nur bisher nicht verstanden, warum du dich zurückhältst.“
Gideon strich erneut über das Schwert, da einer der Krieger flüchtig zu ihnen hinübersah.
„Ich kann nicht, Gideon. Ich bin für sie verantwortlich, ja, aber ich kann doch nicht Evies Tochter angraben. Nicht, nachdem….“
„Aber willst du den dein Glück zurückstecken, nur weil du Rücksicht nehmen willst.“ unterbrach ihn Gideon schnell. „Du versuchst es nun schon so lange zu verbergen. Es gibt keinen Grund für mich, dich weiterhin in dieser Sache zu schützen und fortzuschicken. Und das habe ich! Aber damit ist Schluss. Naron weiß von ihrem Wunsch und hat schon die Rador der anderen Seite der Schlucht kontaktiert. Sie wissen, dass hier keiner der Dämonen einen Versuch wagen würde, Emma zu bezirzen. Dafür haben die zu viel Angst vor ihr, weil sie wissen, wie schwierig sein kann. Deine Zeit läuft ab, Quinn!“
„Was? Sie wollen Emma ….anbieten?"
Quinn entglitten die Gesichtszüge nun endgültig. Seine Muskeln spannten sich schmerzlich an. Meins, schrie alles in seinen Zellen.
„Allerdings! Evie ist zwar gar nicht begeistert davon, aber sie will dem Glück ihrer Tochter nicht im Weg stehen. Selbst wenn das heißt, dass sie sie fortschicken muss.“
Gideon schien plötzlich ehrlich bedrückt und traurig darüber, das merkte Quinn sofort.
„Aber sie sieht in mir doch keinen potenziellen Gefährten! Dazu bin ich ihr viel zu sehr Freund gewesen, als dass sie sich von mir angezogen fühlen würde.“
„Doch nur, weil du dich gleich zu Anfang, als sie bereit gewesen wäre, aus dem Staub gemacht und ihr zu verstehen gegeben hast, dass sie nie mehr für dich sein würde. Quinn, du hast dir selbst mehr zerstört dadurch, als irgendjemand sonst.“
„Wenn du das alles weißt, Gideon, warum hast du dann nicht vorher etwas unternommen?“ sagte Quinn nun säuerlich.
„Weil ich hoffte, dass du dich noch besinnst! Doch selbst gerade, als du hättest zugeben können, dass du dich für sie interessierst, hast du nichts getan. Nichts!“
Gideon richtete sich ruckartig auf und lachte.
„Ja, wir müssen vielleicht wirklich bessere Waffen haben.“
Ein junger Krieger ging in diesem Moment am Zelt vorbei und sah ihn verwirrt an. Ging aber seelenruhig weiter und richtete seinen Brustpanzer.
„Was soll ich nun machen? Hast du eine Idee?“ fragte Quinn etwas lauter als zuvor.
„Gib dich erstmal zufrieden, mit dem was du hast. Sobald ich mehr dazu weiß, werde ich dir sofort bescheid geben“
„Ok. Danke.“ Sagte Quinn wirklich dankbar. Denn er wusste genau, was Gideon mit den letzten Worten meinte. Er würde sich von nun an ins Zeug legen müssen, um Emma für sich gewinnen zu können. Allerdings würde er es nicht offensichtlich tun, sondern verborgen und hoffen, dass er genug Zeit dafür haben würde.
Emma ließ sich von einer Dienerin die Schnüre am Rücken festziehen.
Viel lieber hätte sie so eine Korsage, wie ihre Mutter gehabt, doch sie gab sich mit dem zufrieden, was ihr zu Verfügung stand. Erstmal. Sobald sie ihren Rang in den Reihen der Krieger eingenommen hatte, würde sie sich neue Kleider herstellen lassen.
Leider war sie etwas spät dazu übergegangen, Nahkampf zu trainieren. Allerdings musste sie auch erst ihre Hexenkräfte kontrollieren lernen, damit sie ihre Trainingspartner nicht unnötig verletzte. Somit war sie aber Klassen schlechter als ihr Bruder, der schon seit Monaten im Außeneinsatz war. Gut, er war auch ausgetickt und beinahe Amok gelaufen, aber sonst…
Der letzte Knoten war geschürt.
Emma betrachtete sich im Spiegel. Ihre langen dunkelblonden Haare hingen geflochten den Rücken hinunter. Statt eines Rockes trug sie eine schwarze Lederhose, die ihr bis zu den Knien reichte und hervorragend zu ihrer schwarzen Korsage passte.
Die Dienerin hielt ihr bereits ihre Scheide hin, in der ihre beiden Kurzschwerter steckten. Emma behielt die Flügel eng am Körper, damit sie ihr die Lederriemen umbinden konnte.
„Du siehst furchteinflößend aus, Herrin.“
„Danke. Das will ich auch! Mal sehen, wer heute den kürzesten Strohhalm gezogen hat und gegen mich antreten muss.“ sagte Emma enttäuscht.
„Es sollte ihnen eine Ehre sein. Ich bezweifle, dass sie es bedauern, gegen dich antreten zu dürfen.“
„Du schmeichelst mir umsonst. Ich bin nicht gut genug. Nur eine Last und Verpflichtung für sie. Behaupte bitte nicht das Gegenteil!“
Die Dienerin zuckte verlegen zusammen. Nicht nur wegen des Tones, den Emma angeschlagen hatte, sondern auch, weil sie sich ertappt fühlte.
Dann drehte sich Emma von ihr weg und verließ das Zelt.
Draußen wartete schon eine übersichtliche Menge an Kriegern, die diesmal nur darauf warteten, dass Emma das Zelt verließ. Viele tuschelten miteinander und verstummten, als sie die Halbdämonin sahen. Andere standen starr vor ihr.
Na toll, dachte Emma entgeistert, auch noch vor Publikum. Schlimmer geht’s kaum. Sie trainierte wirklich gerne, aber immer nur in kleinen Gruppen, nicht mit so zahlreichen Zuschauern.
Sie raffte sich jedoch zusammen, hob die Schultern und betrat die Mitte des imaginären Kreises.
Allerdings sackte ihr die Kinnlade herunter, als sie diesmal ihren Gegner ausmachte. Denn noch gestern hatte sie erfahren, dass Billok gegen sie kämpfen sollte. Mit gemischten Gefühlen hatte sie diese Nachricht vernommen. Doch nun stand nicht dieser Dämon vor ihr, sondern…
Quinn.
Der viel größere Dämon stand ein paar Schritte von ihr entfernt und band sich seine Armschienen. Emma schluckte schwer.
Schon einige Kämpfe hatte sie bestritten, manche sogar gewonnen, doch gegen ihn antreten zu müssen, war fast grausam.
Er war einer der besten Krieger, die sie kannte. Wie sollte sie nur mit ihm mithalten können? Gar nicht. Er würde sie fertig machen, da war sie sich sicher.
Doch Quinn lächelte nur, als er sie sah und kam langsam auf sie zu. Emma zitterte plötzlich. Der Anblick des viel größeren Dämons war mit einem Mal verwirrend. Schon oft hatte sie ihn in seiner Kampfausrüstung gesehen und bewundert, doch selbst im Kampf erlebt, noch nicht.
Diesmal reagierte ihr Körper aber anders auf ihn, als sonst. Sie bekam Herzrasen, was sie definitiv auf den Kampf selbst zurückführte und ihr wurde flau im Magen.
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