Wenn er sich öffnet in der Gabelung, empfängt er die Welt im Verwundern. Und dieses Sich-Verwundern mit dem im Leibe selbst, im Menschenwesen selbst vorhandenen Astralleib, das muß man einmal, und sogar öfter, übungsmäßig gefühlt, empfunden haben, wenn das a wahr werden soll. Also das Zeichenmachen, das ist nicht das Wesentliche, sondern empfinden, daß das nicht anders sein kann – was einem gewissen inneren Erlebnis entspricht –, als daß die Arme gabelig der Welt entgegengestellt werden. Und schreiten Sie fort zu dem e. Es handelt sich darum, daß Sie das e wirklich fühlen. Das e fühlen bedeutet aber schon: sich aufrecht erhalten gegen etwas. Bei dem a öffnen wir uns bewundernd der Welt. Wir lassen die Welt an uns herankommen. Wenn wir e empfinden, lassen wir die Welt nicht einfach an uns herankommen, sondern wir setzen uns schon etwas zur Wehr, wir stellen uns der Welt gegenüber. Die Welt ist da, und wir stellen uns der Welt gegenüber hin. Daher ist das e darinnen bestehend, daß wir uns selber berühren (gekreuzte Hände). Wir berühren uns selber. »Ich bin auch da gegenüber der Welt« sagen wir, wenn wir e empfinden. Und lernen können Sie e, wenn Sie die e-Geste erleben in der Empfindung: Ich bin auch da gegenüber der Welt, und will es spüren, daß ich auch da bin. Mein eines Glied bringt es an dem anderen zur Empfindung, daß ich auch da bin. Nun wäre es mir ganz besonders lieb gewesen, wenn sich die Dinge so entwickelt hätten, daß eben das, was man so die Buchstaben nennt, gegeben worden wäre, und dann innerlich der Drang dagewesen wäre, an den Buchstaben selber diese Empfindungen zu entwickeln; denn da säßen sie fest. Nun, es ist gewiß auch in vielen Fällen geschehen, wenn auch nicht in deutlich ausgesprochener Weise, so bei vielen im Unterbewusstsein. Aber das Eurythmielernen muß von diesen Dingen auch ausgehen. Nehmen Sie das o. Sie bilden, indem Sie die o-Geste machen, mit den beiden Armen einen Kreis. Sie müssen empfinden bei der o-Geste, daß Sie nicht das e erleben können. In dem e, da stellen Sie sich hin: ich bin auch da gegenüber der Welt. Bei dem o gehen Sie aus sich heraus und schließen etwas in sich ein (o-Bewegung nach vorne). Sie umschließen etwas. Bei dem e kommt es darauf an, daß das, was Sie meinen, draußen ist und Sie drinnen sind, in sich drinnen sind. Bei dem o kommt es darauf an, daß Sie wachend einschlafen, indem Sie Ihr ganzes Sein herausspazieren lassen in denjenigen Raum, den Sie mit der o-Geste umschließen. Aber da ist jetzt das andere, was Sie meinen, auch drinnen, sodaß Sie etwa fühlen können, indem Sie das o erleben: Ich trete an einen Baum heran; ich umschließe diesen Baum mit den Armen, aber ich bin selbst dieser Baum. Ich bin ein Baumgeist, eine Baumseele geworden. Da ist der Baum; und weil ich selbst eine Baumseele geworden bin, weil ich eins geworden bin mit dem Baum, mache ich diese Geste. Ich gehe aus mir heraus. Das, worauf es mir ankommt, ist in meinen Armen. – Das ist das o-Empfinden. Das ^-Empfinden, das ist: Verbunden sein mit etwas und eigentlich weg wollen davon, irgendwo anders hin folgen also der Bewegung, die man macht, aus sich herausgehen, den Weg sich bereiten. Ich laufe selbst an meinen Armen entlang, indem ich die ^-Bewegung mache. Ich bin überzeugt davon: u = fort, fort, fort; fort in dieser Richtung (^-Bewegung nach vorne). Sehen Sie, das ist Sprache. Das ist Sprache, die eigentlich fragt: Wie steht der Mensch zu den Dingen der Welt? Sprache fragt immer: Wie steht der Mensch zu den Dingen der Welt? Verwundert er sich über sie? Will er sich ihnen gegenüber aufrecht erhalten? Umfaßt er sie? Läuft er vor ihnen davon? Die Sprache ist immer ein Verhältnis des Menschen zur Welt. Musik ist ein Verhältnis des Menschen als seelisch-geistiger Mensch zu sich selbst. Und wenn Sie versuchen, sich so recht hineinzuversetzen in dasjenige, was man empfinden kann in der eben angedeuteten Weise im Vokal, sagen wir o, sagen wir u, so ist das eben ein deutliches Herausgehen mit der Seele aus dem Leibe. In der Aussprache drückt sich das ja auch aus. Denken Sie nur, daß das o seiner Hauptsache nach vorn an den Lippen gesprochen wird, mit einer deutlichen Rundung der Lippen: o, und daß das u mit etwas nach auswärts gestellten Lippen gesprochen wird: u – fort. Sodaß in der Luftgebärde, die die Sprache macht, man schon dieses Herausgehen aus sich selber im o und u hat. Das Musikalische aber stellt das genaue Gegenteil des Sprachlichen vor. Wenn man im Sprachlichen aus sich herausgeht, verläßt man eben mit seinem astralischen Leib und Ich den physischen Leib und Ätherleib, wenn auch nur partiell, und wenn man es auch nicht merkt; aber es ist ein wachendes Einschlafen, wenn man o oder u sagt, oder wenn man o oder u eurythmisiert. Es ist ein wachendes Einschlafen. Wenn man so aus sich herausgeht im o oder u, so geht man eigentlich mit dem Seelischen in das seelische Element hinein. Und indem ich sage: ich gehe im u und im o mit meinem astralischen Leib aus meinem physischen Leib heraus, spreche ich sprachlich. Wenn ich sage: ich gehe mit meiner Seele nun in dem, was ich erlebe, in mein Geistiges hinein – trotzdem ich herausgehe, gehe ich hinein in mein Geistiges: das ist gerade das Gegenteil, so wie ich im Einschlafen auch in mein Geistiges hineingehe und aus meinem Physischen herausgehe. Wenn ich also sage: ich gehe in mein Geistiges hinein im o oder im u, dann rede ich musikalisch. Aber indem ich auf das o oder das u reflektiere, verleugne ich natürlich das musikalische Reden. Und es handelt sich darum: welches ist das musikalische Erlebnis bei diesem Herausgehen aus sich selber, das musikalische Erlebnis, das als Musikalisches entspricht dem Herausgehen, wie es vorhanden ist beim o oder u} Dieses musikalische Erlebnis als Erlebnis, das im o oder u liegt, ist im umfassenden Sinne das Dur-Erlebnis. Wenn wir vom Dur-Erlebnis sprechen, so haben wir allerdings dieses Dur-Erlebnis im o oder im u, nur kann ich nicht sagen, wir deuten es um, aber wir leben es um in ein sprachliches Erlebnis; aber wir haben jedesmal das Erlebnis, ob nun gesprochen wird o oder u, oder ob wir ein Wort, das hauptsächlich o hat oder hauptsächlich u hat, also ein Wort, das dominierend o oder u hat, sprechen, wir haben, indem wir o oder u sprechen, im Sprechen zugrunde liegend ein musikalisches Dur-Erlebnis. Und wenn wir reflektieren auf das a und auf das e, wo wir ja an dem Laut-Erleben deutlich wahrnehmen können, wir stecken mit unserem Astralleib im physischen Leib drinnen, ja wir werden ganz besonders gewahr des physischen Leibes – dann haben wir ein anderes musikalisches Erlebnis. Aber beachten Sie dieses Gewahrwerden des physischen Leibes. Wenn Sie ein a aussprechen oder eurythmisieren, so senken Sie eigentlich, so gut es geht, Ihren astralischen Leib in Ihren physischen Leib hinein. Das bedeutet Wohlbefinden. Das ist wirklich so, wie wenn Sie Ihren astralischen Leib – ich will für weniger nüchterne Menschen sagen: wie perlenden Wein, der durch die Glieder fließt, empfinden würden, für nüchterne Menschen würde ich sagen: wie Limonade fließt –, empfinden würden. Also Sie haben tatsächlich in diesem ^-Aussprechen etwas, wie wenn Sie perlendes Nass durch Ihren physischen Leib ergießen würden. Was tritt aus diesem physischen Leibe zutage? a: es ist das Wohlbehagen, das Wohlbefinden, welches da zutage tritt. Nehmen Sie das andere: Sie wollen sich aufrecht erhalten gegenüber der Umgebung, sagen: ich bin auch da. – Da ist es, wie wenn Sie, sagen wir, sich gegen Kälte schützen durch ein schützendes Kleid. Da erhöhen Sie die Intensität Ihres Daseins. Und dieses: ein anderes empfinden und sich dagegen wehren, das Auf-sich-selbst-Stellen gegen ein anderes, das ist im e. Aber in beiden Fällen, im a und im e} ist es ein Ergreifen des physischen Leibes durch den astralischen Leib. Dieses selbe Erlebnis läßt sich auch musikalisch erleben. Musikalisch läßt es sich erleben im Moll-Erlebnis im umfassendsten Sinne. Das Moll-Erlebnis ist immer ein In-sich-Zurückgehen mit seinem Seelisch-Geistigen, ein Ergreifen seines Leiblichen durch das Seelisch-Geistige. Und Sie kommen am leichtesten zu dem, was Sie gerade in der eurythmischen Geste erleben sollen als den Unterschied zwischen dem Dur- und Moll-Erlebnis, wenn Sie das Dur-Erlebnis sich herausholen, aber lebendig empfindungsgemäß, aus dem o- und /^-Erlebnis, und wenn Sie sich das Moll-Erlebnis herausholen, aber wiederum empfindungsgemäß, aus dem a- und e-Erlebnis – nicht aus den Lauten, sondern aus dem Erlebnis. Sie werden, wenn Sie auf diese Dinge eingehen, schon empfinden können, wie wenig der Mensch eigentlich heute vom Menschen weiß. Denn man muß schon sagen: in unserer gegenwärtigen Welt ist ja für alles das ein außerordentlich geringes Verständnis. Aber ohne dieses Verständnis ist überhaupt gar nichts im Produktiven auf den verschiedensten Gebieten zu machen. Dieses Verständnis muß erworben werden, sonst werden wir nie in das Künstlerische unseren ganzen Menschen hineinstellen. Und ein Künstlerisches, ohne daß sich der ganze Mensch in dieses Künstlerische hineinstellt, ist eben nichts, ist eine Farce. Ein Künstlerisches kann nur bestehen, wenn sich der ganze Mensch in dieses Künstlerische hineinstellt. Dann muß man aber die Zusammenhänge zwischen Welt und Mensch auch wirklich empfinden, muß wirklich empfinden, wie die Sprache uns in ein Verhältnis zur Außenwelt, die Musik uns in ein Verhältnis zu uns selber bringt; wie daher, alle eurythmische Lautgebärde sozusagen aus dem Menschen herausgeholt ist, eine in die äußere Welt versetzte Gebärde ist; wie die Musikgebärde die in den Menschen zurücklaufende Gebärde sein muß, wie da alles, was in der Lauteurythmie hinausgeht, hier in den Menschen hineingehen muß. Sehen Sie, heute ist alles in der Welt der Gedanken chaotisch zerstreut. Man überschaut nichts lebendig. Aber nehmen Sie einen Menschen, der – wie man oftmals sagt – sanguinisch ist, der also stark in dem Äußeren lebt. Ein sanguinischer Mensch, er ist uns wohlgefällig, das heißt, er gefällt uns eigentlich nur dann, wenn er o oder u ausspricht. Man hat eigentlich immer einen Essiggeschmack im Munde, wenn ein sanguinischer Mensch a und e ausspricht; es taugt nicht recht. Nur haben die Menschen der Gegenwart nicht so lebhafte Empfindungen. Aber deshalb können die Menschen der Gegenwart auch so wenig aus dem Innersten ihres Wesens heraus schaffen. Aber nehmen Sie einen melancholischen Menschen: ein melancholischer Mensch, wenn er für jemanden, der dafür Verständnis hat, o oder u ausspricht, ist überhaupt eine Karikatur; ein melancholischer Mensch taugt nur etwas, wenn er a oder e ausspricht. Da haben Sie schon das Hinübergehen in die ewige Dur-Stimmung des sanguinischen Menschen und in die ewige Moll-Stimmung des melancholischen Menschen. Aber nehmen Sie einen Menschen, von dem man sagt, er sei »pumperlgesund«. Ein Mensch, der pumperlgesund ist, der ist in der Dur-Stimmung, und sein astralischer Leib macht zumeist Bewegungen, die dem o und u entsprechen. Er geht leicht, das heißt, er ist eigentlich fortwährend im u. Er greift alles an, indem es ihm gefällt, kann alles aushalten: er ist fortwährend im u; er ist die lebendige Dur-Stimmung, die herumgeht. Nehmen Sie einen kranken Menschen: er ist fortwährend so, daß er, ohne sich zu verwundern, durch das Kranksein die ^- Stimmung imitiert, oder die e-Stimmung; die letztere erst recht. Ein kranker Mensch ist fortwährend in Moll-Stimmung. Und es ist nicht etwa eine Metapher oder irgendetwas von einem Gleichnis, wenn man sagt: Was ist denn das Fieber? Das Fieber ist das in das Physische umgesetzte a, das der Eurythmist oder derjenige, der das a spricht, in sich sonst astralisch hervorbringt. Die Moll-Stimmung ins Physische hinunterprojiziert, Fieber erzeugend, ist derselbe Vorgang wie der, wenn Sie a aussprechen, nur daß Sie es auf einem höheren, seelisch-geistigen Niveau machen. Das a ist immer ein Fieber. Entweder ist es Fieber oder ist es Träne; aber es ist immer etwas, was der Mensch in sich hervorbringt. Diese Dinge, empfindungsgemäß verstanden, die führen erst wiederum zur rechten Menschenerkenntnis. Und weil der Mensch teils gesund, teils krank ist, so greift eben das Entwickeln des strotzig Gesunden, das in der Kunst zutage treten muß, und das Entwickeln von heilkräftigen Bewegungen so innig ineinander. Das letztere ist beim kranken Menschen vorhanden. Es greift das deshalb so innig ineinander, weil wirklich zugleich Dur und Moll auf einem höheren Plane dasselbe sind wie Gesundheit und Krankheit; aber das Erleben von Gesundheit und Krankheit. Nur muß man nicht denken, daß, weil Moll die Krankheit ist, daß Moll deshalb etwas Schlechtes ist oder irgendetwas Untergeordnetes. Im Seelischen krank sein bedeutet eben immer etwas ganz anderes, als im Physischen krank sein. Dabei werden wir sehen, daß durchaus in der Entwicklung von Dur- und Moll-Stimmungen auf eurythmische Art auch wiederum heileurythmische Wirkungen herauskommen. Aber so sehen Sie, daß wirklich eine Brücke da ist zwischen der Lauteurythmie und der Toneurythmie. Und wenn wir das Vokalische in der Lauteurythmie richtig erleben, wie ich es dargestellt habe in dem a und in dem e einerseits, in dem o und in dem u anderseits, dann bekommen wir eben auch schon die Hinleitung zu dem Moll- und zu dem Dur-Erlebnis. Aber nun handelt es sich darum, daß wir wirklich das auch ganz ernst in uns nehmen können: das Musikalische mehr nach dem Innern des Menschen schieben, während wir das Lauteurythmische mehr vom Menschen abschieben müssen in der Geste. Und nun stellen Sie sich einmal folgendes vor: Versuchen Sie, mit dem rechten Fuß möglichst empfindungsgemäß vorwärts zu schreiten (Frau Schuurman). Sie machen es so, daß Sie mit dem Kopf empfindungsgemäß ausdrücken: Sie schreiten vorwärts – den Kopf nicht zu weit zurück, mehr nach vorne. Da haben wir zunächst die eine Gebärde. Jetzt machen wir eine zweite Gebärde: Versuchen Sie zu begleiten diese Bewegung, die Sie eben gemacht haben, dadurch, daß Sie die rechte Hand mit der Hohlseite nach außen richten und sie möglichst in der Richtung des ausschreitenden Fußes nach vorn bewegen. Jetzt haben Sie eine zweite Gebärde gehabt. Nehmen wir die erste Gebärde: das Schreiten. Nehmen wir die zweite Gebärde: die Bewegung. Und jetzt versuchen Sie zu diesem eine dritte Gebärde dazuzufügen, indem Sie den linken Arm leicht, wie wenn Sie hinstoßen wollten, bewegen (linker Arm leicht den rechten stoßend). Sie schreiten nach vorwärts und gehen mit dem rechten Arm nach und stoßen mit dem linken Arm nach. Nun haben Sie möglichst radikal eine gewisse Gebärde ausgedrückt. Sie haben Schreiten, Bewegung, und indem Sie das noch hinzufügen mit dem linken Arm: Gestaltung; denn wenn Sie da nachkommen mit dem linken Arm, können Sie jetzt das, was Sie in die Bewegung hineinergossen haben, in dem rechten Arm, in der Bewegung festhalten. Also wir haben:
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